2008 zahlten die Berliner*innen durchschnittlich 5,20 Euro je Quadratmeter für ihre Miete. Zehn Jahre später waren es 9,50 Euro. Mehr als jede*r zweite Berliner Mieter*in hat Angst davor, sich die eigene Wohnung in den nächsten Jahren aufgrund steigender Mieten nicht mehr leisten zu können. Diese Entwicklung ist nicht nur in der Hauptstadt zu beobachten: Auch in München, Hamburg oder Köln steigen die Mieten – und die Bürger*innen haben Angst davor, wie es weiter geht.

Bezahlbares Wohnen wird in den nächsten Jahren das soziale Thema schlechthin. Schon jetzt vergeht kaum eine Landtagswahl, ohne dass bezahlbarer Wohnraum eines der wichtigsten Wahlkampfthemen ist – zuletzt im Herbst 2018 in Bayern. Die Politik hat es bislang aber nicht geschafft, den Mietpreisanstieg in deutschen Ballungsgebieten wirksam zu begrenzen.

Die Politik hat es bislang nicht geschafft, das Problem zu lösen

Versuche dazu gab es durchaus: So gilt etwa seit 2016 deutschlandweit die Mietpreisbremse. 2018 wurde sie nochmal nachgerüstet. Trotzdem funktioniert sie nicht. Die meisten Landesregierungen haben erkannt, dass es mehr Wohnungsbau, vor allem mehr sozialen Wohnungsbau braucht. Nach Angaben der Investitionsbank IBB fehlen derzeit in Berlin 96.000 Wohnungen. 2017 wurden lediglich 16.000 neue Wohnungen fertiggestellt. In diesem Tempo würde es eine ganze Weile dauern, bis der Wohnungsmangel beseitigt ist. Alle bisherigen Vorschläge der Politik funktionieren in etwa so gut, wie mit einer Gießkanne einen Wohnhausbrand löschen zu wollen.

In diese Situation grätscht nun eine Bürger*inneninitiative mit einer ziemlich radikal klingenden Forderung: Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen fordert, dass der Besitz von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen vergesellschaftet werden soll.

Sozialismus, schreien Gegner*innen. Schutz des Eigentums! Verstoß gegen das Grundgesetz! Tatsächlich ist es so, dass unser Grundgesetz eine Vergesellschaftung explizit vorsieht. In Artikel 15 steht: "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden." Eine Vergesellschaftung von Privateigentum ist also nicht grundgesetzwidrig, aber zugegeben eine radikale Forderung: In der Geschichte der Bundesrepublik wurde der Artikel 15 bislang noch nie angewandt.

Wann, wenn nicht jetzt, sollte man über radikale Lösungen nachdenken?

Die Frage, die sich stellt, lautet allerdings: Wann will man damit beginnen, radikal das Problem der steigenden Mieten zu bekämpfen, wenn nicht jetzt? In zehn Jahren, wenn die Zentren wie Geisterstädte aussehen, weil in den Spekulationsobjekten längst niemand mehr wohnt? Wenn alle normal- und geringverdienenden Großstädter*innen in die Peripherie verdrängt wurden? Wenn der Wohnungsmarkt Berlins aussieht wie der Londons oder der von Paris?

Jetzt muss damit begonnen werden, ein so existenzielles Problem wie das der Verdrängung aus den eigenen vier Wänden zu bekämpfen. Was dabei auch klar sein muss: Den Besitz großer Immobiliengesellschaften, die eine große Verantwortung für die Mietsteigerungen in Großstädten tragen, zu vergesellschaften, ist sicherlich nicht der eine Wasserschlauch, der den Brand definitiv löschen wird. Es wird viele Lösungen brauchen, um die steigenden Mieten und Wohnraummangel zu bekämpfen. Und es wird radikalere Lösungen brauchen als die löchrige Gießkannenpolitik, die die regierenden Parteien bislang verfolgt haben. Die Vergesellschaftung könnte eine davon sein.

Was die Bürger*inneninitiative jetzt schon erreicht hat: Sie hat es geschafft, den Druck auf die Politik zu erhöhen. Ihre Message: Ihr Politiker*innen habt es bislang nicht geschafft, unser Problem zu lösen – also kümmern wir uns jetzt selbst drum. Am vergangenen Samstag startete die Initiative mit einem Volksbegehren. Bundesweit diskutieren die Parteien nun die Für und Widers der Vergesellschaftung. Die Berliner SPD versucht mit Nachdruck den sogenannten Mietendeckel, der Mieten in bestimmten Gebieten einfrieren soll, umzusetzen. Die Parteien fahren größere Geschütze auf, um den Brand zu löschen. Zeit wird's.