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Wovor hast du Angst? Diese Frage thront über allen Werken von Stephen King, aber gerade Es durchzieht sie wie ein Spinnennetz. Der 1.500 Seiten dicke Roman von 1986 ist so etwas wie ein 1980er-Horror-Best-of. Brutale Werwölfe? Check. Triefende Zombies? Check. Grässliche Spinnen? Aber klar. King schafft es, eine Kosmologie kindlicher Ängste aufzuspannen, die selbst Erwachsene erstarren lässt. Ob im Buchladen, in der Videothek oder eben jetzt wieder auf der großen Leinwand.

Eigentlich verläuft die Handlung im Roman auf zwei Zeitebenen. Noch bevor wir überhaupt mitbekommen, wie Pennywise, der tanzende Clown, eine Kindergruppe terrorisiert, lernen wir sechs traumatisierte Erwachsene kennen. Richie zum Beispiel ist ein erfolgreicher Comedian, Beverley befindet sich in einer missbräuchlichen Beziehung, Bill ist erfolgreicher Schriftsteller. Sie alle werden irgendwann von ihrem alten Schulfreund Mike angerufen. Das uralte Böse, das sich immer als genau das manifestiert, wovor sein*e Betrachter*in die größte Angst hat, ist zurück in der Kleinstadt Derry – und mordet.

King erzählt im Buch parallel, wie sich die Protagonist*innen sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter Pennywise stellen. Er schafft es damit, erwachsene Leser*innen an die Ängste ihrer Kindheit zu erinnern und Kindern die Sicherheit zu nehmen, dass diese Ängste jemals verschwinden werden. Meisterhaft fließt bei King diese Abfolge von Urängsten, Schuld und Wiederkehr des Grauens. Die Neuverfilmung begeht leider einen fatalen Fehler: Sie handelt das nacheinander ab.

Es: Kapitel 2 kopiert zu viel vom ersten Teil

So erleben wir im ersten Film noch ganz gemächlich, wie sich der reinliche Junge Eddie von seiner übervorsichtigen Mutter terrorisieren lässt und die Außenseiterin Beverly von ihrem Vater missbraucht wird. Diese Momente dienten der Charakterisierung dieser Kinder und ihrer Ängste – allerdings gab es insgesamt eher zu wenige dieser charakterisierenden Momente, was den ersten Teil blass aussehen ließ.

Dass diese Personen im zweiten Teil eins zu eins nochmal an die Orte dieses Grauens zurückmüssen und durch sehr ähnliche Erfahrungen gehen, ist das große Problem der Es-Fortsetzung. Im Buch ergibt die parallele Erzählung eine komplexe Charakterstudie. Im Kino hat man das Gefühl, wie bei Der großen 80er-Show mit Olli Geissen nochmal eine Hitparade der besten Szenen des ersten Teils zu sehen. Eine Hitparade, die sich auf 169 quälende Minuten erstreckt.

Ein weiteres großes Problem sind die Horrosequenzen, die alle gleich ablaufen. Seltsamer Ort, etwas liegt im Schatten, plötzliches Anschwellen der zittrigen Geigen, JUMPSCARE! Und wieder von vorn. Wer noch nie einen Horrfilm gesehen hat, mag dem etwas abgewinnen können. Aber Regisseur Andy Muschiettis heftiger Fokus auf Computereffekte nimmt dem Es-Grusel etwas, was auch den Dialogen fehlt: Glaubwürdigkeit.

Dieser Film unterlegt jeden Satz mit pathetischer Musik und unnötigen Schnitten, was den Eindruck erweckt, dass die fünf Protagonist*innen nur so tun, als würden sie sich streiten, nur so tun, als würden sie sich fürchten, nur so tun, als wären sie die ältere Version der Kinder aus Teil eins. Der grandiose Cast des ersten Es-Kapitels feiert hier übrigens kurz sein Comeback und zeigt bittersüß auf, was den Erwachsenen an Menschlichkeit fehlt.

Es: Kapitel 2 ist trotz der originären Buchvorlage wegen der faulen Art des Filmemachens zu einem der langweiligsten Filme des bisherigen Jahres verkommen. Stephen Kings Es stellt eigentlich die Frage, ob wir den Horror unserer Kindheit jemals überwinden können oder es sich nur so anfühlt, als ob. Nach Es: Kapitel 2 fragt man sich, ob man wirklich einen Horrorfilm gesehen hat oder es sich nur so anfühlt, als ob.