Heute schon gelacht? Ein Lachforscher erzählt im Interview, weshalb unkontrolliertes Lachen das Schönste ist und wie wir unsere eigene Lache entwickeln.
Ein Lachforscher erklärt, was unser Lachen über uns verrät
Rainer Stollmann ist einer der bekanntesten Lachforscher Deutschlands. Der Kulturwissenschaftler forschte an der Universität Bremen und schrieb ein Buch über die Geschichte des Lachens. Er spricht mit ze.tt über Affenbabys, Yoga und die Angst vor dem Lachen.
ze.tt: Herr Stollmann, am Weltlachtag treffen sich in Tausenden Lachclubs Menschen, um gemeinsam um 14:00 Uhr drei Minuten lang zu lachen. Das soll gesund sein. Sind Sie auch dabei?
Rainer Stollmann (lacht): Nein, das ist nichts für mich. Ich finde die ganze Situation des Lach-Yogas ziemlich künstlich. Eigentlich lacht der Mensch nicht um der Gesundheit, sondern um der Lust willen.
Kann man das Lachen also nicht trainieren?
Es gibt tatsächlich eine ernsthafte Form des Lachtrainings. Die stammt aus dem Buddhismus, der einzigen Religion, in der das Lachen positiv bewertet wird. Buddhistische Mönche haben deshalb eine Lachmeditation entwickelt, die jetzt in diesen Yoga-Clubs aufgegriffen wird. Doch um das Lachen der Erkenntnis zu gewinnen, reicht keine Dreiviertelstunde im Lachclub. Das kann Jahre dauern. Außerdem lernen wir ohnehin schon im Kindesalter zu lachen.
Wann fängt der Mensch denn mit dem Lachen an?
Das Lachen entwickelt sich sehr früh. Es kommt mit dem Krabbeln, dann können Kinder erstmals koordiniert ihren ganzen Körper bewegen. Mit fünf oder sechs Monaten werden sie dann kitzelig. Das lässt sich übrigens schon bei Affenbabys beobachten.
Tiere lachen also auch?
Wissen Sie, wer auf der Welt zuerst gelacht hat? Der Vorfahr des Menschen, der Schimpanse. Bis heute kitzeln Schimpansenmütter ihre Babys – und die lachen laut drauf los. Das Lachen ist also mindestens sechs bis sieben Millionen Jahre alt. Manche Tiere haben sogar Humor, wie Biologen bei lateinamerikanischen Papageienschwärmen beobachtet haben. In jeder Fluggruppe konnten sie einen Clown ausmachen, der sich fallen lässt oder mit den Flügeln wackelt, um die anderen zum Schnattern zu bringen.
Aber Witze verstehen Tiere nicht.
Jüngere Kinder auch nicht. Das beginnt erst mit dem siebten oder achten Lebensjahr. Dann wird unser Verstand erstmals gekitzelt. Witz kommt von Wissen, und das haben wir erst ab einem bestimmten Alter.
Lachen ist also nichts Angeborenes?
Doch, aber die dumpfe Naturreaktion muss aktiviert werden – das geschieht durchs Kitzeln des Körpers oder der Seele.
Studien sagen, dass Kinder täglich etwa 400 Mal lachen, Erwachsene hingegen nur 15 Mal. Woran liegt das?
Das hängt damit zusammen, dass für Kinder die Welt neu ist. Der Mensch lacht vor allem bei Überraschungen. Die Pointe eines Witzes ist nur dann gut, wenn sie überrascht. Für Kinder kann jeder neue Gegenstand überraschend sein – wir Erwachsenen haben das schon erlebt und lachen nicht mehr, wenn der Ball die Treppe hinunterrollt.
Was passiert im menschlichen Körper, wenn der Mensch lacht?
Das Lachzentrum unseres Körpers ist das Zwerchfell. Es unterstützt die Lungen bei der Atmung, indem es sie nach oben drückt, wenn wir ausatmen. Beim Lachen spielt der Muskel verrückt und flattert hin und her. Das bringt die ganze Hierarchie des Körpers durcheinander. Gleichzeitig werden im Gehirn beim Lachen Glückshormone freigesetzt und der Blutkreislauf gerät in Wallung. Der Körper erlebt Anarchie!
Und das soll gesund sein?
Zweifellos. Heute wissen wir, dass Lachen gut für uns ist. Mediziner haben das längst bewiesen. Historisch gesehen ist das revolutionär, noch im Mittelalter hat die katholische Kirche das Lachen verboten und es als Teufelszeug betrachtet.
Heute schmunzeln, johlen, kichern wir: Warum lachen Menschen so unterschiedlich?
Jeder Mensch hat eine eigene Lachsprache. Lachen ist auch immer Kommunikation – zumindest beim kontrollierten Lachen. Es kann Freundlichkeit und Offenheit signalisieren, wird zum Flirten genutzt, kann aber auch Trauer vermitteln. Das kommt ganz auf den mimischen Ausdruck an. Ganz anders als beim exzessiven Lachen.
Lachen ist auch immer Kommunikation.
Rainer Stollmann, Lachforscher
Was geschieht dort?
Exzessiv lachen wir, wenn es nur so laut aus uns herausströmt, unkontrolliert, eben anarchisch. Dann ist Lachen keine seelische Regung, sondern eher ein Platzen. Den Ausdruck kann dann niemand mehr steuern.
Kann ein solches Lachen ansteckend sein?
Definitiv, genauso wie weinen ansteckend sein kann. Der Mensch als empathisches Wesen wird von Emotionen angezogen und kann sich in andere hineinversetzen. Beim Lachen ist das etwas Besonderes, denn das Lachen ist eines der wenigen ansteckenden Dinge, das uns Freude bereitet.
