2010 fanden Forscher*innen heraus, dass Einsamkeit so schädlich ist wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag. Obwohl die Einsamkeit in Deutschland mittlerweile laut dem Institut der deutschen Wirtschaft abgenommen hat, wird das Thema immer wichtiger. Seit 2018 gibt es in Großbritannien sogar ein Ministerium für Einsamkeit.

Der Anteil derer, die seit der letzten Umfrage 2013 einsamer geworden sind, ist laut des aktuellen Einsamkeitsreports des Instituts der deutschen Wirtschaft (Pdf) in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen am höchsten. Diese Entwicklung ist schlechter als bei den über 60-Jährigen. Der Report lässt zudem darauf schließen, dass diejenigen, die regelmäßigen Hobbys und einer Arbeit nachgehen, weniger einsam sind. Einsame Menschen neigen eher dazu, sich noch weiter sozial zu isolieren oder sogar feindselig auf andere zu reagieren. Lebensumbrüche, dazu zählen auch Trennungen, sind oft Grund für eine innere Leere und Einsamkeit, die man vorher nicht gespürt hat.

Wir haben Menschen in ihren eigenen Worten beschreiben lassen, was sie einsam macht und wie sie damit umgehen.

Amelie, 21

"Meine beste Freundin fand meine Umarmungen zu lange und sagte, es sei ihr zu viel und sie sei zu hetero dafür. Ich wollte nur freundschaftlichen Körperkontakt, weil ich sehr liebesbedürftig bin. Nachdem wir uns aussprachen, wusste ich, dass es nie wieder wie vorher werden würde. Ich fühlte mich verlassen, links liegen gelassen und weinte viel. Ich begann eine Therapie, die allerdings nur bedingt half. Aber es war gut, einen festen Termin zu haben, den ich zeitlich einhalten musste.

Letztlich bin ich erst über die Einsamkeit hinweggekommen, als ich im September selbst anfing zu studieren und mein Leben strukturierter und klarer wurde. Es hilft mir, mich beschäftigt zu halten, um nicht komplett zu entgleisen. Dabei suche ich mir langfristige und nah erreichbare Ziele, auf die ich hinarbeiten kann und deren Erfolg mich dann weiter motiviert. Dazu gehört die Arbeit, das Studium, aber auch meine Hobbys.

Was soziale Kontakte betrifft, springe ich über meinen Schatten und verabrede mich, auch wenn ich lieber alleine bleiben würde. Sonst versetze ich mich wieder selbst tief in die Einsamkeit. Dann bilde ich mir ein, dass andere enttäuscht von mir sind und ich nichts zu bieten habe. Dann möchte ich mich am liebsten selbst noch mehr abschotten."

Kaya, 22

"Als mein Freund nach einer zweijährigen Beziehung mit mir Schluss gemacht hat, habe ich mich sehr einsam gefühlt. Während der zwei Jahre habe ich mich von ihm abhängig gemacht und meine Freunde vernachlässigt. Nach der Trennung hatte ich Glück, dass sie mir das nicht allzu übel nahmen. Dennoch hatte anfangs niemand Zeit für mich, sodass ich die ersten Wochen ganz alleine war. Ich hatte wirklich dunkle Gedanken und wusste, dass ich da nur mit Ablenkung rauskomme. Ich hörte ständig Podcasts oder schaute Serien oder suchte sozialen Kontakt, sei es auch nur über Whatsapp. Als ich dann so langsam mein soziales Netz zurück hatte, habe ich mich trotz Gesellschaft oft einsam und allein gelassen gefühlt. In Gruppen fühlte ich mich oft unsichtbar und unerwünscht, obwohl es dafür gar keine Anhaltspunkte gab.

Was mir wirklich aus der Einsamkeit geholfen hat, war zu wissen, dass ich eben nicht alleine bin. Ich holte mir die Bestätigung ein, dass immer jemand für mich da ist. Oft habe ich telefoniert oder jemandem geschrieben, habe mich verabredet, egal zu welchen Anlässen, und meinen Terminplaner gefüllt. Außerdem habe ich viel über Einsamkeit gelesen. Cannabis hat mir tatsächlich auch dabei geholfen, mich einerseits zu betäuben, aber andererseits auch meine Gefühle zu reflektieren und mich zu fragen, warum ich mich jetzt in dem Moment einsam fühle. Nur weil ich de facto alleine bin? Oder liegt dem Ganzen eigentlich etwas anderes zugrunde? Das alles hat mir aus der Einsamkeit geholfen. Alkohol habe ich in der Zeit ganz bewusst vermieden, weil er mich noch mehr runtergezogen und noch elender hat fühlen lassen.

