Zwölf Menschen stehen in der Abenddämmerung auf der Warschauer Brücke im Berliner Stadtteil Friedrichshain in Startposition. Sie tragen Perücken, sind kunstvoll geschminkt und das Wichtigste: Sie tragen alle High Heels. Das sind die einzigen Voraussetzungen, um bei diesem Rennen mitzumachen.

Jemand zählt von fünf herunter und als das Wort zero erklingt, rennen alle los. Die Brücke ist gefüllt mit Menschen, die jubeln, als wäre es die Tour de France. Hier wird der Begriff Drag Race, den die meisten aus der US-amerikanischen Netflix-Show RuPaul's Drag Race kennen werden, wörtlich genommen: Die Dragqueens müssen nicht nur ihre extravagante Aufmachung präsentieren. Sie rennen auch, um als erste am anderen Ende der Brücke, 200 Meter entfernt, anzukommen.

Renat darf sich an diesem Abend über den Sieg freuen. Die Queen lässt in ihren pastellblauen Pumps alle hinter sich und bekommt am Ende das, was einer wahren Königin nicht fehlen darf: eine Krone und einen Blumenstrauß. Die Verbände an ihren Füßen zeigen, dass der Sieg nicht unverdient ist. Sie hätte sich beim Training auf den Pumps verletzt, erzählt sie später den Journalist*innen und Umherstehenden, die ihr gratulieren. "Es ist das erste Mal, dass ich teilgenommen habe und ich fühle mich wunderbar", sagt sie. Die Schmerzen an den Füßen fühle sie gar nicht mehr.

Dragqueen Renat hat das Rennen gewonnen | © Foto: Elif Küçük

Die 31-jährige Dragqueen Reflektra stellt einen anderen Rekord auf: den der höchsten Heels. 20 Zentimeter messen die Absätze der schwarzen Lackschuhe. Sie sei erst vor zwei Wochen nach Berlin gezogen, berichtet Reflektra. Da sie als Tänzerin arbeite, habe sie keine Schwierigkeiten, sich auf den Schuhen zu bewegen: "Lady Gaga kriegt das hin, also kann ich das verdammt noch mal auch."

Dragqueen Reflectra | © Foto: Elif Küçük
Mit diesen Absätzen von 20 Zentimetern trug sie die höchsten Heels | © Foto: Elif Küçük

"Ich bin nie mitgelaufen, weil ich immer sehe, wie die sich hier die Knöchel brechen."

Das Drag Race auf der Warschauer Brücke fand in diesem Jahr zum vierten Mal im Rahmen des Pride Month statt. Veranstaltet wird das Rennen vom Team von Monster Ronson's, einer Drag Show in der Karaokebar Ichiban in Friedrichshain. Die Berliner Drag-Ikone Pansy, die hier jeden Dienstag Gastgeberin der Show ist, moderierte auch das Rennen auf der Warschauer Brücke. Seit drei Jahren hilft ihr dabei die Queen Psoriasis und ist an dem Abend Security- und Safety-Person für alle: "Ich bin nie mitgelaufen, weil ich immer sehe, wie die sich hier die Knöchel brechen. Ich renne aber auch nicht. Für niemanden", sagt sie, "Aber ich liebe es, dabei zu sein." Alle seien zum Glück wohlauf und unverletzt.

Psoriasis | © Foto: Elif Küçük