Er ist 17 Jahre alt, Typ Surferboy mit frischer Haartolle und gerade für viele Menschen ein Held – zumindest im Netz: Am Wochenende erlangte Eggboy, bei echtem Namen Will Connolly, schlagartige Bekanntheit, als er dem australischen Politiker und Senator Fraser Anning ein Ei gegen den Kopf warf und den Vorgang mit seinem Smartphone filmte. In den sozialen Medien verbreitete sich eher eins, in dem Anning und Connolly von vorne zu sehen sind. Es zeigt den von Mikrofonen und Journalist*innen umringten Anning, der seit 2017 Senator in Queensland ist und bekannt für eine restriktive, rassistische Einwanderungspolitik ist. In einem Tweet über den Terroranschlag im neuseeländischen Christchurch, bei dem der mutmaßliche Terrorist – ein rechtsextremer Australier – in zwei Moscheen mindestens 50 Menschen tötete, hatte er die Einwanderung von Muslim*innen für die Tat verantwortlich gemacht. Im Video ist im Hintergrund Connolly zu sehen, der zunächst sein Smartphone zückt – und dann macht es platsch.

Der Protest mit Lebensmitteln hat Tradition

Der Eierwurf von Connolly geht seitdem viral und so hat der Teenager seinen eigenen Hashtag bekommen: Unter #eggboy bedanken sich viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern bei seiner öffentlichkeitswirksamen Form des Protests gegen Rassismus, für die er von Anning mehrmals ins Gesicht geboxt wurde. Weitere Videos zeigen außerdem, wie Connolly von mehreren Männern, wahrscheinlich Sicherheitspersonal, auf den Boden gedrückt wird.

Während viele zu den rassistischen Aussagen Annings schwiegen, ließ Connolly also Eier fliegen. Mit seiner Entscheidung, für seinen Widerspruch zu Lebensmitteln zu greifen, ist Eggboy hingegen nicht alleine. Diese Art des Protests hat schon eine lange Tradition. Hier sind einige Beispiele:

Wurfinstrument: die Torte

Zielscheibe: AfD-Politikerin Beatrix von Storch

Situation: Die AfD tagte im Februar 2016 in einem Kasseler Hotel. Zwei Männer betraten die nicht-öffentliche Versammlung. Während der eine Happy Birthday singend auf Beatrix von Storch zulief, filmte ein anderer die Szene. Die Sahnetorte landete in von Storchs Gesicht. Unter dem Namen Tortenbefehl bekannten sich Aktivist*innen zu der Aktion Tortaler Krieg gegen die AfD. Ihr Protest richtete sich dabei insbesondere gegen die Aussagen der Politikerin, die einen möglichen Einsatz von Schusswaffen gegen Geflüchtete in Betracht zog, um die nationalstaatlichen Grenzen zu schützen. Die Aktivist*innen schreiben dazu außerdem auf ihrer Webseite: "Wer den moralischen Grenzübertritt verhindern will, muss notfalls auch von der Sahnetorte Gebrauch machen. Denn wer das HALT an unserer ethisch-moralischen Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen."

Wurfinstrument: die Tomate

Zielscheibe: der männliche SDS-Vorstand

Situation: Dieser Tomatenwurf am 13. September 1968 ging in die Geschichte ein. An diesem Tag fährt die Studentin Sigrid Rüger auf eine Delegiertenversammlung des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds nach Frankfurt am Main. Die Monate zuvor stritten die Mitglieder vehement über die überholten Geschlechterrollen in ihrer Bewegung, die Frauen fühlten sich ungehört und unbeachtet. Dagegen wollte Rüger auf ihre eigene Weise protestieren: Sie greift, zu dem Zeitpunkt hochschwanger, zu ihren mitgebrachten Suppentomaten. Ihr Wurf Richtung Podium ist zielsicher: Sie trifft Hans-Jürgen Krahl, eine der führenden Persönlichkeiten des SDS. Viele sehen in diesem Tomatenwurf den Beginn der Frauenbewegung innerhalb der 68er.

Wurfinstrument: Eier

Zielscheibe: CDU-Politiker Helmut Kohl

Situation: Selbstverständlich hat Eggboy den Eierprotest nicht erfunden. Davon gibt es gleichsam unzählige Beispiele, aber dies ist wohl eines der bekanntesten: der sogenannte Eierwurf von Halle auf Helmut Kohl. Am 10. Mai 1991 reiste der damalige Bundeskanzler nach Ostdeutschland, in die Region, der er vor der Wiedervereinigung "blühende Landschaften" versprochen hatte. Für viele Menschen sah die Realität aber anders aus. Als er in Halle auf dem Ratshof zum Stadthaus ankam, empfingen ihn nicht nur jubelnde Menschen, sondern auch eine wütende Menge von rund 100 Personen, die ihn auspfiff und beschimpfte. Einige begannen, Kohl mit Farbbeuteln, Tomaten und Eiern zu bewerfen, eins landete direkt auf seinem Anzug. Geworfen hatte es der 21-jährige Jurastudent Matthias Schipke.

Wurfinstrument: Joghurt

Zielscheibe: Grünen-Politiker Jürgen Trittin

Situation: Im September 2010 sprach Jürgen Trittin auf einer Podiumsdiskussion. Eine maskierte Person kippte dem Politiker und damaligen Fraktionschef der Grünen plötzlich aus einem tortenähnlichen Behälter eine weiße Flüssigkeit über den Körper: Joghurt. Der Mann konnte unerkannt flüchten. Während Trittin die Veranstaltung verärgert abbrach, lobte seine Gesprächspartnerin und Aktivistin Hanna Poddig die Aktion als "gut". Die Polizei ermittelte im Anschluss wegen versuchter Körperverletzung.

Wurfinstrument: Mehl

Zielscheibe: François Hollande

Situation: Der Lebensmittelwurf ist tatsächlich nicht nur eine deutsche, sondern internationale Protestform. Februar 2012 in Paris: Der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung. Plötzlich stürmt eine 45-jährige Frau auf die Bühne und überschüttet den Politiker mit einer Tüte Mehl. Während Hollande mit einem weiß überdeckten Gesicht und Anzug mit seiner Rede fortfährt, wird die Frau von Sicherheitsleuten überwältigt und von der Bühne getragen. Später gab sie an, von Sozialist*innen bedroht worden zu sein, und dass ihr eine Ungerechtigkeit zugestoßen sei. Auf ihrem Blog schrieb sie, in der Kindheit von Lehrer*innen sexualisiert belästigt worden zu sein. Sie trug ein Kilogramm Mehl bei sich.

Wurfinstrument: Salatdressing

Zielscheibe: US-Politiker Pat Buchanan

Situation: Der konservative US-Politiker Pat Buchanan ist ein weiterer Kandidat, dem seine politischen Ansichten eine Lebensmitteldusche einbrachten. Im Januar 2005 trat er in der Western Michigan University auf. "Stoppt die Bigotterie!", schrie plötzlich ein 24-jähriger Student aus dem Publikum und übergoss den Republikaner mit Salatdressing. Der Besuch von Buchanan auf dem Campus hatte zuvor für Kontroversen gesorgt, da er auf den Geburtstag des US-amerikanischen und mexikostämmigen Führers der Arbeiter*innenbewegung César Chávez fiel. Buchanan forderte zu diesem Zeitpunkt eine restriktivere Migrationspolitik.