ze.tt-Redakteur Till ist vor Kurzem mit seiner Freundin zusammenzogen, in dieser Kolumne schreibt er darüber. Die früheren Teile könnt ihr hier nachlesen.

Es muss etwa kurz vor zehn gewesen sein, als es endlich läutete. Wir hatten die Musik gerade wieder ausgemacht und wollten eine Folge "Black Mirror" starten, nachdem wir fast zwei Stunden alleine mit unseren Drinks in unserer Wohnung umhergewandert waren. Die Zeit läuft langsamer, wenn man wartet. Ich war etwas aufgeregt. Mein drittes Bier war schon fast leer, es wurde mollig in mir.

Okay: Es hätte uns klar sein müssen, dass wir unsere Gäste nicht so früh erwarten können. Ich meine, das lässt sich nichtmal mit dem Spruch "das ist halt Berlin" einreden. Niemand kommt um 20 Uhr zu einer Party, niemals, nirgendwo. Ist ja auch nicht die erste Party, die wir schmeißen. Im Dorf war das nicht anders, wobei ja Berlin eigentlich auch ein Dorf ist. Sei's drum. Auch wenn wir das vermutlich jedes Mal wieder falsch machen werden: Wir sagten uns, es sei eben ein Punkt fürs Erfahrungswertkonto.

Nach dem Türläuten also Musik wieder an. Tür auf, die ersten zwei Gäste. Erleichterung: Sie haben das Motto erfüllt und ihre schönste Kopfbedeckung rausgekramt – ja, sehr kreatives Motto, wissen wir. Die Party konnte jedenfalls beginnen.

Jedes Mal macht man sich 'nen Kopf ...

Vorab: Wir waren spät dran mit der Feier. Wir wohnen jetzt seit August zusammen in unserer Wohnung in Friedrichshain, wir beide sind für Arbeit und Studium die meiste Zeit außer Haus. Dazu kamen immer mal wieder kleine Hindernisse (kauft niemals freischwebende Regale von Ikea! Niemals!). Hat also etwas gedauert, bis die Wohnung fertig eingerichtet war und wir uns so fühlten, als könnte man die Einweihung feiern.

Zurück zu dem Freitagabend: Nach und nach trudelten mehr Menschen ein, alle bekamen eine kurze Führung. Wir wollen heute den Überblick behalten können, sagten wir uns, also versuchten wir, die Anzahl der Gäste bewusst etwas geringer zu halten. Überhaupt haben wir uns ziemlich viele Gedanken vorab gemacht, obwohl wir uns als Partyveteranen sehen. Aber eine Party zusammen in der ersten eigenen Wohnung zu schmeißen, auch noch die allererste; das hat schon eine andere Qualität, als so etwas im Elternhaus zu veranstalten. Plötzlich wird einem eben bewusst, wie viel Zeit und Energie man da reingesteckt hat. Man kann schonmal empfindlich werden, wenn das alles bei einer wilden Feier auf den Kopf gestellt werden könnte.

Aber wird es auch geil werden?

Wir hatten etwa 30 Leute eingeladen, am Ende kamen insgesamt über den Abend verteilt vielleicht an die 20. Ja, eine weitere Erkenntnis, die bei Partys jedes Mal aufs neue bestätigt wird: Es kommen eher weniger Menschen als mehr. Und trotzdem macht man sich jedes Mal einen Kopf drüber: Wie viele Leute laden wir denn ein? Wie viele passen überhaupt hier rein?

Und überhaupt: Wird es auch geil werden? Was in Berlin nämlich wirklich anders ist, als in einem echten Dorf, ist die Vielzahl an unterschiedlichen Menschen und Mentalitäten. Ich fragte mich schon, ob das alles zusammen passen wird – meine Freundin lud zum Teil ältere Freund*innen ein und neue Kolleg*innen; ich ebenso. Wie mischt sich das? Eigentlich war auch das eine Frage zuviel: Denn natürlich finden die Menschen zusammen, wenn die Atmosphäre und die Stimmung passt. Dafür hatten wir gesorgt: Licht gedimmt, Musik nicht zu laut, genug Platz zum Plaudern oder Tanzen.

Nach etwa einer Stunde wurden dann alle tatsächlich etwas wärmer miteinander, einige tanzten, andere rauchten auf dem Balkon, wieder andere unterhielten sich auf dem Sofa und im Flur. Das hat einen sehr beruhigenden Effekt, nachdem man sich einige Gedanken machte. Es funktioniert, Gott sei Dank.

Noch so eine Sorge, die uns überkommt, wenn wir eine Party planen (und wir sprechen da ja aus Erfahrung): Was, wenn die Menschen zu hart saufen und es eskaliert? Der Klassiker ist ja die immer wiederkehrende Horrorvision vom zerstörten Inventar und vollgekotzten Ecken (ja, auch die kennen wir aus dörflicher Erfahrung). Wo uns das in der Heimat gar nicht beschäftigte, wird es brisant, wenn es sich um die Wohnung handelt, die ja gerade erst fertig geworden ist – und in der alles noch so schön und neu ist. Aber da hilft wohl einfach nur Vertrauen.

Wir haben ein paar Dinge aus dem Wohnzimmer ins Schlafzimmer geschafft, darunter unsere Laptops und ein paar wichtige Unterlagen. Die Sorgen waren auch hier mal wieder unbegründet: Die Gäste haben zwar gut gebechert und gefeiert, aber nichts ist kaputt gegangen. Easy.

... und jedes Mal hat man sich zuviel Kopf gemacht

Auch die Sache mit dem Überblick behalten war irgendwann also hinfällig; wir beide konnten den Abend genießen, sorglos, alles kein Problem. Auch ein paar Fremde waren gekommen, Bekannte und Freund*innen unserer Gäste. Gänzlich Unbekannte in der eigenen Bude zu haben ist zunächst ja schon ein befremdliches Gefühl. Aber das hat sich ebenfalls schnell aufgelöst: Neue Menschen kennen zu lernen macht Partys ja erst zu guten Partys – und diese hatten das Motto an dem Abend mit den Abstand besten Kopfbedeckungen gesprengt.

Und der Vorahnung zum Trotz, dass wir in der Nacht erst am Morgen ins Bett kommen würden: Ab halb drei hat sich die Party langsam aufgelöst. Aber die ganz große Magie setzt oft dann erst ein, wenn der harte Kern zurückbleibt: Wenn allen die Zeit egal wird. Dann gab's "Stolen Dance" in Dauerschleife und mit drei Gästen tanzten wir noch weiter, keine Ahnung, wie spät es wurde.

Am kommenden Morgen kramten wir in einer Stunde die paar Flaschen und Becher zusammen und wischten den Boden sauber – nichts mit Dreck und Müllbergen. Eine positive neue Erkenntnis: Partys in der neuen Wohnung? Läuft!

Wir werden uns beim nächsten Mal vorher definitiv zusammenreißen und uns weniger Sorgen machen. Zumindest sagen wir uns das.

Ich blicke regelmäßig auf die Zeit in unserer ersten gemeinsamen Wohnung zurück und berichte über meine Erfahrungen. Ich freue mich über eure persönlichen Geschichten zum Thema. Schickt mir eine Mail unter till.eckert@ze.tt.