Den Ärmel hochkrempeln, die Hand zur Faust ballen, ein kurzer Stich: "Jetzt können Sie sich zurücklehnen, es dauert einen Moment." Wer schon einmal Blut gespendet hat, kennt diese Prozedur. Als wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems retten Blutspenden immer wieder Leben. Doch wem es erlaubt ist, Blut zu spenden, führt regelmäßig zu Diskussionen. Denn für homo- oder bisexuelle Männer und transsexuelle Menschen gelten besondere Regelungen. Lange Zeit war es ihnen in Deutschland komplett verboten, Blut zu spenden. Seit August 2017 ist das anders – sofern sie davor für zwölf Monate keinen Sex hatten.

Zwölf Monate ohne Sex

Um die risikofreie Verwendung von gespendetem Blut zu gewährleisten, werden Blutspender*innen nach Faktoren befragt, die die Gefahr einer Infizierung mit bestimmten Krankheiten beeinflussen. Wer eine Fernreise gemacht hat, Drogen nimmt oder kurz vor der Blutspende bei der Akupunktur war, wird für gewöhlich nicht als Spender*in zugelassen. Auch das Sexualverhalten ist Teil der Befragung. Denn die Wahrscheinlichkeit, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten, wie HIV oder Hepatitis, zu infizieren, steigt, je nachdem wie häufig eine Person die Sexualpartner*innen wechselt und wie verhütet wird.

Dieses Phänomen wird von der Bundesärztekammer als sexuelles Risikoverhalten bezeichnet. Es schließt neben häufig wechselnden Partner*innen und ungeschütztem Geschlechtsverkehr auch Sexarbeit ein – und Sex zwischen transsexuellen Menschen und queeren Männern. Denn diese machen noch immer einen Großteil der Menschen aus, die HIV-positiv sind. Auch wenn die allgemeinen Infektionszahlen seit Jahren tendenziell rückläufig sind, machten Männer, die mit Männern schlafen, im Jahr 2016 einen Anteil von etwa 68 Prozent der Neuinfizierungen aus. Die Gesamtzahl der Menschen, die sich in diesem Jahr neu mit HIV infizierten, lag bei 3.100. Das Interessante: Seit 2013 sinkt die Zahl der Neuinfizierungen von Männern, die mit Männern schlafen. Die Anzahl von heterosexuellen HIV-Träger*innen hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt.

Seit 2013 sinkt die Zahl der Neuinfizierungen von Männern, die mit Männern schlafen. Die Anzahl von heterosexuellen HIV-Träger*innen hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt.

Trotzdem führt noch immer die Sexualität zu einer Sonderstellung bei einer Blutspende. Ein Sprecher der Bundesärztekammer sagte zu ze.tt, die Nichtzulassung von Personen würde nicht auf eine Diskriminierung hinweisen, sondern wäre nur "der Vermeidung von Risiken für die Spender selbst oder für die Empfänger geschuldet." Man würde durch die Richtlinien niemanden benachteiligen, sondern sich auf die Risikobewertung anhand medizinischer Daten verlassen. Darum habe man sich dazu entschieden, die Erlaubnis zur Blutspende für homo- und bisexuelle Männer an eine sexfreie Zeit von zwölf Monaten zu binden.

Viele haben die Entscheidung vom vergangenen Jahr als Schritt in die richtige Richtung gewertet. Doch geht sie den meisten nicht weit genug. Die Forderung, ein Jahr auf Sex zu verzichten, egal ob geschützt oder ungeschützt, mit einem*r Partner*in oder mit wechselnden, empfinden viele Betroffene als diskriminierend. So sieht es auch Jürgen Stolz vom Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie. Er sieht die bestehende Regelung als "offene Ungleichbehandlung von Männern, die Sex mit Männern haben, da ihnen pauschal riskantes sexuelles Verhalten unterstellt wird." Das könne erhebliche negative psychologische Auswirkungen haben: "Nach dem Motto: schwules Blut = infiziertes Blut." Eine besondere Bedeutung sieht er in solchen Bewertungen, wenn sie von offizieller, staatlicher Seite erfolge, wie beim Thema Blutspenden. So etwas könne im schlimmsten Fall dazu führen, dass queere Männer auch in anderen Lebensbereichen benachteiligt würden.

Ein internationales Problem

Im internationalen Vergleich sieht die Situation ähnlich aus. Darum hat die US-amerikanische Gay Men’s Health Crisis, kurz GMHC, anlässlich des Pride Month eine Kampagne gestartet, um auf die unterschiedlichen Standards in verschiedenen Ländern aufmerksam zu machen. Die GMHC ist eine Nonprofit-Organisation, die sich für HIV-positive und an Aids erkrankte Menschen einsetzt. Mit ihrer aktuellen Aktion wollen sie darüber aufklären, in wie vielen Ländern es queeren Männern und trans* frauen nur unter speziellen Auflagen erlaubt ist, Blut zu spenden.

Im Fokus stehen dabei Länder, in denen LGBTQ*-Rechte prinzipiell gestärkt werden: USA, Australien, Brasilien, Kanada und Deutschland. Dort können gleichgeschlechtliche Paare und trans* Menschen heiraten, aber nicht nach den gängigen Standards Blut spenden. Wie in Deutschland gilt auch in den anderen vier Ländern die Regel von einer zwölfmonatigen Enthaltsamkeit vor der Spende. Repräsentativ für diese Nationen wurden Bluttransfusionsbeutel im Design verschiedener Flaggen vor einer Regenbogenfahne abgelichtet und mit Slogans versehen wie "Kanada akzeptiert schwule Liebe, aber kein schwules Blut" oder "In Deutschland ist nicht einmal Typ 0 ein universeller Spender".

Blutspenden ohne Diskriminierung

Doch es geht auch anders. HIV-Tests gelten nach sechs Wochen als aussagekräftig, das Rote Kreuz spricht von einem Zeitraum von mindestens vier Monaten, bis das Risiko der Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit komplett ausgeschlossen werden kann. Dieser Zeitraum wäre nachvollziehbarer als die aktuell angesetzten zwölf Monate. Andere Länder zeigen, dass ein bedachter Umgang mit Blutspenden auch möglich ist, ohne eine einjährige Enthaltsamkeit von queeren Männern und trans* Menschen zu fordern: In England ist es schwulen und bisexuellen Männern seit Ende 2017 möglich, drei Monate nach dem letzten Geschlechtsverkehr Blut zu spenden. In Israel wird das gespendete Blut vier Monate lang eingefroren, danach wird eine weitere Blutspende gefordert. Werden beide Spenden negativ getestet, wird das Blut in der Medizin eingesetzt. Solche Methoden könnten in Zukunft auch in Deutschland für diskriminierungsfreie Blutspenden sorgen, ohne dabei die Sicherheit des gespendeten Blutes einzuschränken.

Es wäre gefährlich, das Sexualverhalten bei der Frage nach des Gesundheit eines Menschen außer Acht zu lassen. Doch auch nach den Fortschritten der letzten Jahre bleibt die Frage, warum die aktuelle Regelung in Deutschland schwule und bisexuelle Männer unnötig einschränkt. Denn wie gesund das gespendete Blut letztendlich ist, sollte nicht an der Sexualität festgemacht werden, sondern vielmehr an der Lebensweise der spendenden Personen.