ze.tt-Redakteur Till ist vor Kurzem mit seiner Freundin zusammenzogen, in dieser Kolumne schreibt er darüber. Die früheren Teile könnt ihr hier nachlesen.

Die Beziehung wird sich durch das Zusammenziehen ändern, das war uns klar: Sie wird noch ernster, das gemeinsame Wohnen schweißt fester zusammen. Das passiert gerade. Noch etwas ändert sich: die Art, wie wir miteinander kommunizieren.

In der Anfangszeit unserer Beziehung sahen wir uns in der Regel mehrmals die Woche, den Rest der Zeit schrieben wir uns Nachrichten oder telefonierten. Wir wohnten etwa 30 Kilometer voneinander entfernt, also rund eine halbe Stunde Autofahrt.

Als ich im Mai nach Berlin zog, sahen wir uns etwas seltener, etwa alle zwei Wochen – wir kommunizierten also hauptsächlich übers Smartphone. Obwohl wir immer wussten, was die*der andere so treibt: In dieser Zeit konnten wir beide uns kleine Pausen der Kommunikation nehmen, bewusst oder unbewusst, indem wir das Telefon einfach mal für eine oder zwei Stunden weglegten. Heute ist das so nicht mehr möglich.

Neu: immer erreichbar

Seit etwa zwei Monaten wohnen wir zusammen. Das heißt auch, der jeweils andere ist immer greifbar. Für lockeres Plaudern, für kurze Nachfragen, für Rat, für Diskussionen.

Wenn uns früher etwas am Verhalten der*des anderen störte oder wir uns eine Neuigkeit mitteilen wollten, hatten wir im Vorfeld immer mehr Zeit. Wir mussten ja warten, bis wir uns wieder sehen; oder bis die*der andere telefonisch erreichbar war. Das gab uns die Gelegenheit, länger darüber nachdenken zu können, ob und vor allem wie wir Themen letztlich ansprechen.

Insgesamt ist unsere Kommunikation heute zwar schneller und effektiver, aber auch eine Herausforderung.

Heute gehen wir beide direkt aufeinander zu. Was uns auf dem Herzen liegt, sprechen wir in der Regel sofort an. Unser Verhältnis zueinander ist so viel mittelbarer, viel offener. Insgesamt ist unsere Kommunikation heute zwar schneller und effektiver, aber auch eine Herausforderung. Für uns beide. Denn mit kleinen Konflikten oder Missverständnissen gehen wir beide unterschiedlich um.

Try and Error

Meine Freundin ist ein Mensch, der Missstände und Probleme gerne sofort anspricht und aus der Welt schafft. Ich bin ein Mensch, der sie eher aussitzt. Im Grunde sind das zwei Extreme. Das beißt sich etwas – und sorgt hin und wieder für Spannungen.

Das Zusammenwohnen bringt diese Eigenheiten noch stärker zum Vorschein. Aber schlecht ist das nicht. Im Gegenteil: Wir haben festgestellt, dass es sogar sehr wertvolle Erkenntnisse für die Beziehung liefert. Wer dem*der anderen gerade dann mit der doppelten Ladung Verständnis begegnet, kann viel über seinen*seine Partner*in lernen. Wie belastungsfähig ist er*sie welchen Gesprächsthemen gegenüber? Wann hat der*die Partner*in den Nerv, über etwas zu sprechen – und wann braucht er*sie Zeit für sich? Vorher, als wir getrennt voneinander wohnten, konnten wir zwar öfter mal Gras über die Sache wachsen lassen – aber über die*den Andere*n erfuhren wir dabei wenig.

Heute lernen wir beide auch über uns selbst; nämlich, wie wir so miteinander kommunizieren, dass jede*r von uns sich selbst damit wohlfühlt. Bis dahin ist es wie ein laufendes try and error, vor dem man aber keine Angst haben muss – sofern man empathisch ist, rekapituliert und versucht, zu verstehen.

Meine Freundin sagt etwa, sie muss noch lernen, weniger impulsiv zu sein und Dinge eher zu überdenken. Ich hingegen muss lernen, unangenehmen Dingen nicht so grundsätzlich aus dem Weg zu gehen und sie eher anzugreifen. Wir zeigen uns gegenseitig, wie Kommunikation in der neuen Situation so funktioniert. Und wir wissen jetzt: Wenn wir uns irgendwo in der Mitte treffen, dürfte es passen.

Ich blicke regelmäßig auf die Zeit in unserer ersten gemeinsamen Wohnung zurück und berichte über meine Erfahrungen. Ich freue mich über eure persönlichen Geschichten zum Thema. Schickt mir eine Mail unter till.eckert@ze.tt.