Eine Partnerin oder einen Partner zu haben, kann derzeit ganz schön entlasten. Körperliche Intimität, gemeinsame Zukunftsplanung und die Sicherheit, die eine Beziehung für viele bedeutet, kann vor den ganzen Unsicherheiten, die die Corona-Krise mit sich bringt, ablenken. Zum Glück ist jemand da! Es kann aber auch ganz anders kommen.

Denn viele Paare – insbesondere diejenigen, die zusammen wohnen – kriegen sich seit Beginn der Kontakt- und Ausgangsbegrenzungen auch vermehrt in die Haare. Was zu Beginn der sozialen Einschränkungen vielleicht einigen noch wie ein romantischer Idealzustand erschien – nur wir zwei, alleine – ist nach ein paar Wochen der Dauerfehde gewichen. Dabei sind es nicht nur Alltagsfragen, die während dieser Zeit eine andere Bedeutung bekommen, wie Meinungsverschiedenheiten über die Interpretation von anderthalb Metern Abstand oder den Putzplan, es sind auch Ängste über die eigene Sicherheit und die Sicherheit anderer, die die Nerven strapazieren und so Streits leichter eskalieren lässt. Und wieder, und wieder.

Durchaus nachvollziehbar also, dass bei einigen Menschen die Auseinandersetzungen so weit und so oft eskalieren, dass die ganze Beziehung in Frage gestellt scheint. Oder einfach nur die Dringlichkeit offen legt, mit der vielleicht schon vor der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen an der Partner*innenschaft gezweifelt wurde.

Die Beschränkungen können selbst intakte Beziehungen enorm belasten.
Christoph Uhl

Der Paartherapeut Christoph Uhl erlebt in seiner Praxis in Echtzeit, was die Corona-Krise mit Paaren macht. Und obwohl bei einigen Paaren die Corona-Zeit sogar eine stabilisierende Wirkung zu haben scheint, wie er beobachtet, sieht er auch die strapazierenden Konsequenzen der Einschränkungen: "Die Beschränkungen können selbst intakte Beziehungen enorm belasten. Seit einigen Wochen spielt sich vieles nur noch auf kleinem Raum ab, die Tätigkeiten im Homeoffice, das Homeschooling, die Kinderbetreuung und das übrige Familienleben finden rund um die Uhr unter einem Dach statt. Rückzugsräume und Ruhemöglichkeiten gibt es, wenn überhaupt, nur wenige."

Und das trifft selbst auf Beziehungen zu, die vor der Krise ganz stabil liefen und ist auch ganz normal, meint Uhl. Die aktuellen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen seien nunmal eine Ausnahmesituation.

Zwangszweisamkeit mit der besseren Hälfte

Wie stark die Krisenzeit auf Beziehungen wirkt, zeigt sich auch in der Anzahl an Artikeln, die dem Thema mittlerweile gewidmet werden. Mehrere Hunderttausend Suchergebnisse wirft Google auf die Stichworte "Beziehung" und "Lockdown" mittlerweile aus. Psycholog*innen und Paartherapeut*innen auf der ganzen Welt geben derzeit Tipps, wie sich die Zwangszweisamkeit mit der vorgeblich besseren Hälfte gerade gut ertragen, oder zumindest einigermaßen aushalten, lässt.

Waren Singles bis vor ein paar Wochen noch die standardmäßig Bemitleideten, erscheint für einige Verpartnerte ihre eigene Beziehungsform nun als die größere Belastung.

Die Corona-Krise lässt uns nunmal einen anderen Blick auf die Welt einnehmen. Auf die Welt, und auf das eigene Leben. Das wissen wir in der Regel und können versuchen, auch in Beziehungen ein wenig rücksichts- und verständnisvoller mit uns und anderen umgehen. Aber was, wenn die Belastungen zu viel werden und sich Gedanken an eine Trennung immer und immer wieder breit machen?

