Wer im Glashaus sitzt, darf mit Steinen werfen. Eine Glosse

Wie war das noch gleich mit Berlin? Modemekka und Hauptstadt der mutigsten aller mutigen Lifestyle-Blogger*innen? Wer sich aktuell auf den Straßen der deutschen Metropole umsieht, wird dort vor allem einen Look präsentiert bekommen: Einheitsbrei.

Egal wie bequem und lässig er auch sein mag – es tut dem verwöhnten Individualisten-Ego weh an jeder zweiten U-Bahn-Station vielsagende Blicke mit einer Modedoppelgängerin zu wechseln. Es scheint, als ob der fortschreitende Herbst selbst die hartgesottensten Berghain-Gängerinnen zur Einsicht brachte, grobmaschige Strumpfhosen mit kniehohen Adidassocken als ungeeignetes Mittelchen gegen chronische Blasenentzündung zu betrachten. Immerhin.

Der Standard-Look skandinavischer Neobräute mag ja ganz okay sein, aber er ist, so viel Selbstreflexion muss die Modewelt an dieser Stelle bitte schlucken, unfassbar unkreativ. Wer sich trotzdem gegen die Michelinmännchen-Daunenjacke entscheidet, soll diese fünf Teile bitte mit Fassung tragen. (Haha, tragen.)

1. Der perfekt geschnittene, bodenlange Mantel

Short Story short: Er ist genauso lang wie austauschbar.

Trotzdem braucht jede Frau diesen einen langen Mantel, den sie potenziell zu allem und über alles anziehen kann, um damit bestmöglich in der Masse zu verschwinden und einen Eindruck zu hinterlassen, der dem Händedruck einer gebrechlichen Großmutter gleicht. Am Garderobenständer wird man ihn genauso wenig wiedererkennen wie in dem Sack alter Klamotten, den man 2013 der Caritas spenden wollte und dann kurz vor dem Umzug doch unabsichtlich in den Müllcontainer warf. Oops!

2. Eine Hose, von der man eigentlich kaum etwas sieht

Das Beste am 08/15-Berlino-Look ist, dass man sich um die Klamotten darunter keine Gedanken machen muss – Koksspuren, Spermaflecken und Dönerreste sind also gut aufgehoben. Abgesehen von den letzten 30 Zentimetern vielleicht.

Next Level: Wer möchte, kann sich auch einfach eine etwas weiter sitzende Levi’s über den Schlafanzug ziehen. So geht’s gemütlich zum nächsten Späti-Einkauf. 

3. Ein Schal im Scandi-Look

Wer beim letzten Sommer-Sale gerade auf Mallorca war, kann auch gerne den Teppich in Streifen schneiden, den man einst von Tante Silvia zum Einzug bekommen hat. Vor fünf Jahren. Er wird lässig über die Schulter geworfen und dann unter dem Rucksack eingeklemmt, sodass man ganz easy davon einen krummen Rücken bekommt. Da machen die zehn Stunden im Büro auch keinen großen Unterschied mehr.

4. Boyfriend-Beanie

Vom letzten One-Night-Stand mitgenommen macht er ab dem Zeitpunkt, an dem die Türe ins Schloss fällt die perfekte Frisur. Eine nämlich, bei der man den fettigen Ansatz und im Notfall auch die Augenbrauen verstecken kann.

5. Irgendwelche Markensneaker (möglichst hässlich)

Damit der Look einen aussagekräftigen Mir-doch-egal-Stempel bekommt, zieht man am besten die Laufschuhe aus dem Jahr 2012 an – schließlich sind Ugly Sneaker gerade the shit. Während man sich noch vor wenigen Jahren schämte, mit diesen Schuhen zum Unisport zu gehen, zeigen sie jetzt, dass man die gängige Hipster-Ästhetik (zum Schluss ist das Wort also doch noch gefallen) verstanden hat und deshalb ironisch bei sich selbst anwenden kann.

Habt einen fashionable Tag.