"Ich hatte erst 'nen Fahrradunfall – und dann Sex", erzählt Kai seinem besten Freund Felix. Dann folgen Details über ein unverhofftes Date mit Happy End: Mann und Frau stoßen auf dem Fahrrad zusammen, finden Gefallen aneinander und fallen direkt im Wald übereinander her. Die Szene stammt aus der Komödie "Schnick Schnack Schnuck", die zeigt, wie Pornos abseits des Mainstream aussehen können.

Maike Brochhaus hat das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Eine Frau – das ist immer noch eine Seltenheit im Business. "Mainstreampornografie wird in den allermeisten Fällen von Männern für Männer gemacht, um damit Geld zu verdienen", sagt sie. Zwar sorgten einige feministische Regisseurinnen, wie die schwedische Erika Lust, in den letzten Jahren für Aufsehen, doch blieb die Branche weitestgehend männlich. Wie kommt eine Frau überhaupt darauf, in so eine Männerdomäne einzusteigen?

Vom Flaschen zum Porno drehen

Eine Faszination für das Sexuelle und Erotische habe Maike schon als Jugendliche gehabt: "Ich habe schon immer gerne langweilige Parties mit Flaschendrehen aufgemischt", sagt sie. Während des Studiums begann sie eine Doktorarbeit zum Thema Porno und Kunst und fand Zugang zur feministischen, alternativen Pornografie.

"Die unechten, unehrlichen und unschönen Pornoclips aus dem Netz haben mich schon immer sehr abgetörnt." Sie meint damit Filme, die seelenlose Männer zu aggressiven Sex-Maschinen und devote Frauen zu passiven Sex-Objekten reduzieren. "15 Minuten Dampfhammer mit Sperma im Gesicht", wie sie es nennt.

Also drehte sie ihren ersten Film  "häppchenweise" – ein postpornografisches Experiment, bei dem sie sechs (echte) Menschen in einem Raum Flaschendrehen spielen lässt. Der Film ist ungescriptet – mit offenem Ende – und dokumentarisch gefilmt. Alles, was wir sehen, ist natürlich passiert. Maike geht spielerisch mit den Normen der Branche um, sie verweigert sie nicht vollkommen, sondern nimmt sich ihrer Ästhetiken an und verwirft sie im nächsten Moment.

In einer Sache unterscheiden sie sich ihre Filme nicht vom Mainstream: Sie zeigen explizit Sex. Doch die Perspektive ist anders.

Von PorNo zu PorYes

In den 80ern forderte Alice Schwarzer in der "PorNo"-Kampagne ein Anti-Porno-Gesetz. Im Zentrum stand dabei der Kampf gegen erniedrigende, gewalttätige Bilder von Frauen. Die Annahme dahinter: Was wir auf dem Bildschirm sehen, prägt unsere Wahrnehmung. Das sieht Maike ähnlich: "Wenn im Netz bei den ersten 20 Treffern alle Frauen glattrasiert sind und viel stöhnen; die Typen durchtrainierte Androiden sind, die zwei Stunden eine Erektion halten können und der Sex harte Arbeit ist, dann sind diese Bilder in meinem Kopf", sagt sie.

Heute ist pornografisches Material im Netz leichter zugänglich, als in den 80ern. Studien zeigen, dass bereits 12-Jährige sie gucken und Oralsex bei vielen Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren fast ausschließlich Blowjobs bedeutet.

Anstatt zu bemängeln, was im Mainstream-Porno falsch läuft, kreiert Maike ihre eigenen sexpositiven Filme. Solche progressive Formen, auch PorYes oder PostPorn genannt, entgegnen konventionellen Darstellungsformen von Sexualität und Körperlichkeit. Im Gegensatz zum Mainstream zeigen sie, dass Frauen Lust empfinden, Emotionen, Humor und Spaß beim Sex haben. Dass sie keine Schmerzen und andere Strapazen leiden müssen – und dabei wie echte Menschen aussehen. Gleiches gilt für Transmänner, Transfrauen, Schwule, Lesben und alle dazwischen.

Auch die Körper der Protagonist*innen sind anders: Sie sind behaart, uneben und menschlich. Die Männer sind weder extrem durchtrainiert noch laufen sie mit Dauerständer durch den Film. Die Frauen, die mitspielen, sind weder Models noch Schulmädchen.

Eine Sache in Maikes Film ist noch anders: Es gibt keine Ejakulation. Ein Porno kommt eben auch ohne den männlichen Blick, den männlichen Höhepunkt aus – und kann echte, gleichberechtigte Lust zeigen.