Es treffen sich zwei Fremde. Man plaudert, lernt sich kennen und ganz nebenbei fällt die Frage nach dem Beruf. Ein Szenario, das so oder so ähnlich täglich überall auf der Welt geschieht. Während die beiden Personen also über ihr Leben sprechen, malt sich jede*r ein Bild vom Gegenüber aus. Und die Nennung unseres Jobs spielt dabei eine große Rolle. Berufe konstruieren zu einem gewissen Teil unsere Identität. Sie sind Teil eines Bildes, das andere, aber vor allem auch wir selbst von uns haben. Durch sie erfahren wir Anerkennung – oder eben nicht.

Jedes Jahr gibt's eine Liste der beliebtesten Berufe – doch sind weniger angesehene Jobs auch die, auf die sich weniger Menschen bewerben? Was haben Klischees, soziale Anerkennung und unsere Identität damit zu tun?

"Nenn mir deinen Beruf, und ich sage dir, wer du bist"

Dass unser Ansehen auch von der Berufswahl abhängt, ist schon vor 150 Jahren dem deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer aufgefallen, erklärt Joachim Gerd Ulrich vom Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). "Uns geht es mit fast allem, was wir tun, vor allem auch darum, uns in der Meinung Anderer zu erhöhen", erläutert Ulrich. "Die moderne Sozialpsychologie nennt das unser Selbstdarstellungsbedürfnis oder unser Bedürfnis nach Impression Management. Wählen wir einen angesehenen Beruf, rechnen wir damit, dass dabei ein bisschen Licht auch auf unsere eigene Person fällt. So etwa nach dem Motto: Nenn mir Deinen Beruf, und ich sage dir, wer du bist."

Laut eines Beitrags von Forscher*innen des BIBB ist das Image eines Jobs daher durchaus von Bedeutung für Jugendliche bei der Berufsorientierung. Doch ist das auch der Grund, warum 2018 fast 49.000 Ausbildungsplätze unbesetzt blieben oder, warum die Liste der beliebtesten Berufe so aussieht, wie sie aussieht?

Erst einmal von vorne, denn jetzt muss differenziert werden. Beliebte Berufe zu definieren, ist nämlich gar nicht so einfach. Ein Artikel der Bundesregierung hat richtig festgestellt: Es geht bei den Jobs – wie in der Wirtschaft auch – um Angebot und Nachfrage. Für Arbeitsplätze wie Mediengestalter*in Bild und Ton oder Tierpfleger*in sei zwar die Nachfrage sehr hoch, aber eben auch das Angebot kleiner. Die Liste der beliebtesten Berufe nennt lediglich diejenigen, "in denen jedes Jahr am häufigsten neue Ausbildungsverträge abgeschlossen werden", so wird es auf der Seite angekündigt. Mit Beliebtheit per se hat das also nichts zu tun.

Das Streben nach sozialer Anerkennung

Doch weshalb sind manche Berufe denn begehrter und manche nicht? Jedes Jahr veröffentlichen die Forscher*innen des BIBB auch einen Datenreport. Demnach locken vor allem ein guter Arbeitsmarkt, Chancen auf Aufstieg und Weiterentwicklung sowie ein hohes Einkommen die Schulabsolvent*innen in die entsprechenden Betriebe. Natürlich befasst sich auch jede*r Jugendliche individuell mit seinen*ihren Interessen und gleicht diese mit den Erwartungen ab, die er*sie an den Beruf hat.

Und jetzt müssen wir einen Gedankensprung wagen, nämlich zur Bedürfnispyramide Abraham Maslows von 1943. Er ahnte schon vor 75 Jahren, dass ein Beruf bei der Berufswahl nur dann mit einem interessanten Aufgabengebiet punkten kann, wenn er auch das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung stillt. Stark heruntergebrochen könnte man also behaupten, wir wählen unseren Job ungeachtet all der anderen Auswahlkriterien vorrangig so aus, dass wir mit ihm Anerkennung erfahren und uns somit ein positives Bild von uns selbst zurechtlegen können.

Demnach ist das Image, das ein Beruf hat, bei der Wahl dessen durchaus von Bedeutung. Es verrät uns die Reaktionen Dritter auf diesen Job, wenn uns wieder einmal ein*e Fremde*r fragt "Und was machst du beruflich?". Es prophezeit uns, ob wir in diesem Arbeitsfeld die Anerkennung erhalten, nach der wir uns alle so sehnen.

