Ich sitze in einem halbrunden Raum und schaue mir gerade ein Video über die Erschaffung der Welt an. "An Tag sechs hat Gott alle Landtiere geschaffen und auch den Menschen …" dröhnt es auf Englisch aus Lautsprechern. Außer der sehr tiefen Erzählerstimme ist es still im Raum. Alle anderen Besucher*innen starren gebannt auf den Bildschirm. Vor mir sitzt eine Familie, die sich ehrfürchtig im Arm hält. Als die Projektion endet, steht ein Mann aus der ersten Reihe auf und murmelt: "That was amazing!"

Das ist nur einer von vielen Räumen des Kreationismus-Museums, irgendwo auf einem einsamen Feld im Norden Kentuckys. Zum Zeitpunkt des Videos bin ich noch guter Dinge, bestens von den irrwitzigen Darstellungen unterhalten und nicht ahnend, dass mich der Rundgang noch fast drei Stunden kosten wird. Die Ausstellung präsentiert die Schöpfung der Welt, wie sie in der Bibel wörtlich beschrieben wird. Bibelzitate ersetzen Erklärtafeln und wo selbst die fehlen, gilt Gott als Ultima Ratio.

Beispielsweise wird direkt zu Beginn der Ausstellung unter der Wachsfigur eines Affen erläutert, dass laut Evolution der Mensch vom Affen abstammt. Darüber prangt in großen Lettern, dass Gott sagt, der Mensch habe keine Affen in seiner Ahnenkette, daher stamme der Mensch nicht vom Affen ab. Ich bin noch nicht überzeugt, verstehe aber schnell, dass ich mich auf diese Art der Argumentation einstellen muss.

Der Kreationismus erfreut sich in den USA großer Unterstützung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die fundamentalistische Weltansicht als Gegenmodell zur voranschreitenden Erkenntnis durch die Wissenschaft gebildet. Die meist evangelikalen Christ*innen begründen ihre Weltansicht mit einem alternativen Startpunkt, wodurch sie Naturwissenschaften neu interpretieren müssen. Der Besucher Rio Brownlee erklärt mir wild gestikulierend, dass die neuzeitlichen Naturwissenschaften nur Versuche seien, Gott zu ersetzen.

Wie in der Bibel beschrieben

Das Museum scheint seinen größten Gegner zu kennen: die Evolutionstheorie. Anstatt sich also die Mühe der eigenen Darstellung von vielen Millionen Jahren zu machen, hat man einfach nur die größten Kritikpunkte an der eigenen Sache mit Bibelzitaten widerlegt.

Die Räume kommen der Kulisse eines Freizeitparks gleich. Die Wände wirken wie aus grobem Stein gehauen, viele Bilder, Figuren und Animationen, es ist laut und stark beleuchtet und der Besucherstrom schiebt mich immer weiter in die Tiefen der fundamentalen Weltanschauung.

Der Gang durchs Paradies ist ein Schmuckstück der Ausstellung. Besucher*innen haben die Möglichkeit, hautnah zu erleben, wie der T-Rex aus den Bäumen über den Wachsfiguren von Adam und Eva hervorlugt. Darauf folgt der rot ausgeleuchtete, bedrohlich wirkende Raum des Sündenfalls. Adam und Eva sitzen in einem Teich, Evas Brüste sind keusch von ihren langen Haaren bedeckt und über ihnen liegt die Schlange auf einem Ast und symbolisiert die nahende Bedrohung. Das zuvor paradiesische Grillenzirpen wird von bedrückender Musik abgelöst. Danach scheint die Menschheit verloren, denn im anschließenden Sünden-Raum ist es so laut und dunkel, dass ein älteres Ehepaar mit einem Rollstuhl den Ausgang nicht findet und sich der Strom der Besucher*innen staut.

Sündenfall - und dann?

Besonders viel Staunen herrscht im darauffolgenden Dino-Raum, in dem deren tragische Geschichte erzählt wird. Vor der Vertreibung aus dem Paradies seien alle Geschöpfe Vegetarier*innen gewesen, auch der T-Rex. Danach waren die Dinosaurier durch Gottes Strafe gezwungen, ihre Artgenossen zu fressen.

