First things first: Wozu braucht man einen Rasierer? Um sich zu rasieren, richtig. Und so raspeln sich in TV-Werbespots prominente Persönlichkeiten, wie Jérôme Boateng, Joshua Kimmich oder Joko Winterscheidt, echte Körperbehaarung aus dem Gesicht, um dann ihre aalglatte Haut im Spiegel zu betrachten. So weit, so männlich. Aber schaut man die Werbespots für Damenrasierer an, fällt auf, dass dort etwas Entscheidendes fehlt: die Haare! In den Spots diverser Anbieter gleiten die Rasierer über glatte Haut, auf der weit und breit kein Hauch von Körperbehaarung zu sehen ist. Warum ist das so? Warum werden Produkte, die auf eine männliche Zielgruppe ausgelegt sind, von behaarten Männern beworben und Produkte, die sich an eine weibliche Zielgruppe richten, von bereits perfekt rasierten Frauen?

Diese Frage stellte sich anscheinend auch die US-amerikanische Rasierermarke Billie und drehte einen Werbeclip, in dem Frauen echte Körperbehaarung mit dem Rasierer entfernen: Sie haben Härchen an den Beinen, auf dem Bauch, unter den Armen, auf den Zehen – ganz normal, ganz natürlich. Dazu wird folgender Text eingeblendet: "Haare. Alle haben sie. Auch Frauen. Die Welt tut so, als würden sie nicht existieren. Aber sie existieren. Wir haben das überprüft."

Die Billie-Mitgründerin Georgine Gooley erklärte gegenüber der US-amerikanischen Tageszeitung The Guardian: "Es ist überholt, Frauen immer nur mit glatten, haarlosen Beinen zu zeigen. Wir haben schon immer gesagt, dass Rasieren eine persönliche Entscheidung ist. Es ist dein Haar und niemand sollte dir sagen, was du damit zu tun hast." Deshalb möchte die Firma mit der Kampagne zeigen, dass Körperbehaarung bei Frauen genauso normal ist, wie bei Männern. Neben dem Werbespot wurden auch Stockfotos von Frauen mit Körperbehaarung auf der Seite Unsplash hochgeladen und stehen dort zur kostenfreien Verwendung zur Verfügung, um mehr Fotos von Frauen mit Körperbehaarung in die Medien zu bekommen.

Außerdem auf ze.tt: Stolz auf die eigene Körperbehaarung

Auf Twitter erhält die Firma viel Zuspruch für die Kampagne. Eine Nutzerin schreibt: "Ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich mich diese Werbung macht. Frauen sind Säugetiere und haben Haare. Also echtes Haar. Und sie können entscheiden, ob sie sich rasieren – anstatt in der Werbung mit einem Rasierer über schon total glatt-gewachste Körperteile zu fahren." Andere pflichten ihr bei: "Das wurde aber auch Zeit" und "Großartige Arbeit!", schreiben sie.

Muss das denn sein?

Die einen feiern den Spot und den Gedanken dahinter als Revolution, die anderen verdrehen die Augen und fragen sich: Muss das denn sein? Ja, das muss sein. Natürlich ist es traurig, dass im Jahr 2018 Frauen mit Körperbehaarung in der Werbung als etwas Neues, in der Art noch nie Dagewesenes, als Revolution gefeiert werden. Und natürlich hat jede Werbekampagne, die Body Positivity feiert, immer schnell den Beigeschmack, dass hier vielleicht Femwashing betrieben wird. Femwashing bedeutet, dass große Firmen und Marken sich zum Beispiel Frauenrechte auf die Fahne schreiben, um daraus Profit zu schlagen.

Doch muss man sich auch fragen: Wie sähe diese Werbung sonst aus? Würden uns ansonsten denn nicht abermals und zum tausendsten Mal glattrasierte Körperteile entgegen gehalten, bei denen überhaupt kein Rasurbedarf besteht? Das ist, als würde sich jemand mit Glatze die Haare kämmen: unnötig und vor allem unglaubwürdig. Wenn dieser Spot also auch nur im Geringsten dazu beitragen kann, dass weibliche Körperbehaarung endlich kein Tabu mehr ist, zur Normalität gehört und in den Medien präsenter wird, dann hat er schon allein deswegen eine Berechtigung. Lasst wachsen, Leute. Und wenn ihr keinen Bock habt, dann lasst waxen. Ist eure Sache.