Negative Klischees und falsche Stereotype

Laut dem BIBB-Datenreport 2018 wollen Arbeitende durch ihre Berufe insbesondere als gebildet sowie als einkommensstark wahrgenommen werden. Jobs mit einem schlechten Image sind demnach jene, denen ein geringer Verdienst oder ein hoher Anteil an Auszubildenden mit Hauptschulabschluss nachgesagt wird. Dazu kommen Klischees und falsche Vorstellungen über den Beruf selbst, die das Bild verschlechtern.

Die Coburgerin Carolin Schlund hat den Beruf der Kosmetikerin ergriffen. Die 22-Jährige wurde oftmals mit falschen Stereotypen konfrontiert. "Haben Kosmetikerinnen Extensions?" oder "Lackiert ihr den ganzen Tag Nägel?" waren Fragen, die ihr immer wieder begegneten. Dass dieser Beruf viel medizinisches Know-how erfordert, wüssten die wenigsten. "In meiner Klasse hatte die Mehrheit Mittlere Reife und auch eine Abiturientin machte die Ausbildung zur Kosmetikerin", stellt Carolin klar. Und was die Verdienstchancen angeht: Ja, es stimme zwar, dass als Auszubildende das Einkommen gering sei, aber mache man sich erst einmal selbstständig, könne mit dem Geschäft um Schönheit viel Geld erarbeitet werden, so die gelernte Kosmetikerin. Sie selbst macht inzwischen eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau. "Das hängt mit persönlichen Gründen und Faktoren, wie zum Beispiel den Arbeitszeiten zusammen. Gegenüber anderen erwähne ich dennoch lieber, dass ich Versicherungskauffrau bin, als Kosmetikerin", gibt Carolin mit Blick auf die Reaktionen Dritter zu.

Der Knackpunkt ist, dass Klischees auch meist nur in den Teilen der Gesellschaft bestehen, die nichts mit den Berufen am Hut haben. Diese Erfahrung hat Axel Roth gemacht, der als Landwirt arbeitet. "Solchen Klischees wie ‚Bauern stinken‘ steht in weiten Teilen meines Umfelds und der Gesellschaft auch sehr hohe Anerkennung für den Beruf gegenüber", erklärt der 23-Jährige. Bevor ihm das bewusst wurde, haben diese falschen Stereotype jedoch auch zu Zweifeln bei der Berufswahl beigetragen, erinnert sich Axel. Er ist froh, schlussendlich nicht auf die negativen Äußerungen anderer gehört zu haben.

Und was sollen wir gegen diese Imagefrage tun?

Doch nicht jede*n lassen klischeebehaftete Kommentare kalt. "Wichtig ist zunächst, sich überhaupt darüber bewusst zu werden, dass uns bei der Berufswahl auch die Eitelkeit treibt. Das ist nichts Schlimmes, aber wenn man sich dessen bewusst ist, kann man darüber nachdenken, ob wir uns von unserer Eitelkeit wirklich so sehr verführen lassen wollen", rät Forscher Joachim Gerd Ulrich. Er ist der Meinung, möglichst viel Anerkennung mit der Berufswahl einzufahren, sei nicht alles, und Selbstbewusstsein erlange man oft auch dadurch, dass man bewusst andere Wege als die anderen geht.

Laut dem BIBB-Mitarbeiter brächten inzwischen viele ausbildungsinteressierte Jugendliche hohe Schulabschlüsse mit. "Hat ein Beruf nun das Image eines typischen Hauptschülerberufs, neigen viele der Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen dazu, diesen Beruf bei ihrer Berufswahl erst gar nicht in Betracht zu ziehen", erklärt Ulrich. Dass jedes Jahr viele Betriebe ihre Lehrstellen nicht besetzen können, liegt daher zu großen Teilen am Image der Berufe. Um dieses zu verbessern, muss jede*r aktiv mitarbeiten. Dazu gehören die Betriebe, die mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung, bessere Arbeitszeiten und höhere Verdienste anbieten müssen.

Dazu gehören aber auch wir selbst, die das Bild in unserem Kopf, das wir von bestimmten Berufen haben, einmal grundlegend überarbeiten sollten. Sich in Zukunft ein "Du Bauer" zu verkneifen, wenn sich im Freund*innenkreis jemand taktlos benimmt, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. In eine Zeit, in der nicht die Bilder uns, sondern wir die Bilder bestimmen.