Innerhalb kürzester Zeit mussten Schulen in Deutschland im März von täglicher, persönlicher Begegnung zwischen Lehrkräften und Schüler*innen auf Online-Unterricht umstellen, um die Verbreitung des Coronavirus zu vermeiden. Zunächst schien es so, als würden die Schulen nur bis nach den Osterferien schließen, doch bald zeichnete sich ab: Einen herkömmlichen Schulbetrieb wird es monatelang nicht mehr geben. Der Druck, schnell ernsthafte Alternativen zu suchen, wuchs.

Die drängendste Herausforderung war zunächst, Schüler*innen möglichst umfassend mit Material zu versorgen, damit sie so wenig Lerninhalte wie möglich verpassen. Aufgaben wurden digitalisiert und E-Learning-Plattformen genutzt. Lernpakete und Briefe wurden gepackt und nicht selten persönlich von Lehrkräften nach Hause geliefert. Einige Schulen organisierten digitale Endgeräte für Schüler*innen, die bisher keinen Zugang dazu gehabt hatten. Die plötzliche Schließung zwang Lehrkräfte und Schüler*innen, neue Wege zu gehen. Online-Unterricht wurde zur neuen Normalität.

Welche Lehren kann das System aus der Zeit der Schulschließung ziehen und welche Potenziale verbergen sich hinter neuen Strukturen? Zwei Schulleitungen aus Hamburg und Bremen berichten.

Björn Lengwenus, Schulleiter Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg, Hamburg

Das Lernen hat online recht gut funktioniert, obwohl wir nicht optimal darauf vorbereitet waren. Zwar kann Online-Unterricht noch nicht mit der Qualität des Präsenzunterrichts mithalten, da dieser in den vergangenen Jahren noch nicht so stark entwickelt wurde, aber es gibt viele Aufgaben, die Schüler*innen zu Hause machen können.

Dennoch haben wir schnell gemerkt, dass im Online-Unterricht etwas verschwindet, weshalb meiner Ansicht nach jetzt alle wieder in die Schule wollen und das gezeigt hat, was einen großen Wert von Schule darstellt: das Gemeinschaftsgefühl, das Zusammensein, die Erlebnisse, die berühren. Deswegen habe ich auch die Dulsberg Late Night Show initiiert.

Der Fokus muss darauf gelegt werden, eine Gemeinschaft zu schaffen. Wir brauchen dafür möglichst bald wieder kulturelle Projekte und gemeinsame Veranstaltungen, die Schüler*innen berühren.
Björn Lengwenus

Schule wurde in dieser Zeit in der Vorstellung der Schüler*innen und auch der Eltern stärker zu einem positiven, wichtigen Ort, mit dem viel Schönes einhergeht und das ist eine große Errungenschaft aus dieser Zeit. Schule sollte perspektivisch daran arbeiten, diese Vision aufrechtzuerhalten. Zurzeit ist die Ausrichtung, dass möglichst viel inhaltlicher Stoff aus den Kernfächern nachgeholt werden soll, was natürlich wichtig ist. Aber die Vermittlung von Stoff hat auch in den vergangenen Wochen recht gut funktioniert.

Das ist allerdings nicht das einzige, was Bildung von Jugendlichen über zehn bis 13 Schuljahre ausmacht. Der Fokus muss vielmehr darauf gelegt werden, eine Gemeinschaft zu schaffen. Wir brauchen dafür möglichst bald wieder kulturelle Projekte und gemeinsame Veranstaltungen, die Schüler*innen berühren.

Karin Peterburs, stellvertretende Schulleitung und didaktische Leitung Gesamtschule Ost, Bremen

Durch die veränderten Strukturen gab es mehr persönliche Kommunikation zwischen Schüler*innen und Lehrkräften. Es stand stärker als sonst im Vordergrund, wie es den Schüler*innen geht und wie sie ihren Alltag verbringen. Dadurch haben sich die sozialen Beziehungen intensiviert.

Wir wissen, dass Lernen ohne intensive Beziehungsarbeit vor allem in unserem Einzugsgebiet nicht möglich ist. Allerdings haben wir jetzt noch einmal festgestellt, wie wichtig Raum für Einzelgespräche ist und wie wenig Zeit diese oft im Schulalltag bei einer Unterrichtsverpflichtung von 27 Schulstunden pro Lehrkraft einnehmen können.

Ich kann mir vorstellen, dass wir in Zukunft auch im Stundenplan mehr Freiräume für persönliche Gespräche schaffen werden. Gegebenenfalls haben die Schüler*innen dann eine Stunde Fachunterricht weniger, können aber besser im Lernprozess begleitet werden. Dadurch können auch noch besser Werte vermittelt werden.

Im Bereich digitaler Bildung haben wir einen großen Schritt nach vorne gemacht. Lehrkräfte, die sich bisher noch nicht einarbeiten konnten, hatten nun die Möglichkeit dazu.
Karin Peterburs

Den Wert der persönlichen Zuwendung haben wir auch bei den Abiturprüfungen gefördert. Da alle auf Abstand und einzeln zu den Prüfungen gehen mussten, haben wir die Lernenden mit einer Lehrkraft und einer Person aus der Schulleitung morgens persönlich begrüßt, nach ihnen gefragt und ihnen Erfolg gewünscht. Alle gingen mit einem Lächeln in die Prüfung. Das wollen wir auf jeden Fall beibehalten.

Im Bereich digitaler Bildung haben wir einen großen Schritt nach vorne gemacht. Lehrkräfte, die sich bisher noch nicht einarbeiten konnten, hatten nun die Möglichkeit dazu. Jetzt können wir die digitale Fitness auch noch besser im Unterricht nutzen.