Mut- und perspektivlos, weltfremd und ohne Blick über den Tellerrand: Daheimgebliebene Dorf- und Kleinstadtmenschen werden gerne belächelt. Dabei sollten wir ihnen danken.

Neulich habe ich mit einem Freund von früher gesprochen. Früher heißt für mich: aus der Zeit vor meinem Umzug vor etwa vier Jahren. Damals habe ich meine 30.000-Seelen-Heimatstadt gegen eine Halbe-Million-Großstadt, knapp 400 Kilometer entfernt, eingetauscht. Heute haben wir eher losen Kontakt. Und wenn wir uns dann mal treffen, erzählt er mir immer wieder, dass er es bereut, nicht auch das Weite gesucht zu haben.

Lange habe ich nur verständnisvoll genickt. Okay, meine Heimatstadt hat vergleichsweise viel zu bieten: Mehrere Bars, zwei Clubs, ein größeres Kino und einige bekannte Modeketten. Doch das Leben in einer Großstadt ist eben doch anders. Irgendwie aufregender, mit deutlich mehr Möglichkeiten und vielen neuen Perspektiven. Ich fand es damals mutig, mich in dieses Leben zu stürzen. Heute finde ich die mutig, die bleiben.

Das sind die, die den Laden am Laufen halten

Viele Freund*innen und Menschen im Bekanntenkreis fanden sich so mutig wie ich und sind gegangen. Nach Berlin, Hamburg, München, Wien oder noch weiter weg. In meiner Heimatstadt ist seitdem immer weniger los. Die Bars sind oft leer, wenn ich zu Besuch bin, die Clubs haben Muttizettel eingeführt und auch wenn ich jetzt nostalgisch werde: alles wirkt irgendwie trostloser als früher.

Umso mehr schätze ich die, die geblieben sind: um zu arbeiten, einfach um den sprichwörtlichen Laden am Laufen zu halten. In meiner Facebook-Freundesliste habe ich Leute, die Konzerte und Festivals veranstalten, die bei Fußballturnieren das Public Viewing organisieren und die Stadt und das Umland, so gut es geht, mit Leben füllen.

Sie sind die, die da sind, wenn wir zurückkommen

Warum das so wichtig ist? Noch sitzen wir zwar jung und abenteuerlustig in unseren WGs, mitten in unseren eroberten Großstädten. Früher oder später werden die meisten von uns aber trotzdem zurückgehen. Einmal gibt es die, die es aus verschiedenen Gründen abseits der Heimat nicht geschafft haben oder dort unglücklich sind. Für viele ist die Großstadt zu viel, ist das Studium nicht das richtige, ist die Entfernung zu Familie und Freunden zu groß.

Aber auch die, zu denen ich mich selbst zähle – die, die keine solche Probleme hatten. Ich will es mir eigentlich nicht eingestehen, aber irgendwann werden wir doch alle von der Realität eingeholt. Von Steuern, Immobilienpreisen und der Familienplanung. Spätestens dann, wenn wir wieder bei den Jugendfreunden sein, Kinder in der Nähe von Wäldern und Bächen großziehen wollen und merken, dass das in Großstädten entweder unmöglich oder unbezahlbar ist – ja, wie werden wir dann weiter machen?

Während wir uns also in überfüllten Großstädten tummeln und manchmal vielleicht etwas arrogant zurückblicken, sind die Zurückgebliebenen dafür verantwortlich, dass wir hoffentlich alles so vorfinden, wie es war – wenn wir irgendwann doch zurück wollen.

Im Ernst: Man kann es spießig, kleingeistig und langweilig finden, in der dörflichen Heimat zu bleiben. Doch das ist eben nur eine Perspektive. Viel Natur, bekannte Gesichter und keine permanente Reizüberflutung – das sind für mich meine Besuche zuhause. Das kann wie Urlaub vom hektischen Leben in der Wahlheimat sein.

Warum also die verurteilen, die sich von diesem Leben von Anfang an nie verabschieden wollten?