Mit geneigtem Kopf drängen sich die Leute durch die U-Bahnstationen. Die Rolltreppe runter, rein in den Schacht, warten, warten, warten bis der Zug kommt. U-Bahnfahren ist wohl für die meisten ein Mittel zum Zweck, ein Fortbewegungsmittel, um an einen Zielort zu gelangen. Dementsprechend sind U-Bahnstationen Orte, an denen wir uns bloß temporär aufhalten, ohne den Bauten viel Aufmerksamkeit zu schenken. Wozu auch, gibt ohnehin nicht viel zu sehen. Viel zu zu sehr sind wir in Gedanken versunken, starren aufs Handy oder müssen uns darauf konzentrieren, Essensresten oder Mageninhalten auszuweichen.

Dass es eigentlich ziemlich viel zu sehen gibt, weiß Kevin Krautgartner. Er erkennt in U-Bahnhöfen eine spezielle Ästhetik. "Ich bin sehr von den symmetrisch aufgebauten Räumen fasziniert. Manchmal scheinen sie fast wie von einem Computerprogramm entwickelt", sagt der Fotograf aus Wuppertal. Die würden allerdings schon von der bloßen Anwesenheit der Fahrgäste gestört. Die Massen von Menschen, die tagtäglich durch die U-Bahnhöfe eilen, würden die Ausstrahlung dieser architektonisch spannenden Orte verändern. Krautgartner hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die Stationen so darzustellen, wie wir sie kaum kennen: menschenleer und verlassen.

Stockholm und München haben die abwechslungsreichsten U-Bahnhöfe

Leere U-Bahnhöfe sind nicht leicht zu finden. Allein in Berlin fuhren laut der Berliner Verkehrsbetriebe im vergangenen Jahr mehr als 560 Millionen Menschen mit einer U-Bahn. Das bedeutet auch, dass mehr als 560 Millionen Menschen mindestens zweimal einen der insgesamt 173 U-Bahnhöfe besucht und wahrscheinlich nicht beachtet haben (Pdf). Für Krautgartner standen die Chancen also eher schlecht, die Stationen verlassen vorzufinden. Er versuchte daher sein Glück nachts, in den frühen Morgenstunden, oft an Sonntagen. Erst wenn der U-Bahnhof völlig leer war, drückte er den Auslöser seiner Kamera. Manchmal musste er dafür mehrere Stunden Wartezeit absitzen.

Für sein Fotoprojekt startete er mit größeren Städten in seiner näheren Umgebung, Bochum, Essen, Düsseldorf, und weitete seinen Radius später auf ganz Deutschland und den europäischen Raum aus. "Zur Architektur lassen sich besonders die Stationen in München und die teils unkonventionellen Stationen in Stockholm hervorheben. Hier wurde sehr viel Wert auf eine abwechslungsreiche Gestaltung gelegt und jede Station sieht völlig anders aus", sagt Krautgartner.

Es ist diese Mischung aus Funktionalität und Ästhetik, die U-Bahnhöfe zu etwas Besonderem machen. Und wenn es nach Kevin Krautgartner geht, verdienen sie mehr Aufmerksamkeit. Seine Fotos zeigen, dass sich unter den Böden unserer Städte vielseitige Bauwerke finden. Es lohnt sich also, auch vermeintlich unspektakulären Orten wie U-Bahnhöfen mit Neugier zu begegnen. "Oft übersehen wir spannende, kleine Details im großen, bekannten Ganzen."

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