Der Vorsitzende der Essener Tafel, Jörg Sartor hatte vergangene Woche verkündet, dass sein Verein nur noch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft aufnimmt. Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung sagte Sartor: "Wir wollen, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt."

Der Anteil von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, welche die Hilfe der Tafel in Essen in Anspruch nehme, liege angeblich bei 75 Prozent. Seit dem 10. Januar vergibt die Essener Tafel Kundenkarten nur noch unter Vorlage eines deutschen Ausweisdokuments.

Der Beschluss der Essener Tafel löste eine Debatte über die Überlastung von ehrenamtlichen Helfer*innen und Vereinen sowie über Armut in Deutschland aus. Die Entscheidung stellte auch die Frage in den Raum, ob ein Verein überhaupt so verfahren darf, obwohl der Beschluss Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert und benachteiligt.

Juristisch gesehen darf die Essener Tafel so vorgehen

"Wir halten es grundsätzlich für fragwürdig, Menschen wegen ihres Flüchtlingsstatus' pauschal von der Vergabe von Lebensmitteln auszuschließen – auch wenn es sich im rein juristischen Sinne hier nicht um einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handelt", sagt ein Sprecher der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes zu ze.tt. "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft (…) zu verhindern oder zu beseitigen", heißt es im Gesetzestext.

Der Sprecher erklärt, das Benachteiligungsverbot sei hier aber nicht anwendbar, weil es sich bei der Ausgabe von Lebensmitteln nicht um ein Schuldverhältnis nach Artikel 19 Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz handele. Dieses sogenannte Schuldverhältnis trifft nicht auf Spenden zu.

Dieser Einschätzung stimmt auch Vera Egenberger, die ehrenamtliche Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung, zu. Sie erklärt: "Die Einschätzung der ADS ist durchaus richtig. Wir bewegen uns auf zwei Ebenen. Die erste: Ist das Verhalten der Essener Tafel moralisch gerechtfertigt? Die zweite: Ist das Verhalten im Sinne des AGG eine Diskriminierung?"

Die Entscheidung der Tafel wird von vielen Seiten scharf kritisiert

Der Chef der Tafeln Niedersachsen und Bremen, Manfred Jabs, bewertet den Beschluss der Essener Kolleg*innen als klaren Fall von Diskriminierung: "Man diskriminiert ja eine Gruppe. Das widerspricht eigentlich den Grundsätzen der Tafeln. Da muss man andere Wege finden."

Sawsan Chebli, Staatssekretärin und ehemalige stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes schrieb am Tag des Essener Beschlusses auf Twitter:

Man sollte nicht solche Kategorisierungen vornehmen" - Angela Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich persönlich zum Vorgehen der Essener Tafel. In einem Interview mit dem Fernsehsender RTL sagte sie auf die Frage, ob es in Ordnung sei, bei der Vergabe von Spenden zwischen deutschen Staatsbürger*innen und Menschen mit Staatsbürgerschaft anderer Länder zu unterscheiden: "Man sollte nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut."

Essener Tafel lädt zur Krisensitzung ein

Auch der Bundesverband der Tafeln hatte die Entscheidung der Essener Tafel kritisiert. Der Essener Verein lädt am Dienstag zu einer Krisensitzung. Vorsitzender Sartor wollte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur nicht zu den Inhalten der Sitzung äußern. Es wird allerdings vermutet, dass alternative Lösungsvorschläge für die Überbelastung der Tafel gefunden werden sollen.

Dass die Entscheidung der Essener Tafel von vielen Seiten so heftig kritisiert wurde, hat möglicherweise für ein Umdenken bei den Tafelbetreibern gesorgt. Vielleicht lässt sich ja für die Zukunft eine Lösung finden, die auch moralisch vertretbar ist.