Scrollen wir uns durch die Facebookseiten von Pegida und AfD, bleibt das hängen: Geflüchtete sind alle kriminell. Schuld ist die Presse. Und Angela Merkel. Und wenn man diese Missstände anspricht ("Das wird man wohl noch sagen dürfen!"), gilt man in diesem Land als schlechter Mensch.

Im Großen und Ganzen war's das. Das ist, was AfD- und Pegida-Enthusiasten in ihren Feeds sehen, worüber sie sprechen, was sie teilen. Das sind die Inhalte der Artikel und Postings, die bei den Menschen in der neurechten Welt viral gehen. Lösungen, Konstruktivität, gar Optimismus? Gibt es dort nicht.

Die Macher von Neurechtewelt zeigen wöchentlich, welche Artikel auf den Facebookseiten AfD und Pegida besonders beliebt sind. Da werden Donald Trump und Victor Orbán für ihre Politik gelobt – und ihre Kritiker verrissen. Da wird gefeiert, wenn der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel gerügt wird. Da wird sich gegenseitig darin bestärkt, dass Gefährdern per se elektronische Fußfesseln anlegen werden müssen. Da wird sich darüber aufgeregt, dass ein Asylbewerber nicht abgeschoben wird. Generell wird sich kräftig aufgeregt: Man wird das Gefühl nicht los, als gäbe es in dieser trostlosen Welt nichts Gutes mehr.

Beispiel Viktor Orbán

Die Fans von AfD und Pegida hängen in ihrer Facebook-Nachrichtenblase. Die davon ausgehende Gefahr zeigt sich deutlich, wenn man den beinahe obskuren Hype um Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán verfolgt. Einer der Artikel, der vergangene Woche besonders häufig steil bei Pegida-Fans ging, ist etwa ein Text der Münchner Zeitung Merkur mit dem Titel Orban bietet Asyl für 'Opfer' des westlichen Liberalismus an. Dazu schreibt die offizielle Pegida-Seite dann: "Danke, Köszönöm Herr Viktor Orbán!"

Das Posting bekam über 600 Likes und wurde über 200 Mal geteilt. Zum Verständnis: Hier wird die Ideologie eines Mannes weiterverbreitet, mit dem die wenigsten Deutschen weder in der Vergangenheit zu tun hatten, noch in der Zukunft zu tun haben werden. Nicht politisch, nicht persönlich. Ungeachtet der völlig unterschiedlichen Umstände, mit denen das Land Ungarn im Vergleich zu Deutschland konfrontiert ist, wird hier ein einzelner Mann zum Superstar erklärt.

Der Hass bleibt nicht nur im Netz

Als wäre das noch nicht erschreckend genug: Scrollt man bei Neurechtewelt bis zum Startzeitpunkt des Projekts im Dezember zurück und betrachtet die Postings bei Pegida und AfD dazu, stellt man fest, dass nicht ein einziger davon sich mit konkreten Vorschlägen zur Verbesserung dieser fatalen Situation beschäftigt, die von der neurechten Welt heraufbeschwört wird. Als läge niemandem etwas daran, aus den Sorgen auszubrechen, sondern sie auch noch zu bekräftigen.

Um die Illusion zu nehmen, das spiele sich doch alles ohnehin nur online ab: Solche virtuellen Hypes schlagen um, ins reale Leben. Bei aktuellen Demonstrationen der Pegida sind oft Schilder wie "Suche Orbán, biete Merkel" zu lesen. Wie solche Hassmauern enden können, ist an diesem Video der SZ Online von vergangener Woche aus Dresden zu sehen: Eine Demonstrantin, die gegen eine Installation vor der Frauenkirche auf die Straße ging, ist so wütend und befangen, dass es ein normales Gespräch unmöglich macht. Sie ist nicht mehr in der Lage, ihre grundlegenden Probleme zu benennen, so nachvollziehbar diese auch sein mögen. Stattdessen stilisiert sie drei senkrechte Busse als Symbol für alles, das in ihrem Deutschland falsch läuft. Das ist doppelt absurd, geht es hier doch lediglich um ein temporäres Denkmal für die Opfer eines Bürgerkrieges, nicht etwa um ihre Existenz.

Was sagt uns das?

