Mein letzter Urlaub war fantastisch. Viel Sonne, viel lesen, langsam atmen. Den Tagesrhythmus konnte ich selbst bestimmen, den Alltag habe ich kurzerhand unters Handtuch gekehrt. Es fühlte sich an, als würde ich Kraft für das ganze Leben tanken. Nach zwei Wochen komme ich wieder nach Hause – und fühle mich schlagartig unglaublich leer.

Kaum durch die Tür, weiß ich nicht mehr, wohin mit mir. Ich räume pedantisch die Tasche aus, stelle die Waschmaschine an und frage mich: und jetzt? Meine eigentlich schöne Wohnung kommt mir beklemmend vor. All die unerledigten Dinge, ein Sack mit Altkleidern, ein noch nicht versendetes Paket, stechen mir stärker als sonst ins Auge. Aua. Meinen Freund scheint nichts zu quälen, er fläzt sich sogleich aufs Sofa und lässt sich von dort nicht mehr wegbewegen. Ich hingegen rase von einem Zimmer ins nächste und suche. Nach was eigentlich?

Fremdeln mit dem eigenen Zuhause

Dieses Gefühl, sich nicht auf die Normalität einlassen zu wollen, kommt bei mir nach fast allen und auch viel kürzeren Urlauben. Heimkommen heißt erst mal Fremdeln. Was soll das eigentlich, frage ich mich erbost. Und dann zur Sicherheit noch mal mit Herbert-Grönemeyer-Stimme: "Ey, was soll das?" Mir kommt es paradox vor, nach so einer schönen Zeit schlecht drauf zu sein.

Je schöner und länger die Pause war, desto schwieriger gestaltet sich dann die Rückkehr."

So paradox, dass ich kurzerhand das Internet um Rat frage. Geht es nur mir so? Ergebnis: Das Stimmungstief nach dem Urlaub ist tatsächlich nichts Ungewöhnliches. Die Wissenschaft hat sogar ein Wort dafür: Das Post-Holiday-Syndrom bezeichnet den Blues, der die ersten Tage nach der Rückkehr prägen kann. Etwa jede*r dritte Deutsche kennt dieses Stimmungstief, wie das Reiseportal Momondo in einer Umfrage herausfand. In der Regel dauert es ein bis drei Tage, bis Kopf und Geist nach einer Auszeit wieder im Alltag angekommen sind. Je schöner und länger die Pause war, desto schwieriger gestaltet sich dann die Rückkehr. Manchmal setzt die schlechte Stimmung sogar schon zwei Tage vor dem Urlaubsende ein. Und sie ist umso intensiver, je mehr Stress die vormals Urlaubenden am Arbeitsplatz erwartet, hat der niederländische Tourismusforscher Jeroen Nawijn herausgefunden.

Hilfreiche Tipps gegen das Post-Holiday-Syndrom? Fehlanzeige!

Ein bis drei Tage kann das Tief anhalten? So lange kann ich nicht warten. Ich will meinen Kopf sofort wieder haben. Im Internet finden sich eine Reihe guter Tipps, wie der Alltagsverstörte wieder klarkommen kann. Die meisten lassen sich spontan aber nur bei besonders kulanten Vorgesetzten anwenden (erst am Mittwoch wieder ins Büro gehen) oder wirken mehr gewollt als gekonnt wie dieser: "Cremen Sie sich mit After-Sun-Lotion ein und tragen Sie Sonnenbrille (zumindest auf dem Weg zur Arbeit). So retten Sie die Erholung in den Alltag."

Das ist in diesem Moment nicht wirklich hilfreich, in mir herrscht immer noch Rastlosigkeit. Warum muss man eigentlich immer dem nachhängen, was man nicht hat? Kann ich mich nicht einfach kurz entspannen und mich langsam akklimatisieren? Anscheinend dauert es genauso lange aus einem Urlaub herauszufinden, wie in ihn hineinzukommen.

Mir toben zwei Wochen neuer Eindrücke im Kopf herum und meine Wohnung guckt mich an wie eh und je."

Nachdem die Waschmaschine gemächlich vor sich hinrattert, die Koffer ausgepackt und wieder an ihrem ursprünglichen Platz stehen, setze ich mich ebenfalls aufs Sofa. Aber es hilft nichts. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, weder auf ein Buch noch auf die nächste Urlaubsplanung – auch ein heißer Tipp aus dem Internet. Um nicht völlig in der Tatenlosigkeit zu versinken, ziehe ich mir kurzerhand meine Laufschuhe an. Bewegung hilft bekanntlich bei so vielem.

Ankommen kann man nicht erzwingen, es passiert einfach

Zuerst noch etwas skeptisch, renne ich schließlich durch die halbe Stadt. Vorbei an Partyhasen, Picknicks und Pärchen, vorbei an ausufernden Baustellen, Vermietungen für Schwantretboote und Spätis mit schlechten Logos. Mit jedem Schritt schiebt sich ein Bild des Jetzt über einen Moment aus dem Urlaub.

Mit jedem Schritt komme ich näher an das Gefühl, das sich erst nicht richtig einstellen wollte: nach Hause kommen. Der Asphalt fühlt sich vertraut an, die Spree fließt noch, irgendwo in der Ferne winkt der Fernsehturm. Im Licht der Abendsonne glitzern sogar die hässlichsten Ecken bezaubernd und die Atmosphäre nimmt mich sanft in Empfang.

Mein Zuhause zeigt sich von seiner einladendsten Seite und ich kann nicht widerstehen. Langsam verwandelt sich der Urlaub von einer großen Sehnsucht in eine schöne Erinnerung und ich komme an. Ohne es wirklich zu merken, verzieht sich das Stimmungstief. Wahrscheinlich in den Süden.