Die Jugend, diese nichtwählenden, unpolitischen, uninformierten Arschgeigen. Solange Politik nicht scharfgestochene Fotos von exotischem Essen oder dem letzten Surfurlaub auf Instagram postet, geht das Interesse von Menschen ohne Haarausfallproblemen diesbezüglich gegen Null. So, plakativ ausgedrückt, die allgemeine Meinung.

Weil Demokratie nun aber eigentlich davon lebt, dass alle Meinungen geäußert und vertreten werden, wird ein nicht unerhebliches Maß an Energie darauf verwendet, jungen Menschen den Wahlgang schmackhaft zu machen. Das jüngste Projekt wurde von Politikstudierenden, Journalist*innen, Videoproduzent*innen und Grafiker*innen entwickelt: der WahlSwiper.

Inspiriert ist der WahlSwiper von der Datingapp Tinder. Für alle nicht-internetaffinen Menschen: Das ist diese Online-Plattform, in der sich junge Menschen heute kennen lernen, weil alle zu cool sind, im echten Leben Leute anzusprechen.

Dreißig Fragen gilt es für den unentschlossenen Erstwählerling zu beantworten. Die Fragen betreffen mehrere Themengebiete, etwa das bedingungslose Grundeinkommen, die Bildung einer europäischen Armee, erneuerbare Energien oder die Abschiebung von Geflüchteten. Kurze Videos erklären den Sachverhalt, um den es geht.

Geantwortet werden kann immer nur mit Ja und Nein. Rechts swipen für ja, links swipen für nein. Wer nicht mal diese simpelste aller Willensbildungen hinkriegt, kann auch Fragen überspringen. Am Ende kann man seine Entscheidungen dann mit den Wahlprogrammen diverser Parteien abgleichen. Kurze Erklärungen, warum die Partei dieses oder jenes befürwortet oder nicht befürwortet inklusive.

Die Welt ist leider nicht nur schwarz und weiß

Der Autorin dieses Textes erscheint die App als möglicherweise nützlich für Menschen, die sich nur bulimiemäßig mit der Bundestagswahl beschäftigen wollen. Schnell ein paar Basic Facts zur deutschen Politik ansammeln, um nach der Wahl wieder in den politischen Dämmerzustand zu fallen. Aber immerhin gehen sie wählen. Sollte der WahlSwiper auch nur eine Person mehr an die Urne bringen oder auch nur ein noch so oberflächliches Interesse an Politik wecken, ist das Projekt schon lobenswert.

Die App krankt aber leider – wie die meisten Wahl-O-Maten – an einer Simplifizierung der Welt. Zur Auswahl stehen nur Ja oder Nein, schwarz oder weiß. Dabei sind es oft die Argumente, die Hintergründe, die Grautöne, die man zumindest ansatzweise wissen muss, um Ja-Nein-Entscheidungen tatsächlich treffen zu können.

So wird in dem Video zur Frage "Soll Edward Snowden politisches Asyl gewährt werden?" beispielsweise erklärt, wer das überhaupt ist und warum er Asyl bräuchte. Es wird aber nicht erklärt, welche Auswirkungen es haben könnte, sollte es ihm in Deutschland Asyl gewährt werden – etwa Sanktionen durch die USA, die eine Auslieferung Snowdens fordern. Eben von diesen möglichen Auswirkungen sollte man wissen, bevor man sich tatsächlich eine Meinung bilden kann.