"Wenn Trennungsgedanken erst jetzt auftauchen, jedoch davor noch kein Thema waren, sollte man sie nicht überbewerten. Die aktuellen Umstände entsprechen nicht den üblichen, normalen Alltagsbedingungen. Die Beziehung ist unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen eine andere Beziehung, als sie unter gewöhnlichen Rahmenbedingungen wäre", erklärt Paartherapeut Christoph Uhl.

Wenn solche Gedanken sich trotzdem nicht abschütteln lassen, rät er daher auch zu Vorsicht, denn es sei schwierig, herauszufinden, ob diese Gedanken wirklich auf die Beziehung zielen oder einfach dem Stress der Krise geschuldet sind: "Wenn es nur irgendwie geht, ist daher die Empfehlung, mit der Trennungsfrage zu warten, bis der Lockdown zurückgefahren und wieder ein Mindestmaß an Normalität eingekehrt ist."

Trennen während der Corona-Zeit

Aber angenommen, die Entscheidung fühlt sich eindeutig an und wurde womöglich auch schon vor den Ausgangs- und Kontaktbegrenzungen getroffen. Wie kann man sich in der derzeitigen Situation von Partner oder Partnerin trennen, ohne die üblichen Anstandsregeln über Bord zu werfen? Möchte man dem*der anderen in der aktuellen Situation wirklich noch mehr Sorgen zumuten? Und wie lässt es sich trennen, wenn man sich nicht persönlich sehen kann?

Die ideale Vorgehensweise für eine Trennung während der Corona-Krise gibt es nicht, sagt Christoph Uhl, aber es gibt ein paar Dinge, die definitiv für eine ganz baldige Trennung sprechen, massive Eskalationen und Gewalt beispielsweise. In solchen Fällen gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt, sondern es zählt der Selbstschutz. So schnell wie möglich ist dann die dringende Empfehlung.

Das, was wir normalerweise als nicht so schlimm empfinden würden, ist derzeit durch Stress und Sorgen ganz düster eingefärbt.

Aber auch, wenn man wirklich entschieden ist, sollte man die Trennung nicht unnötig aufschieben: "Es ist gegebenenfalls nur fair, mit der Trennung nicht zu warten, wenn man jetzt schon entschieden ist – im Zweifel muss es dann per Videochat sein." Wenn man sich nicht treffen kann, sind Telefon und Videochat also durchaus geeignete Mittel – auch wenn eine persönliche Trennung für die meisten sicherlich die anständigere Methode wäre – aber was nicht geht, geht leider nicht und sollte daher auch nicht auf Tag X verschoben werden.

Dennoch warnt Uhl vor momentanen Trennungsgedanken. Die Corona-Krise lässt sich im Prinzip wie Negativ-Gedanken-Beschleuniger sehen. Das, was wir normalerweise als nicht so schlimm empfinden würden, ist derzeit durch Stress und Sorgen ganz düster eingefärbt. Durch diese düstere Brille einen liebevollen Blick auf Partner*innen zu behalten, ist schwierig und viele scheitern dabei immer wieder. Selbst starke Trennungsgedanken können also mehr mit dieser Ausnahmesituation als mit der Beziehung als solcher zu tun haben.

Und auch aus einem anderen Grund rät Uhl zur Zurückhaltung. Denn Trennungen sind – in den allermeisten Fällen – nunmal nichts, was sich schnell abhaken lässt. Sie wirken nach. Emotional wie auch ganz praktisch. Trennungsschmerz, Zukunftssorgen, Trauer und Wut, aber auch das mühsame Auseinanderdividieren gemeinsamer Wohnungen und Freund*innenkreise können folgen. Was sich wie eine dringende Erleichterungsmaßnahme anfühlen mag, hat unter Umständen langfristige Konsequenzen: "Diese Komponenten sollten immer mitbedacht werden. Daher ist meine Empfehlung, mit einer endgültigen Entscheidung möglichst zu warten", sagt Christoph Uhl.