Anish Sheth arbeitet als Mediziner in Princeton und war zuvor Assistenzprofessor an der University of Yale. Gemeinsam mit seinem Freund Josh Richman hat er das Buch What's your Poo telling you geschrieben. Vor Kurzem ist es auf Deutsch erschienen und heißt Das Klorakel – Was dein großes Geschäft über dich verrät. Darin stellen die beiden mehr als zwanzig verschiedene Arten von Stuhl vor: vom Schleichangriff über den Feuerring bis zur Verklausung. Das Buch soll unterhalten, aber auch medizinisch aufklären. Als ich Anish per Skype erreiche, ist es bei ihm kurz nach sieben am Morgen. Er ist seit einer Stunde wach und hat bereits eine Schüssel Müsli gefrühstückt.

ze.tt: Anish, warst du heute schon auf der Toilette?

Anish Sheth: Klar, es gibt keinen besseren Start in den Tag als einen guten Schiss. Auf der anderen Seite kann dir ein schlechter Schiss den Tag vermiesen.

Und was macht einen guten Schiss aus?

Ob du es glaubst oder nicht – es gibt so etwas wie den idealen Schiss. Das hat gar nicht so viel mit der Beschaffenheit zu tun, sondern damit, wie er unseren Enddarm verlässt. Es sollte sich nicht wie ein Work-out anfühlen. Der Ort für das morgendliche Work-out ist das Fitnessstudio, nicht das Klo. Der Stuhl sollte den Enddarm ohne Anstrengung verlassen. Und er sollte zusammenhängend sein – also aus ein bis zwei Würsten bestehen. Außerdem sollte das Abwischen einfach sein und nicht hunderte Stücke Klopapier benötigen. Das bedeutet, dass wir vollständig entleert sind.

Das sind Zeichen dafür, dass alles so funktioniert, wie es soll. Unser Stuhl ist ein kurzes Feedback unseres Körpers, der uns zeigt, wie es um unsere Ernährung und unseren Darm steht.

Wie bekommt man so einen Stuhlgang hin?

Ballaststoffe sind wichtig. Sie sind etwa in Bohnen, Nüssen, Getreide oder Karotten enthalten. Sobald sie mit Magensekreten vermischt werden, bilden sie eine gelartige Substanz, die dem Stuhl hilft, den Enddarm entspannt zu verlassen.

Warst du denn mit deinem Stuhl heute Morgen zufrieden?

Auf jeden Fall. Ich erzähl dir was. Mein Geheimnis ist Müsli. Ich esse mindestens zweimal am Tag eine Schüssel davon. Das sind pro Schüssel acht Gramm Ballaststoffe. In den USA empfehlen wir eine Aufnahme von 25 Gramm Ballaststoffen am Tag. Wenn ich zwei Schüsseln Müsli esse, hab ich schon zwei Drittel des Tagesbedarfs gedeckt.

Wie kommt es, dass Stuhl so ein Tabuthema ist, obwohl es jeden betrifft und es viel über unsere Gesundheit aussagt?

Ich denke, das geht auf frühere Zeiten zurück. Scheiße wurde als körperlicher Abfall angesehen. Man verließ das Haus dafür und erledigte sein Geschäft in einem Plumpsklo. Das alles hat dazu beigetragen, das Thema zu stigmatisieren. Zugleich ist Stuhlgang lange Zeit lediglich ein Thema für ziemlich plumpe Witze gewesen. Es ist ein witziges Thema, aber es steckt eben noch mehr dahinter. Es sagt etwas über unsere Gesundheit aus. Mit unserem Buch wollten wir diese Gratwanderung hinbekommen. Es ist noch immer so, dass sich Intellektuelle in der Öffentlichkeit darüber nicht unterhalten. Aber ich hoffe, dass sich das irgendwann mal ändert.

Woher kommt das wachsende Interesse an diesem Thema?