Ausländische Medien, etwa aus den USA und Österreich, haben sich ebenfalls – aus gegebenen politischen Gründen – mit dem Problem der Filterblasen beschäftigt: Während die Nachrichtenfeeds amerikanischer Facebook-User sich während des Wahlkampfes eklatant unterschieden, je nachdem, ob sie liberale oder konservative Seiten abonnierten, bekamen auch österreichische User bei der Wahl je nach politischer Präferenz unterschiedliche Nachrichten angezeigt. Der Newsfeed werde immer stärker personalisiert und anhand der Präferenzen der Nutzer*innen bespielt, schreibt der Standard. Abweichende Meinungen? Verschwänden sukzessiv. So erklärt sich womöglich auch, wieso der wohl größte Teil der Menschen so felsenfest davon überzeugt war, dass Trump sicher nicht der US-Präsident werde: Wir haben nicht das ganze Bild betrachtet, sondern nur einen Ausschnitt davon.

Es verhält sich mit den Filterblasen ein bisschen so wie mit dem Freundeskreis realen Leben: Man umgibt sich am liebsten mit den Menschen, die ähnliche Einstellungen haben. So entsteht eine eigene Realität, weil Menschen anderer Lebenswelten langsam aus dem Wahrnehmungsfeld verschwinden. Wer schon einmal einen anderen Freundeskreis als den eigenen beobachtete und verglich, wird festgestellt haben, wie anders deren Dynamiken wirken.

Und auf Facebook machen wir im Grunde genommen ja nichts anderes: Wir nehmen nur die Freundschaftsanfragen von Menschen an, von denen wir wissen, sie entsprechen etwa unserem Weltbild. Im Mai 2011 etwa stellte der Autor Eli Pariser in einem Beitrag für Ted die These auf, dass die Prinzipien, die sozialen Netzwerken zugrunde liegen, die Entstehung von Filterblasen fördern.

Eine Studie von Facebook bestätigte 2015 bereits, dass der hauseigene Algorithmus Nutzer*innen vor allem jene Nachrichten präsentiert, die zu ihrer politischen Einstellung passen. Aber: Diese Filterbubble ist grundsätzlich selbstgemacht. Zusätzlich habe die Studie gezeigt, dass die Größe und Zusammensetzung des Freundeskreises auf Facebook der wichtigste Faktor bezüglich der Breite an Meinungen sei, die Facebook-Nutzer*innen zu sehen bekämen.

Was können wir tun?

Um zu verhindern, dass unsere eigene Realitätswahrnehmung verschwimmt, könnten wir zum Beispiel Seiten wie AfD und Pegida gezielt besuchen – um beobachten zu können, was dort besprochen wird und um den Sog der Filterblase auf uns selbst zu brechen. Aber auch in unserem Freundeskreis sollten wir mehr darüber sprechen, wie mächtig die Bubble ist. Um uns daran zu erinnern, dass auch wir selbst nicht davor gefeit sind, ihr zu verfallen. Damit tun wir nicht nur uns einen Dienst: Im September ist in Deutschland Bundestagswahl. Und es wäre töricht, zu glauben, das Problem löse sich von allein.

Sich nicht mehr vor Streits über Politik zu drücken, ist eine weitere Möglichkeit. Gerade dann, wenn uns die Einstellung eines Mitmenschen besonders fremd erscheint, ist sie es wert, diskutiert zu werden. Die Lage ist ernster als viele annehmen dürften. Es gilt also, über den eigenen Schatten zu springen und zu versuchen, wieder mehr und ordentlich von Angesicht zu Angesicht miteinander streiten.

Aber auch das muss gesagt werden: Bei Fremden ist mit einem offenen Gespräch oft nicht viel zu retten, wie das Beispiel mit der wütenden Frau aus Dresden zeigt. Aber wir können Verantwortung für unser Umfeld übernehmen. "Der einzige Ort, an dem aufrichtige Diskussionen noch stattfinden können, ist tatsächlich die Familie", sagte mir eine Bekannte kürzlich. Da ist etwas Wahres dran: Weil dort mitunter Generationen und Meinungen ganz ohne Filterblase aufeinander treffen. Und man muss darüber sprechen, wenn man nicht will, dass der Zusammenhalt in der Familie bricht. Vielleicht sollten wir uns also zurückbesinnen und dort anfangen, wenn wir wollen, dass sich etwas ändert.