T-Shirts mit der Aufschrift We should all be feminists, der viel diskutierte EU-Pulli oder rote Kappen mit dem Schriftzug Make America New York sind nur drei Beispiele für politische Mode. In den vergangenen Jahren nahmen plakative Mitteilungen durch Sprüche und Symbole auf Klamotten zu. Die eigene Einstellung wird nach außen getragen und öffentlich gemacht. Große Ketten verkaufen mittlerweile Kinderkleidung mit feministischen Sprüchen darauf.

Auch wenn auf der Kleidung keine eindeutige Message prangt, ist Mode trotzdem politisch: Welche Materialien genutzt werden, unter welchen Umständen Mode hergestellt und wie sie verkauft wird – all diese Faktoren machen Mode zu mehr als Kleidungsstücken. In Diskussionen über politische Mode kommt meist schnell eine Frage auf:

Kann Mode wirklich etwas verändern?

Leni, die Gründerin des Labels Kids of the Diaspora, glaubt fest daran. Schon ihr Leben lang fragen Menschen sie nach ihrer Herkunft. Wenn sie ihnen mit "Leopoldsdorf in Niederösterreich" antwortet, akzeptieren das die meisten nicht und bohren weiter. 2016 will Leni eine Plattform für Menschen, denen es ähnlich ergeht, gründen: für alle, die aufgrund ihrer Herkunft, Aussehens, sexueller Orientierung oder Religion in der Gesellschaft diskriminiert werden. Dazu postet sie ein Bild von sich, auf dem sie ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift Kid of the Diaspora trägt, und erzählt, dass ihre Wurzeln von Nigeria über Tschechien bis nach Österreich reichen, sie sich aber nirgends zugehörig fühlt – sondern irgendwo dazwischen.

Mit ihrer Geschichte trifft sie einen Nerv. Viele solidarisieren sich mit Leni und berichten von ihren eigenen Erfahrungen und fragen, wo sie das T-Shirt kaufen können. Leni verwirft die Idee einer Plattform und gründet ein Label. Gemeinsam mit ihrer Schwester Cherrelle entwickelt sie in Zusammenarbeit mit Künstler*innen und Designer*innen immer mehr Stücke. Aus dem Kid werden die Kids of the Diaspora. Heute verkaufen sie in einem Shop im neunten Bezirk in Wien Socken, Mützen, Overalls, T-Shirts bis hin zu Taschen mit Sprüchen wie Deconstruct the Concept of Minorities.

Ihre Klamotten sind unisex und fair produziert. Auf das Logo schaut man automatisch zweimal, und diese Verwirrung ist durchaus gewollt. Die Typografie des Markennamens erinnert erst mal vermeintlich an die Ästhetik der Nazizeit. Noch immer nehmen Neonazis die Frakturschrift mit gebrochenen Buchstaben gern für sich in Anspruch. Blickt man in der Geschichte zurück, wurde diese Fraktur jedoch 1941 verboten und als sogenannter Judenletter diskreditiert. Die Wiener Modelinie will die Schrift neu besetzen. "Die Schrift polarisiert, darum haben wir sie ausgewählt. Wir wollen, dass die Menschen sich damit auseinandersetzen", so Leni.

Was bedeutet Diaspora?

Der Begriff Diaspora kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Zerstreuung". Er beschreibt den Zustand, in der eine Gemeinschaft nicht mehr in ihrer Heimat lebt, sondern als Minderheit in anderen Staatsgebieten verteilt ist. Die eine Diaspora, die von allen Menschen gleich erlebt wird, gibt es aber nicht. Wer also zu dieser Diaspora zählt und wer nicht, lässt das Label offen. Leni empfindet ihr Label als inklusiv und sagt, dass auch jene ohne Migrationsgeschichte die Mode tragen und die Message unterstützen können. Sie will so Zugehörigkeit, Identität und Inklusion zum Thema machen und Menschen zusammenbringen, die sich sonst oft ausgeschlossen fühlen. "Die Diaspora ist ein Space, der für viele Menschen spürbar, aber nicht für alle sichtbar ist", erklärt die Gründerin im Gespräch.

Mode allein verändert die Gesellschaft zwar nicht, kann aber Themen sichtbar machen. Durch das Tragen der Aufschriften des Wiener Labels würden immer wieder Gespräche entstehen, erzählt die Gründerin. Das glaubt man Leni, denn selbst während der Dreharbeiten drücken sich Menschen immer wieder ihre Nasen an der Scheibe des Shops platt. Sie wollen hereinkommen und fragen, was hier passiert  und vor allem, wer diese Kids of the Diaspora sind.

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