"Mund halten!", schreit eine ältere Frau, die auf der Bank einer Bahnhaltestelle sitzt. "Wie redest du mit mir, du freches Tier?" fährt sie fort. Und dann: "Das ist mein Land." Sie beginnt eine junge Frau im Hintergrund, die fragt, warum sie denn so mit ihr rede, wüst zu beschimpfen. "Die FPÖ haut euch alle raus", sagt die ältere Frau. Als ein junger Mann dazwischen geht, beginnt die Frau sich weiterhin brüllend und fluchend von der Bank zu entfernen. Als die junge Frau aus dem Hintergrund ihr hinterruft: "Sie haben kein Recht, mich so anzuschreien", dreht sich die Angreiferin noch mal um: "Verschwinde, verschwinde, du Scheiße." Sie spuckt die junge Frau an.

Das eineinhalbminütige Handyvideo, das am Samstag von der Betroffenen selbst in Wien aufgenommen wurde, zeigt, wie die junge Frau trotz des Angriffs ruhig bleibt. Man hört sie lediglich schluchzen, als die Angreiferin ihr zuruft, sie solle in ihr Land zurückgehen. "Das ist mein Land", antwortet sie weinend.

Umherstehende haben die junge Frau in Schutz genommen und sie nach dem Vorfall getröstet

Die Wiener Fotografin Asma Aiad, die mit dem mutmaßlichen Opfer des Angriffs befreundet ist, teilte das Video auf Instagram und Facebook. Sie kommentierte: "Tröstend ist, dass im Gegensatz zu vielen anderen Vorfällen, hier Frauen und Männer Zivilcourage gezeigt haben, zu ihr gestanden sind und sie nach dem Vorfall getröstet haben." Dennoch fügte sie hinzu: "Faktum aber ist: Antimuslimischer Rassismus steht mittlerweile leider am Tagesprogramm. Gegen Islamfeindlichkeit und Rassismus muss bewusst was gemacht werden. Sofort!"

Die junge Frau aus dem Video trug ein Kopftuch. Bereits im November 2018 hatte Asma Aiad, die ebenfalls einen Hijab trägt, ein anderes Video im Netz geteilt: Damals war sie selbst von einem Polizisten am Wiener Flughafen mutmaßlich rassistisch beleidigt worden.

Asma Aiad erzählte in einem Instagram-Post, dass sich viele Menschen mit ähnlichen Erfahrungen bei ihr gemeldet hätten: "Es haben mich seit gestern viele Frauen – mehrheitlich MuslimInnen – kontaktiert, dass ihnen ähnliches passiert ist." Daher hat sie eine Crowdfunding-Kampagne für Aufklärung und Empowerment von Betroffenen ins Leben gerufen: "Es sollen Seminare, Workshops und geschützte Räume mir ExpertInnen organisiert werden, um gegen den wachsenden Hass und Rassismus mit konstruktivem und selbstermächtigendem Handeln entgegenzuwirken", schrieb sie dazu.

Nach der Veröffentlichung des Videos bekundeten viele Menschen ihre Solidarität mit der angegriffenen Frau. Manche äußern ihre Verzweiflung angesichts solcher Fälle von antimuslimischem Rassismus. Ein mit dem mutmaßlichen Opfer befreundeter Twitter-User, der das Video teilte, äußerte sich so: "Ich kläre auf, über strukturellen Rassismus, über antimuslimischen Rassismus. Ich gebe Vorträge, mache Workshops. Aber wer hört zu?"