Durch die Einnahme von Hormonen haben Transgender-Männer die Möglichkeit, ihre Stimme zu senken. Genauer mithilfe von Androgenen, die dazu führen, dass die Stimmlippen an Masse zulegen. Bei Transfrauen ist das Ganze nicht so einfach. Sie können ihre Stimme durch Hormone nicht verändern, sondern müssen auf logopädische Alternativen zurückgreifen, die ihnen dabei helfen, die weiblichen Anteile des stimmlichen Gesamtauftretens zu erhöhen und die Stimmführung der eigenen Identität anzupassen.

Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, operative Eingriffe durchführen zu lassen, bei denen entweder die Stimmbänder verkürzt werden oder der Kehlkopf abgeschliffen wird. Diese OPs gelten allerdings nach wie vor als problematisch und garantieren keine erfolgreiche Anpassung. In der Regel raten Ärzte davon ab und empfehlen, erst alle anderen Alternativen auszuschöpfen. Eine veränderte Stimmhöhe ergibt auch nur dann Sinn, wenn die Stimmführung entsprechend angepasst wird.

Der Butterfly Music Transgender Chorus ist eine Chorgruppe für Transgender-Personen. Ihr Leitbild: Die Transgender-Community mithilfe von Musik auf eine Art und Weise zu erreichen, die sie befähigt, ein glücklicheres und integriertes Leben zu führen. Die ständigen Bemühungen, künstlich in tieferer/höherer Stimmlage sprechen und singen zu wollen, um so männlicher/weiblicher zu erscheinen, führen leicht zur Schädigung der Stimmbänder. Doch gerade weil die Stimmen von Transmännern und -frauen auf den ersten Ton nicht zum äußeren Erscheinungsbild passen, gibt es nicht nur in der Welt des Gesangs oft wenig Platz für sie. Depression, Sozialphobie und Diskriminierung können folgen. Butterfly Music möchte dagegen wirken.

Der Chor wurde letztes Jahr in Boston gegründet und ist einer der ersten Gesangsgruppen, die nur Transgender-Personen als Mitglieder zulassen. Dort können sie nach Herzenslust singen, ohne Angst zu haben, in vorgefertigte Schubladen gezwängt zu werden. Zusätzlich können sie auch an einem Sprachtraining teilnehmen, das ihnen den Übergang in ihre neue, richtige Identität erleichtert.

Die Gründerin des Chors heißt Sandi Hammond und ist selbst keine Transsexuelle. Die Gesangslehrerin aus Boston gibt selbst zu, den Wert des Projekts anfangs völlig unterschätzt zu haben: "Zu Beginn war es nicht mehr als ein Versuch." Heute verbindet sie Gesangsunterricht mit wöchentlichem Sprach- und Ausdruckstraining und stellt hilfreiche Netzwerke zu externen Experten zum Thema auf. Auf diese Weise möchte sie den Menschen helfen, mehr im Einklang mit ihrer eigenen Gender-Identität zu sein.

Eines der ersten Mitglieder war Laurie Wolfe, eine Aktivistin aus Somerville in der Nähe von Boston. Schon nach ein paar Wochen war sie in der Lage, in einem höheren Register zu sprechen: "Es war eine überwältigende Freude! Als ob ich endlich die Frau hören konnte, die ich schon immer war."

Auch Kit Johnson aus Winchester in Massachusetts hat seine eigene Erfolgsgeschichte. Früher war er auf der Uni ein Soprano. Durch langwierige Testosteron-Behandlungen veränderte er sich so sehr, dass er nicht mehr in der Lage war, seine Stimme zu kontrollieren. Er war gezwungen, mit dem Singen aufzuhören. "Ich erinnere mich an Situationen, wie ich die richtigen Töne in meinem Kopf hörte und dann frustriert war, wenn sie falsch aus meinem Mund kamen", erzählt Kit. Die Arbeit mit Butterfly Music half ihm schließlich, seine Stimme wieder richtig zu nutzen und sicher zu singen.

Der Butterfly Music Transgender Chorus gilt in Amerika als zweite Gesangsgruppe dieser Art – gleich nach dem Transcendence Gospel Choir. Zwar gibt es den Transcendence Gospel Choir schon seit mehr als 10 Jahren, aber erst Butterfly Music brachte die Thematik vermehrt in die Öffentlichkeit und inspirierte Chor-Neugründungen in Los Angeles, Chicago und Atlanta.

In den letzten Monaten hatte der Boston-Chor einige private Auftritte in Boston und Umgebung. Das erste öffentliche Konzert wird im am 9. April 2016 in der First Church Boston, einer unitarischen Kirchengemeinschaft, stattfinden. Derzeit besteht der Chor aus mehr als 20 Mitgliedern. Bei Auftritten, die traditionell nach Stimmlagen und daher meist geschlechtlich getrennt sind, werden die Mitglieder bloß nach hoch, mittel und tiefen Stimmen aufgeteilt. "Es liegt in der Natur der Sache, dass wir musikalisch ein wenig unvorhersehbar sind", sagt Sandi Hammon. "Für mich ist es aber das Richtige. Es ist, als ob wir einen neuen Sound erschaffen."