Mit meinen Freundinnen habe ich ab und an über meine Einsamkeit gesprochen. Es war extrem hilfreich zu wissen, dass es anderen manchmal auch so geht. Ich wollte aber auf keinen Fall, dass mich meine Freundinnen mit Samthandschuhen anfassen. So etwas wie 'Ach, du bist doch nicht einsam!' wollte ich nicht hören, sondern eher: 'Das ist okay. Ich fühle mich auch manchmal einsam. Ich bin immer für dich da.'"

Paul, 30

"Als ich mich vor vier Jahren von meiner Freundin trennte, war ich sehr einsam. Das tat mir gar nicht gut. Ich zog mich zurück, um allein mit dem Problem fertig zu werden. Ich verlor die Freude an Dingen, die ich sonst gerne mache. Dieses Gefühl der Leere war ständig penetrant im Vordergrund. Ich widmete mich viel meiner Musik, auch zusammen mit anderen, denn dabei muss man ja nicht ständig reden. Ich fühlte mich, als hätte ich mich von allen Gefühlen gelöst. Als hätte ich mein Herz aus der Brust gerissen und an den nächst besten Baum genagelt. Das ging ein paar Jahre so. Ich habe kaum jemand an mich ran gelassen, nur meine engsten Freunde. Ich wollte auch einfach keinen Menschen sehen, mir hat sozialer Kontakt meist nicht gut getan.

Ich fing an, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Warum kann ich nicht allein sein? Was ist schlimm daran? Ist es überhaupt schlimm? Viele Dinge, die ich mache, lerne oder für mich entdecke, passieren, wenn ich alleine bin. Ich habe Ratgeberbücher über die menschliche Psyche gelesen. In einem Sommer habe ich mich wieder gefangen, als ich etwas für die Natur getan habe. Ich habe Müll aus einem Wald geräumt und gemerkt, wie gern ich vorher für jemanden da war. Also projizierte ich diesen Wunsch auf die Natur statt auf Menschen und hatte wieder an etwas Freude. Mit der Liebe zur Natur kam die Kreativität für meine Musik zurück. Langsam fand ich wieder zu mir selbst und spürte, dass das Gefühl der Leere in den Hintergrund trat. Dann fing ich auch mit Meditation an und seitdem habe ich das Gefühl, im Einklang mit mir selbst zu sein."

Valentina, 62

"Mit zehn Jahren hatte ich einen Fahrradunfall, verursacht durch einen Autofahrer. Seit dem Unfall ist eines meiner Beine wesentlich kürzer als das andere, was langfristig zu einer Fehlstellung an Hüfte und Rücken führte. Gegen meine Schmerzen halfen mir Medikamente. Die Langzeitschäden des Unfalls holten mich aber im Laufe meines Lebens ein. Irgendwann half selbst Morphium nicht mehr. Die Fachärzte sagten mir, ich sei arbeitsunfähig und ich musste meine Arbeit als Schiffsbauingenieurin aufgeben.

Bis dahin bestand mein Lebenssinn in der Arbeit. Ich liebte meinen Job. Als ich dann nicht mehr arbeiten durfte, wusste ich erstmal nicht weiter. Zu der Zeit begann ich mit dem Malen. Das gab mir Kraft und einen neuen Lebenssinn, während ich vorwiegend zu Hause war und nichts anderes machen konnte. Diese harte Zeit zeigte mir, wer meine wirklichen Freunde waren. Wenn sie keine Zeit hatten, was tagsüber ja meist der Fall war, war ich alleine und fühlte mich oft einsam. Ich habe wirklich Glück mit meinem Lebensgefährten, der es okay findet, so wie es ist, und sich nicht darüber beschwert, dass ich nicht viel unternehme. Leider ist er selten bei mir, weil er woanders wohnt und arbeitet.

Ich versuche, mich immer beschäftigt zu halten, auch abends. Auch wenn es wegen der Schmerzen nicht allzu lange dauern darf. Aber dafür habe ich meine wahren Freunde und einen Partner, der mich so liebt, wie ich bin. Das hat mir extrem geholfen, diese Leere loszulassen und im Malen einen neuen Sinn zu finden. Auch ohne die Arbeit im klassischen Sinne."