Ich glaube, dass es ein vollkommen natürliches, interessantes, aber auch unangenehmes und witziges Thema ist. Aber in unserem tiefsten Inneren fragen wir uns ständig, was es damit auf sich hat. Der Teil unseres Körpers, der am meisten Neugier hervorruft, ist eben der Verdauungstrakt. Du isst etwas, dann hörst du deine Eingeweide arbeiten und dann musst du irgendwann aufs Klo, aber was da genau passiert – davon haben wir keine Ahnung. Bücher wie Darm mit Charme oder Das Klorakel entmystifizieren den Verdauungstrakt und auch den Stuhlgang. Zugleich ist der Verdauungstrakt ein sehr erlebbarer Teil unseres Körpers. Beim Herz oder der Lunge ist das anders. Wir wissen, dass sie arbeiten. Aber wir treten nicht täglich mit ihnen in Interaktion.

In eurem Buch beschreibt ihr auch leistungsförderndes Kacken. Was hat es damit auf sich?

Das kennen wir zum Beispiel von Leistungssportlern oder wenn wir etwa vor einem Bewerbungsgespräch oder Vortrag aufgeregt sind. Es wird durch Nervenreize ausgelöst. Der Körper beschleunigt den Verdauungsvorgang und meistens ist das dann eher flüssiger Stuhl. Das ist ein Mechanismus, den Körper nochmal zu reinigen, um uns frisch zu machen und konzentriert. Sie können einfach schneller rennen und höher springen, wenn ihre Eingeweide leer sind und es nimmt die Angst, währenddessen plötzlich aufs Klo zu müssen.

Muss man sich denn Sorgen machen, wenn man unverdautes Essen in seinem Stuhl entdeckt?

Ganz und gar nicht. In unserem Buch nennen wir diesen Stuhl Déjà-Poo. Es hat damit zu tun, dass manche Nahrungsmittel wie etwa Mais oder Paprika unauflösliche Fasern enthalten. Uns fehlen die notwendigen Enzyme, Teile der Pflanzenzellwände zu verdauen. Diese Nahrungsmittel sind aber deshalb nicht ungesund und auch mit der Verdauung stimmt alles.

Wie häufig aufs Klo zu müssen ist eigentlich normal?

Alles zwischen dreimal am Tag und dreimal die Woche ist normal. Das hängt stark mit der Ernährung zusammen. In Afrika und Südasien ist dreimal am Tag völlig normal. Das liegt am hohen Anteil von Ballaststoffen in der Nahrung. In westlicheren Länder essen die Menschen wesentlich mehr verarbeitete Nahrungsmittel, mehr Zucker, mehr rotes Fleisch. Dort gehen die Leute seltener aufs Klo.

Wer öfter scheißt, ist also gesünder?

Aus gastroenterologischer Sicht ist die Antwort ganz klar ja. Häufiger Stuhlgang – und wir sprechen hier nicht von Durchfall – mindert den Druck auf den Darm und die Dauer, die Giftstoffe in Kontakt mit unserem Darm sind. Außerdem gibt es Verbindungen zwischen einer hohen Ballaststoffaufnahme, der Frequenz der Stuhlgänge und dem Risiko, an Darmkrebs zu erkranken.

Ihr beschreibt sogar eine politische Dimension von Stuhlgang. Kannst du mir mehr darüber erzählen?

Ja, so ganz gesichert sind diese Informationen nicht, aber anscheinend ließ das Weiße Haus auf einer Reise nach Wien ein Extra-Präsidentenklo einfliegen. Damit haben sie Georg W. Bushs Scheiße eingesammelt. So sollte verhindert werden, dass ausländische Geheimagenten Informationen über den Gesundheitszustand bekommen. CIA und Mossad [der israelische Geheimdienst, Anm. d. Red.] sollen diese Methode genutzt haben, um an In­formationen über den Gesundheitszustand von Staatschefs wie Michail Gorbatschow oder des früheren syrischen Präsidenten Hafiz al­-Assad zu kommen.