Für die Zeit davor liefert ein Zitat aus dem Buch Jesaja die Erklärung auf einer der Tafeln: "Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus." (Jesaja 11:8) Das soll den allgemeinen Frieden beweisen, als alle Kreaturen noch Vegetarier*innen waren.

Problem ist hier das Karnivorengebiss vieler Tiere, denn das ist nicht auf das Zermahlen von Pflanzen ausgelegt. Hierfür hat das Museum kein passendes Bibelzitat gefunden. Daher werden auf den Begleittafeln Vermutungen angestellt. Gott habe vielleicht eine chemische Reaktion in der DNA der Tiere freigesetzt, die sie zu Fleischfressern gemacht hat. Dasselbe gelte übrigens auch für die in Jesaja erwähnten Schlangen. Näher als mit dieser Erklärung kommt das Museum den Naturwissenschaften nicht mehr. Nach der Flut haben sich die Dinosaurier dann selbst ausgerottet – alles eine direkte Konsequenz auf den Sündenfall.

Wie alt sind Dinosaurier?

Die Kreationist*innen sparen ordentlich Zeit, denn laut Ausstellung hat Gott die Erde erst vor rund 6.000 Jahren erschaffen. Auf dieses Erdzeitalter kommt der Kreationismus, indem er die Ahnenstämme aus der Bibel zurückverfolgt.

Aber wie erklären sich dann Fossilienfunde? Laut Ausstellung ist die Lösung ganz einfach, schließlich hat Gott die Landtiere an Tag sechs erschaffen und Dinosaurier sind Landtiere. Daher geht sie davon aus, dass Mensch und Dinosaurier gleichzeitig auf der Erde gelebt haben. Auch für diese Argumentationen muss man an die einwöchige Schöpfung der Welt, wie in Genesis beschrieben, glauben.

Wer wenige Antworten hat, arbeitet einfach mit vielen Fragen. Eine Ausstellungstafel unter einem Dinosaurierfossil fragt: "Also könnte dieser Knochen Millionen Jahre alt sein? – Nein, denn die Erde ist erst einige Tausend Jahre alt." So einfach kann es sein.

Außerdem auf ze.tt: Einfache Frage, schwere Antwort: "Woran glaubst du?

Alles eine Frage der Perspektive

Dr. Georgia Purdom, Pressesprecherin des Museums, ist selbst Kreationistin. Obwohl sie Absolventin eines Molekulargenetik-Studiums ist, stellt sie die wissenschaftlichen Methoden zur Altersbestimmung infrage: "Von uns kann niemand in die Vergangenheit reisen, um zu überprüfen, ob Berechnungen stimmen. Ich muss mich also entscheiden, ob ich Gott glaube oder dem Menschen."

Bei diesem menschengemachten Traum von einem Geschichtsmuseum fällt die Wahl für viele Besucher*innen offenbar leicht. Ich habe mich mit einigen unterhalten und bin überrascht, wie unreflektiert sie der Ausstellung begegnen. Selbst, wenn sie die Theorie dahinter unterstützen, gibt es doch eigentlich immer Aspekte, die man weniger gelungen findet.

In allen Gesprächen wurde mir der Bau der Arche Noah als zentraler Punkt empfohlen. Denn eine riesige, natürlich gottgemachte Flut habe unseren Planeten vor 4.300 Jahren überschwemmt. Und damit viele geologische Probleme aus Sicht der Kreationismus buchstäblich unter sich begraben. Archäologische Fundstücke lassen sich dadurch wunderbar in die kreationistische Weltsicht einbauen.

Im Kreationismus sind Gottes Wege sehr ergründlich

Die Ausstellung zeigt Kindern, wie sich die achtköpfige Besatzung mit Flaschenzügen um alle Tiere kümmern konnte und räumt mit vermeintlichen Missverständnissen auf: Auf der Arche waren zwei Tiere jeder Gattung, also nur zwei Hunde, nicht zwei Labradore und zwei Huskys und so weiter. Gleiches gilt für die Dinosaurier, die als kleine Spielfiguren im Archemodell direkt neben dem Abteil der Schildkröten stehen. Nach der Flut hat Gott auf eine ihm eigene Weise aus dieser einen Gattung dann wieder ganz viele Arten entstehen lassen. Das sei effizient und nimmt Evolutionstheoretiker*innen den Wind aus den Segeln. Von "jeder Menge Beweisen" ist hier die Rede.

