Wie allein kann man in einem Hörsaal mit 800 anderen Studenten schon sein? Sehr allein, lautet die Antwort. Die Zeit der wilden Partys ist die Uni nicht für jeden. Es gibt Menschen, die zum Start ein wenig Pech haben, vielleicht nicht mutig genug sind, auf andere zuzugehen. Und die dann allein bleiben – und manchmal niemanden haben, mit dem sie reden können.

Der Start zählt

"Mit einem Netz von Freunden kommt man besser durchs Studium", sagt Günter Reich, Psychologe an der Universität Göttingen und Leiter der Psychotherapeutischen Ambulanz. "Im ersten Semester bilden sich Gruppen", sagt er. Im Januar sei dieser Prozess abgeschlossen. Schüchternheit und Unsicherheit stünden manchen jungen Studenten im Weg, sie bleiben dann allein. Und die Gruppen? "Die haben natürlich wenig Interesse an neuen Leuten", sagt Reich. Gut jeder Dritte in der Beratungsstelle fühle sich sozial isoliert, viele flüchteten sich in Smartphone- und Computernutzung, "Ablenkungsmöglichkeiten gibt es viele".

Reichs Studentin Lena Hennig hat in einem Datensatz nach dem Glück ihrer Kommilitonen gesucht. Studenten sind glücklicher, wenn sie sich sozial unterstützt fühlen, liest sie aus den Umfragewerten heraus. Und dabei zählt tatsächlich die Masse: Wichtiger als die Häufigkeit des Kontakts sei die Zahl der Menschen um uns herum, die uns wichtig sind.

Einsamkeit tut weh

Mangelndes Selbstwertgefühl, Arbeitsprobleme, Ängste, Depressivität, Probleme im Umgang mit anderen und sogar Suizidgedanken machen Studenten das Leben öfter zur Hölle, als es beim Rest der Bevölkerung der Fall ist, haben Psychologen der Universität Heidelberg festgestellt.

In Stresssituationen fühlen wir uns den Anforderungen unterlegen, sei es die Prüfung oder der Umgang mit den Menschen um uns herum. Wer einen starken sozialen Rückhalt hat, der bewältigt den Stress besser. Und das kann sich auch auf die Leistung schlagen: Einsame Studenten berichteten in der Umfrage von Angst, im Seminar zu sprechen oder Referate zu halten, sie litten an Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen. 21 Prozent der 1006 Befragten könnte psychisch auffallen belastet sein, vermutet die Autorin der Untersuchung, Lena Hennig.

Was können wir tun?

Es geht Studenten besser, wenn sie mehr Menschen um sich herum haben, die sie als wirklich wichtig empfinden und die uns emotional stützen, auch das belegt die Studie. Ob das Freunde, Familie oder Partner sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Hauptsache, es ist jemand da. Und das ist das Problem. Denn nicht jeder hat jemanden.

Bei Google suchen wir noch häufiger nach Freunden als nach uns selbst.

Und das Netz ist voll mit Ratschlägen; zusammengefasst: Geduld haben und sich selbst gut finden, dann klappt das schon von ganz allein.

Psychotherapeut Günter Reich beantwortet die Frage etwas praktischer: Ihm ist aufgefallen, dass einsame Studenten eher nicht in einer WG leben, sondern allein – aber das lässt sich ja beheben. Außerdem rät er zu Aktivitäten an der Hochschule, sei es Sport, Musik oder das Parlament der Studenten.

An den psychologischen Beratungsstellen der Hochschulen ist Einsamkeit zu einem der häufigsten Themen geworden. Und viel besser als Artikel im Netz oder dieser hier bei ze.tt können die geschulten Berater auf persönliche Ängste und Unsicherheiten eingehen.

Auch, wenn es einfacher ist, sich im Internet Ablenkung zu suchen: Weniger einsam wird man dadurch nicht.

Habt ihr euch auch schon allein unter Vielen gefühlt? Erzählt uns gern von euren Erfahrungen, wer an ip@ze.tt mailt, bleibt auf jeden Fall anonym.