Wieso lachen manche Menschen trotzdem nur selten oder nie?
Das Phänomen können wir seit der Antike beobachten. Die Gelotophobie, die Angst vor dem Lachen, hat nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung. Diese Menschen haben Angst, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren und lachen deshalb nicht. Gleichzeitig fürchten sie sich davor, ausgelacht zu werden.
Worüber kann ein Lachforscher wie Sie noch lachen?
Ich finde Humor in der Politik ziemlich witzig. Ich mag die Heute Show und den Europa-Abgeordneten Martin Sonneborn, ein toller Satiriker. Wie wichtig Lachen in der Politik ist und wohin Unterhaltung führen kann, zeigt aktuell Wolodymyr Selensky, der neue ukrainische Präsident, der zuvor Komiker war. Eine sehr interessante Entwicklung.
Zum Abschluss: Erzählen Sie uns doch bitte Ihren Lieblingswitz!
Ich mag Kinderhumor besonders gerne, also: Opa und Oma fahren auf der Autobahn. Da kommt die Meldung „Vorsicht, ein Geisterfahrer ist unterwegs“ im Radio. Opa schreit: „Einer? Dutzende! Dutzende!“
Außerdem auf ze.tt: Diese Fotos zeigen, dass ein schönes Lachen keine Frage des Alters ist
Im Alter von 17 Jahren wurde Lydia an die Front gerufen, zur Verteidigung des russischen Vaterlandes. Als Krankenschwester half sie Ärzt*innen, Verwundete aus der Kampfzone zu bringen. Nach Kriegsende behielt Lydia ihren Beruf bei und blieb Krankenschwester. Sie hat zwei Söhne. Mit 92 Jahren hat sie immer noch eine Menge Spaß am Leben, macht ständig Witze, singt Lieder und tanzt manchmal mit dem Psychologen und Animator des Altenzentrums, in dem sie lebt. | Foto: Ilya Nodia
Valery war Oberst der Panzerkräfte und engagierte sich in militärischen Entwicklungen zum Schutz seiner Heimat. Er singt gerne Militärlieder und glaubt, dass das Wichtigste ein friedlicher Himmel über seinem Kopf ist. | Foto: Ilya Nodia
Elisaveta war außerordentliche Professorin für Chemie an der Staatliche Lomonossow-Universität in Moskau. Sie widmete ihr Leben der Familie und der Wissenschaft. „Ich glaube, dass das Wichtigste das wahre Interesse an dem zu untersuchenden Thema, die natürliche Neugierde und die Liebe zum Leben ist.“ Sie liebt Brettspiele unter freiem Himmel. | Foto: Ilya Nodia
„Ich habe mein ganzes Leben lang als Verfahrenstechniker gearbeitet und bin überzeugt, dass die Zukunft in Innovation und Fortschritt liegt.“ Sergej spielt gerne Schach und feiert Partys. | Foto: Ilya Nodia
Als Kind konnte Anna nicht zur Schule gehen, weil sie sich um das Haus und ihre jüngeren Geschwister kümmern musste. „Ich liebte Ivan, einen Mann aus einem nahegelegenen Dorf, aber er musste an die Front, wo er bald starb“, sagt sie. Er war ihr einziger Mann. Heute bastelt Anna gerne, sie hilft beim Bau von Papierschlössern für ihre Freund*innen im Altenpflegezentrum. Sie liebt es, wenn ihre Verwandten Urlaub machen und ihr von den Reisen Geschenke mitbringen. Mit 90 hat sie sich im Altenzentrum neu verliebt. | Foto: Ilya Nodia
Tatianas Gespräche sind meist von hoher intellektueller und philosophischer Natur. „Das ist, weil ich in meinem Leben schon so viel gesehen habe“, sagt sie. Sie mag es, bei einer Tasse Tee lange Gespräche zu führen, Witze zu machen und Gäste zu empfangen. | Foto: Ilya Nodia
„Nach der Schule arbeitete ich in der Kolchose (als Kolchosen bezeichnete man in der Sowjetunion landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, Anm. d. R.), wo ich meinen Mann Nikolai traf. Wir waren ein lustiges und freundliches Paar. Gemeinsam bauten wir uns eine strahlende sowjetische Zukunft auf, gingen tanzen und stritten uns nie. Leider ist mein Mann früh gestorben. Später konnte kein anderer Bewunderer an Nikolai herankommen. Ich habe daher nie Kinder bekommen“, erzählt Anna. Bald nach dem Tod ihres Mannes zog sie nach Moskau, wo sie weiterhin viel arbeitete. Anna tanzt immer noch gerne in ihrer Altenresidenz, aber nur mit Unterstützung. | Foto: Ilya Nodia
Vater und Mutter starben im Krieg, Victor wuchs als Waise auf. In der 5. Klasse erstarrten seine Beine und er konnte zwei Jahre lang nicht laufen. Er hatte 6 Operationen. Viktor erinnert sich noch mit Tränen an den Arzt, der ihm sagte, dass er irgendwann wieder tanzen würde. „Der Junge ist kein Junge mehr, sondern tanzt so, dass die älteren Dame keine Chance haben, sich nicht zu verlieben“, sagt er. Victor arbeitete immer hart, er war Maurer, Dachdecker, Ofenbauer und Chauffeur. Er war Vorsitzender einer Gewerkschaft und später Abgeordneter des Bezirksrates in Leningrad und auch als gerichtlicher Volksgutachter tätig. „Ich war außerdem Modedesigner und Gentleman.“ | Foto: Ilya Nodia