Im nachgebauten Rumpf der Arche klinke ich mich in die Unterhaltung zweier Männer ein, die das Museum im Rahmen eines Kongresses besuchen. Für Rio Brownlee ist es schon der zweite Besuch und alles ist ganz "amazing". Besonders begeistert ist der Lehrer aus Texas von den aus seiner Sicht wissenschaftlichen Antworten.

"Das haben hier alles richtige Doktoren erstellt. Andrew Snelling haben sie jahrelang den Zutritt zum Grand Canyon verweigert, weil sie Vorurteile hatten", erzählt er über den bekannten kreationistischen Geologen. "Er hat herausgefunden, dass der Grand Canyon binnen kürzester Zeit von ganz viel Wasser geformt wurde. Und dafür gibt es jede Menge Beweise." Nennen kann er diese Beweise nicht.

Gottes Propaganda

Die Dichte an Lehrer*innen ist nicht nur erstaunlich, vielmehr erschreckend hoch. Ich habe fünf verschiedene Menschen an unterschiedlichen Orten des Museums angesprochen: Vier davon sind Lehrer*innen und eine ist Erzieherin. Kinder werden aber auch von ihren Eltern selbst durch die bunte Bibel-Erlebniswelt geschoben.

Laut Purdom sollen Gäste in die Ausstellung eintauchen können. Dabei helfen eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse und ein abstraktes Spiel mit Licht. Nur fühlen sich die lauten Räume mit der klaren Botschaft mehr nach Gottespropaganda als nach Naturkundemuseum an. In einem Raum lesen Kleinkinderstimmen Bibelverse vor und die Atmosphäre wirkt freundlich. Direkt darauf folgt ein dunkler Gang, die Wände voller Graffitis und eine Altemännerstimme wettert gegen Abtreibung und Sex vor der Ehe.

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"Prepare to believe"

Am Ende des Rundgangs werden Gäste durch den Museumsladen geschleust. Hier gibt es die gesammelten Werke von Museumsgründer und Kreationisten-Superstar Ken Ham im Angebot: 35 Bücher für 249 US-Dollar, nur im Falle, dass nach der Ausstellung noch Fragen offengeblieben sind. Krönen lässt sich das Shoppingerlebnis mit einem "Prepare to believe"- Shirt oder einer Seilbahnfahrt über den nachgebauten Garten Eden in der Außenanlage. Oder vielleicht einem Besuch der originalgetreu nachgebauten Arche Noah einige Meilen entfernt.

Die Arche sei laut Besucherin Carol noch viel besser erklärt als das Museumsmutterschiff. "Besonders Kinder können die Erklärung sehr gut verstehen, weil alles so real ist", erklärt sie ihre Eindrücke und versichert, dass sie viele Fotos für ihre Kindergartenklasse gemacht hat. Denn über Bilder könnten die Kleinen viel besser verstehen, wie die Erde entstanden sei.

Mir haben drei Stunden im Museum ausgereicht, um alles zu verstehen. Verstanden habe ich vor allem, wie mit einem Angriff auf alle Sinne widersprüchliche Zusammenhänge gerechtfertigt werden. Die Ausstellung beweist Mut zur wissenschaftlichen Lücke und will ihren Besucher*innen das als Geheimnis Gottes verkaufen. Erschreckend ist dabei, wie unwissende Kinder mithilfe von ein paar Plastikdinosauriern von dieser veralteten Weltsicht überzeugt werden sollen.

Darauf angesprochen, weist Dr. Purdom diesen Vorwurf ab: "Die Kinder kommen ja nicht alleine zu uns, sie werden von ihren Eltern begleitet. Daher ist es Aufgabe der Eltern das Gezeigte für ihre Kinder einzuordnen." Und nach den Gesprächen mit den Lehrer*innen bereitet mir die Vorstellung Bauchschmerzen, dass Kinder sowohl in der Schule als auch Zuhause diesem historischen Humbug ausgesetzt sind. Denn auch wenn der Rundgang viel Zeit in Anspruch nimmt, kann ich den Versuch, die Bibeltheorie zur handfesten Wissenschaft erklären zu wollen, danach zumindest hinter mir lassen.