Ein Comicfan war er schon immer. In seiner Kindheit las der Belgier Vincent Bal am liebsten die Comicreihen Lucky Luke, Tim und Struppi und Gaston, und probierte sich auch selbst an kleineren Comiczeichnungen. Heute produziert er hauptberuflich Filme und Fernsehserien, das Zeichnen blieb ein geliebtes Hobby.

Im Mai 2016 arbeite Bal gerade an einem neuen Skript, als er bemerkte, dass seine Teetasse einen auffälligen Schatten auf ein Blatt Papier auf seinem Schreibtisch warf. Er zückte seinen Zeichenstift und fügte ein paar wenige Striche hinzu, sodass sie in Kombination mit dem Schatten einen Elefanten ergaben. Der Schatten gab die grobe Form vor, mit den Strichen zeichnete er Details ein. Ein Foto davon postete er im Anschluss auf seinen Social-Media-Accounts. Die Reaktionen darauf waren, laut Bal, überwältigend.

Ein Comic, zwei Minuten

In kürzester Zeit schoss die Zahl seiner Follower*innen auf Instagram in die Höhe und Bal beschloss, mehr Zeit in seine kleinen Schattenspielchen zu investieren. "Wenn ich einen Film mache, dauert das von der ersten Idee bis zur endgültigen Veröffentlichung mindestens drei Jahre. Wenn ich meine Schattencomics zeichne, dauert das zwei Minuten", sagt Bal.

Hat er Lust auf eine neue Zeichnung, sucht der Regisseur erst nach Gegenständen in seiner unmittelbaren Umgebung. Dann streift er durch seine Wohnung, öffnet Schubladen und Schränke und hört währenddessen, wie sich seine Frau und Kinder darüber beschweren, wie schräg er dabei aussieht. Wird er in der eigenen Wohnung nicht fündig, wird er es meistens am Flohmarkt nebenan. "Das Schwierige ist, dass ich bei einem Objekt nie wirklich sagen kann, welche Zeichnung später entstehen wird. Die Schatten sind unvorhersehbar", erzählt Bal. Daher müsse er bei jedem Projekt unvoreingenommen sein. Denn die Schatten verändern sich je nach Einfallwinkel des Lichts und Position des Objekts.

Hat er erst mal ein potenziell geeignetes Objekt gefunden, dreht und kippt er es so lange bis ein Schatten entsteht, den er in eine Zeichnung einbauen kann. Es reicht eine klitzekleine Bewegung und schon wird aus dem nichtssagenden Schatten eines Apfelrests plötzlich die Grundform einer unfreundlichen Eule. Für ihn sei das wie eine Art Rorschachtest, bei dem aus Tintenklecksen bestimmte Formen erkannt werden sollen. "Habe ich kürzlich zufällig Der Weiße Hai gesehen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich im Schatten einen Hai sehe. Es ist sehr intuitiv", sagt Bal.

Versteckte Kreaturen sichtbar machen

Bei seinen Comics arbeitet Bal am liebsten mit Sonnenlicht. Das würde die klarsten Schatten werfen und ihn zudem zwingen, schnell zu arbeiten. Die Zeichnung ist im besten Falle fertig, bevor sich die nächste Wolke vor die Sonne schiebt oder die Erde sich weitergedreht hat. Da sich die Sonne in Bals Heimatstadt Antwerpen allerdings nicht allzu oft blicken lässt, müsse er oft auf künstliches Licht zu Hause zurückgreifen.

Mittlerweile verkauft Bal seine Werke online. "Ich habe meinen Zeichnungen den sehr wissenschaftlichen Namen Shadowology gegeben", sagt er. Es sei die Wissenschaft, in Schatten versteckte Dinge zu entdecken und Kreaturen, die wir normalerweise nicht sehen, sichtbar zu machen.