Wir brauchen ihn. Aber er ist sperrig, er ist spießbürgerlich und damit auch überhaupt nicht Berlin. Ich würde ihn ja im Flur hinter der Eingangstür stehen lassen, sage ich, weil man ihn da nicht so oft sieht. Sie sagt, das Gegenteil sei der Fall – dort sieht man ihn immer, wenn man durch die Wohnung geht. Einig sind wir uns darin, dass wir ihn eigentlich am liebsten gar nicht sehen wollen. Aber wo schaffen wir ihn dann hin? Dieser hässliche Staubsauger, unser Endgegner.

Irgendwie hat das ja schon Symbolcharakter. Ein Haushaltsgerät hält uns den Spiegel vor. Er drängt die Frage auf: Wie treffen wir Kompromisse in der ersten gemeinsamen Wohnung?

Bekannte, die erfuhren, dass wir fortan unter einem Dach leben werden, pusteten schon mal gerne ihre Backen auf: Das sei eine große Herausforderung. Bestimmt, sagte ich dann. Aber doch vermutlich auch die beste Möglichkeit, zusammen zu wachsen?

Mein Einzug

Fangen wir vorne an: Ich lebe schon seit Mitte August in unserer neuen Wohnung in der Hauptstadt. In Berlin bin ich seit Mai, vorher lebte ich im schwäbischen Süden. Meine Freundin, die in derselben Gegend gelebt hatte, musste ihren Einzugstermin aus beruflichen Gründen etwas nach hinten verschieben. Seit etwas über einem Jahr sind wir nun ein Paar, mit einem*einer Partner*in zusammen gewohnt, haben wir vorher noch nie.

Zwei Wochen lebte ich hier also allein (immerhin lebe ich noch – mein Vater installierte das Licht an der Decke). Es ist eine große, helle und günstige Bleibe, mitten im Stadtteil Friedrichshain. Schlendere ich durch den Kiez, sehe ich alles, was die Stadt zu bieten hat: Hippe Kneipen, back-to-the-roots-Schuppen wie Antiquariate oder Weinläden, einen Park, in dem die Berliner*innen sich die Zeit bei Bier und Selbstgedrehten vertreiben. Die Menschen lächeln hier meistens, sind barfuß, hin und wieder flüstern mir einige im Vorbeigehen lieblich zu ("you want some?"). Eine schöne Gegend.

Ich besorgte das Nötigste: In der Küche konnte ich kochen, im Wohnzimmer auf einem Ikea-Schaukelstuhl fläzen, im Schlafzimmer auf einer Matratze pennen. Auch wenn man das eher "überleben" als "leben" nennen konnte: Ich hatte schon ein paar Wochen Zeit, mich einzurichten oder besser: Vorstellungen zu entwickeln. Und obwohl ich darauf abzielte, der Wohnung eben nicht meinen persönlichen Stempel aufzudrücken, tat ich es dadurch schon.

Ihr Einzug

Vergangenes Wochenende kam meine Freundin endlich an. Mit einem Anhänger, um all das zu transportieren, was sie aus dem Süden mitnehmen wollte. Die Kartons mit Kleidung, einige Möbelteile und Pflanzenkübel trugen wir in vielleicht 20 Durchgängen in den dritten Stock. Als wir die Kartons, alle beschriftet, abstellten, schweifte ihr Blick über die Ecke im Wohnzimmer, in der schon der Fernseher, meine Konsole und Videospiele platziert waren. "Vielleicht müssen wir da nochmal drüber sprechen", sagte sie.

Wie sie das meine, fragte ich. "Na die Spiele, das sieht so aus, als wäre das eine Rümpelecke", antwortete sie. Vielleicht finden wir ja eine Kiste, in die ich sie räumen könnte. Nach einem kurzen Tagtraum-Moment, in dem ich mir vorstellte, dass ich die Spiele ganz prominent auf einem Altar drapiere, willigte ich ein. Auch wo die neuen Schuhschränke, die sie mitbrachte, im Flur hinsollten, knobelten wir aus. Aber auch das war einfach gelöst: Wir stellten sie zweimal um, wurden uns dann einig, und da wo sie jetzt stehen, da bleiben sie auch.

Als ich eines Abends von der Arbeit kam, hatte sie schon den Schreibtisch aufgebaut, den sie aus ihrem Zimmer im Elternhaus mitbrachte. Wie er da so im Wohnzimmer stand, wirkte er auf mich zu mächtig. Mein Gesichtsausdruck muss das verraten haben. Eine Diskussion entbrannte. Sie fühlte sich durch meine Reaktion in der Euphorie gebremst, ich nahm ihr dadurch den Wind aus den Segeln. Das wiederum irritierte mich. Mir wurde in dem Moment klar, dass ich meine festgefahrenen Vorstellungen über die Einrichtung auflockern musste. Außerdem würde der Schreibtisch ohnehin nirgends anders hinpassen und wir brauchen ja einen.

Ich hatte das nicht erwartet: Aber es überforderte mich tatsächlich ein wenig, plötzlich so viel Neues zu sehen, wo vorher nichts war. Hier trafen ich, der schon einige Wochen in der Wohnung war und feste Vorstellungen hatte, und sie, die gerade ankommt und erst Ideen entwickelt, aufeinander.

Unser Einzug

Wir sprachen an diesem Abend lang über unsere Vorstellungen. Wir versuchten herauszufinden, wie wir in Sachen Wohnungsgestaltung so ticken, wo die Unterschiede liegen. Das ist neu für uns. Denn bisher griffen unsere Meinungen und Entscheidungen immer ineinander.

Bei dem Gespräch fanden wir heraus, dass wir auch hier eigentlich dasselbe wollen: Die Einrichtung soll minimalistisch sein. Das Problem lag nicht am Schreibtisch, sondern an der Kommunikation. "Zusammen leben bedeutet zusammen entscheiden." Eine Floskel, die man Freund*innen gerne mit auf den Weg gibt. Aber was das bedeutet, lernt man erst, wenn man selbst in der Situation steckt.

Seit wir den Mietvertrag unterschrieben hatten, lag vor uns ein Berg aus Erwartungen. Es war eine Phase, in der wir uns beide darauf einstellen mussten, erstmals mit einem*r Partner*in zusammenzuziehen – mit allem was dazu gehört: Herzklopfen, ein bisschen Schiss, aber vor allem das freudige Wissen, dass es unsere gemeinsame Zukunft voranbringen wird.

Das Gefühl, nach dieser Zeit nun endlich zusammenzusein und die gemeinsame Wohnung gestalten zu können – mit allen Schwierigkeiten – ist aber wirklich ein sehr schönes, das überwiegt. Wir denken in die gleiche Richtung: Wir bekommen das gemeinsam hin.

Der Staubsauger steht übrigens immer noch im Flur hinter der Wohnungstür. Sie sagte, sie gibt mir irgendwann Bescheid, falls ihr eine gute Alternative einfällt.

Ich werde künftig regelmäßig auf die Zeit in unserer ersten gemeinsamen Wohnung zurückblicken und über meine Erfahrungen berichten. Ich freue mich auch über eure persönlichen Geschichten zum Thema: Schickt sie mir unter till.eckert@ze.tt.