Die Stadt pulsiert wie ein gigantisches Betonherz, das Menschen im rhythmischen Fünf-Minuten-Takt aus den U-Bahn-Schächten hinaus in die Straßen pumpt. Neonblinkende Spätis, der beißende Geruch von Pisse, Falafel für 1,50 Euro, das Knallen von Taxitüren, openminded Kelsey-from-New-Jersey, – Ham'se vielleicht 'ne Kleinigkeit für...? – , süßliche Shishawolken in Straßen gesäumt mit den Stummeln selbstgedrehter Zigaretten, Sonnenblumenkernhülsen und Hundescheiße. Wir sind in Berlin. Es ist Tanzstunde. Es ist Zeit für Konsum, Exzess, Hirn aus, dunkle, heiße Clubs mit Strobolicht und energetischer, ohrenbetäubender, hypnotisierender Musik.

Zwischen dir und dem Exzess liegen: Eine etwa zweistündige Schlange und zwei Menschen, Paulus und Petrus gleich, die vor dem Eintritt durch die heil'gen Pforten noch eine mündliche Prüfung mit dir abhalten möchten. Die in schwarz gekleideten Wächter*innen der Elektrotempel klopfen mit durchschnittlich vier Fragen die Persönlichkeit des Gastes in spe auf ihre Clubtauglichkeit ab. Abgekämpft nach zwei Stunden stumpfer Rumsteherei lauten die ersten Worte, mit denen du empfangen wirst:

1. "Sooo hallöchen, sprecht'a Deutsch?"

Aufgeregt wie zuletzt in der mündlichen Englischabschlussprüfung zuckt es dir durch den Kopf: ICH WEISS DIE ANTWORT AUF DIESE FRAGE ... Oder ist es ne Fangfrage? Arr ... "Jaa?", antwortest du vorsichtig.

Der*die Fragende nickt, du scheinst es nicht direkt versaut zu haben. Du wirst gemustert. Deine Hautfarbe variiert zum Glück nicht erheblich zu dem, was man unter dem Label Weiß versteht. Klar, in Berlin ist man tolerant, offen, hat No-Racism-Sticker auf dem 1.000 Euro teuren Macbook kleben, aber feiern tut man dann doch lieber mit anderen Angehörigen der Kategorie Weiß.

Genauso unwillkommen wie Menschen anderer Hautfarbe sind Tourist*innen – die Gentrifizierer*innen, die die Mieten in die Höhe treiben und höchstpersönlich verantwortlich sind für das Clubsterben. Gut, dafür müsste man eher eine verfehlte Politik verantwortlich machen, aber da die weniger greifbar ist, ist man halt stattdessen assi zu openminded Backpacker*innen, die sich mit ihrem Lonely Planet bewaffnet auf die hoffnungslose Suche nach einem Funken Originalität durch die Stadt graben.

2. "Wie viele seid'a denn?"

Schallt es dir nun entgegen. Auf diese Frage bist du vorbereitet. Du atmest tief durch und versuchst dir deine Lüge nicht anmerken zu lassen. Denn ihr seid hier eigentlich für Karstens Junggesellenabschied oder auf einen Absacker nach der Firmenweihnachtsfeier, habt euch aber wohlweislich in gemischtgeschlechtliche Zweierpärchen aufgeteilt.

3. "Mhmmm. Wart'a schon ma da?"

Jetzt geht es an die eingemachten Fragen. Der*die Türsteher*in mustert noch mal eingehend euer Outfit. Die einzig richtige Antwort ist hier ein selbstbewusstes Ja. Am besten gewürzt mit einer Prise Empörung darüber, dass du nicht wiedererkannt wurdest, du bist ja quasi jedes Wochenende hier. (Nicht. Jedes Wochenende für die Musik von irgendeinem Techno-Otto zwei Stunden anstehen, als ob du blöd wärst.)

Geprüft wird an dieser Stelle, ob du auch zu der eingeschworenen Gruppe der Dauerdruffis gehörst. Wie Katharina und Valentin. Katharina und Valentin sind entweder bei einem Versicherungs-Start-up angestellt oder studieren Kunstgeschichte, weil es mit der Kunsthochschule nicht geklappt hat. Um ihre eigene Durchschnittlichkeit wettzumachen, hüpfen sie am Ende der Woche in ein schmuckes Lederoutfit oder schmieren sich Glitzer ins Gesicht und gehen dann ballern. Channel deine inneren Katharina und Valentin!

4. "Wisst'a ooch wer heut' auflegt?"

Die ehrliche Antwort wäre: "Irgend ein Otto, der denkt, sein bisschen Nznznz wär der krasseste Scheiß?" Die ehrliche Antwort würde allerdings dazu führen, dass du weitere zwei Stunden vor irgendeinem anderen Club anstehen darfst.

Nach diesem gefühlt stundenlang andauernden Kreuzverhör, bei dem sich die Halbgött*innen in Schwarz an ihrer eigenen Autorität und vermeintlich alternativen Mainstreamhaftigkeit aufgeilen, wirst du dann zur Kasse weitergewunken – wo du die Ehre hast, zwanzig Euro für irgendwas auszugeben. Yay.