Zum Arbeiten oder Studieren nach Großbritannien zu gehen, dürfte ab 2019 mit deutlich mehr Stress, Aufwand und Bürokratie verbunden sein. Das Oberhaus stimmte in seiner Sitzung vom 13. März dem Brexit zu. Damit ist für Premierministerin Theresa May der Weg frei, in Brüssel den Antrag zum EU-Austritt zu stellen. Zwei Jahre wird dieser Prozess in Anspruch nehmen. Doch was bedeutet der Brexit eigentlich für uns als EU-Bürger*innen?

"Passport, please!"

Die meisten EU-Mitglieder nehmen am Schengener Abkommen teil. Darin ist festgelegt, dass EU-Bürger*innen sich frei und ohne Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Staaten bewegen können. Großbritannien und Irland beteiligten sich jedoch nie an dem Abkommen. An den Grenzkontrollen wird sich also nichts ändern. Das heißt aber noch lange nicht, dass eine Einreise eine unkomplizierte Sache bleiben wird.[Außerdem bei ze.tt: Seit dem Brexit-Votum steigt die Zahl homo- und transphober Verbrechen in Großbritannien]

Durch den Austritt stünde es Großbritannien frei, eine Visapflicht für Einreisende einzuführen. Davon betroffen wären alle, die einen Aufenthalt von mehr als neunzig Tagen planen. Und auch die Zölle und Steuern, die auf Güter erhoben werden, könnten neu bestimmt werden. Falls du also immer schon einmal nach London fahren und unbehelligt mit zehn Litern Whisky im Reisegepäck zurückkommen wolltest: Jetzt wäre der beste Zeitpunkt dafür!

"You don't work here anymore"

Laut eurostat leben aktuell knapp drei Millionen EU-Bürger*innen – davon sind 300.000 Deutsche – als Gastarbeiter*innen oder Studierende in Großbritannien. Sollte tatsächlich eine Visapflicht eingeführt werden, müssten alle Fälle einzeln geprüft und entsprechende Arbeitsvisa ausgestellt werden. Daher bangen jetzt viele EU-Migrant*innen darum, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren.

Und auch für neue Migrant*innen würde eine Visapflicht Konsequenzen haben. Fielen die erleichterten Einreisebedingungen für EU-Bürger*innen weg, würden die bestehenden Gesetze für Gastarbeiter*innen aus dem außereuropäischen Ausland gelten. Ein Arbeitsvisum erhielten dann nur Personen, die hochqualifiziert sind und ein jährliches Einkommen von mindestens 44.000 Euro vorweisen können.

"What's an 'Auslandssemester'?!"

Zum Studieren nach Großbritannien? Das könnte jetzt deine letzte Chance sein. Aktuell zahlen Studierende aus EU-Ländern dieselben Studiengebühren wie Einheimische. Tritt Großbritannien aus der EU aus, könnten jedoch die overseas fees fällig werden, die bis zu dreimal so hoch sind. Zudem würden Förderprogramme wie ERASMUS oder DAAD nicht mehr oder nur teilweise greifen, was die finanzielle Last für Studierende noch erhöhen würde.[Außerdem bei ze.tt: "Die Alten sollten sich schämen" – Reaktionen junger Londoner*innen auf den Brexit]

Auch Universitäten bangen um die entfallenden europäischen Fördergelder für Forschung und Wissenschaft. Ihr Wegbrechen könnte kombiniert mit einem Rückgang der Austauschstudierenden eine Haushaltskrise herbeiführen, die England als Wissenschaftsstandort nachhaltig schaden würde.

"Farewell United Kingdom. Hello Scottland!"

Wie es aussieht, werden wir also nicht mehr lange Freude an unseren Inselnachbarn haben. Doch nicht verzagen: Es eröffnen sich bereits hervorragende Ausweichmöglichkeiten.

Nach dem Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses, kündigte die Chefin der Scottish National Party Nicola Sturgeon ein neues Referendum für Schottlands Unabhängigkeit an. Bereits 2014 hatten die Schotten über eine mögliche Unabhängigkeit von Großbritannien abgestimmt. Damals hatten sie sich dagegen entschieden.Viele hatten Angst, dass die Unabhängigkeit Schottlands ein Ende der EU-Mitgliedschaft bedeuten könnte. Nun will Sturgeon ein zweites Mal abstimmen lassen. Wird Schottland unabhängig, kann es Teil der EU bleiben. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch. Beim Brexit-Votum stimmten 62 Prozent der Schotten für den Verbleib in der EU.[Außerdem bei ze.tt: Angela Merkel zum Brexit: "Der heutige Tag ist ein Einschnitt für Europa"]

Auch in Nordirland ist eine Diskussion um eine mögliche Abspaltung von England entbrannt. 1921 hatte die Republik Irland sich von Großbritannien abgespalten. Der protestantische Norden, in dem viele englische Einwanderer*innen lebten, hatte sich jedoch für den Verbleib im Vereinigten Königreiches entschieden. Nun fürchten Iren und Nordiren eine Einführung einer befestigten Grenze und ein mögliches Wiederaufflammen des Konfliktes zwischen Protestanten und Katholiken – ein Horrorszenario.

Wie es scheint, werden die nächsten zwei Jahre eine echte Achterbahnfahrt werden. Ein Grund mehr, sich ein letztes Mal mit gutem Whisky von der Insel einzudecken: Wir werden ihn mit Sicherheit brauchen.