Berge von Abfall, kein Strom und viel zu wenig Platz: Die Lebensumstände in den Geflüchtetenlagern auf den griechischen Inseln sind unzumutbar, mental wie körperlich. Welcher Gefahr die Menschen dort auf engsten Raum ausgesetzt sind, verdeutlichte ein Brand am vergangenen Montag im Camp Moria: Ein sechsjähriges Mädchen kam dabei ums Leben.

Gemäß der Zahlen der EU-Kommission befinden sich auf den griechischen Ägäisinseln derzeit über 42.000 Menschen in Camps für Geflüchtete. Dabei sind diese Stätten für höchstens 6.000 Menschen ausgelegt.

Vergangene Woche gab die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in Athen bekannt: Deutschland, Frankreich, Irland, Portugal, Luxemburg und Kroatien schließen sich zu einer sogenannten "Koalition der Willigen" zusammen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, habe auch Bulgarien Bereitschaft signalisiert. Ebenso Italien, sofern sich die aktuelle Lage aufgrund des Coronavirus wieder entspanne. Gemeinsam will die Koalition bis zu 1.600 besonders schutzbedürftige Kinder aufnehmen.

Die Bundesregierung berücksichtigt im Auswahlverfahren für die Aufnahme schwer kranke Kinder und unbegleitete Minderjährige, vor allem Mädchen unter 14 Jahren. UN-Organisationen wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) und der Hochkommissar für Vereinte Nationen für Geflüchtete (UNHCR) sollen dabei eingebunden werden.

Noch kein genauer Umsetzungsplan

Genauere Angaben machte das Bundesinnenministerium auf Nachfrage von ze.tt keine. So wurde unter anderem nicht auf die Fragen eingegangen, ob die Kinder nach ihrer medizinischen Versorgung in Deutschland bleiben können oder mit welcher Begründung die Kriterien "jünger als 14" sowie "meistens Mädchen" festgelegt wurden. Die Europäische Kommission führe Gespräche zu diesem Thema, teilte ein Sprecher mit.

Weiter hieß es, dass noch nicht feststehe, wie die Kinder auf die verschiedenen Länder aufgeteilt werden sollen. Auch sei momentan noch nicht geklärt, wie die Übernahme in Anbetracht der aktuellen Lage aufgrund der Corona-Pandemie stattfinden könne.

Lange Perspektivlosigkeit birgt gravierende Folgen für Kinder

Wie müsste gehandelt werden? Das Kinderhilfswerk Unicef sagt, dass die Kinder sehr bald aus der akuten Gefahr herausgeholt werden müssten – von den Inseln auf das Festland, damit zumindest die Versorgung mit dem Notwendigsten, wie fließendem Wasser, gewährleistet sei. Anschließend sollte eine schnelle Verteilung auf die EU-Mitgliedsstaaten erfolgen.

"Kein Kind soll mehr in den Lagern in Griechenland sterben. Sie sind vor Konflikten, Gewalt und Katastrophen geflohen und brauchen nun Tagesstruktur, gesundheitliche und psychosoziale Unterstützung. Sie verdienen Perspektiven und müssen sich endlich von den Gefahren erholen können", sagte eine Sprecherin gegenüber ze.tt. "Zeit hat für Kinder eine ganz andere Dimension, als für Erwachsene. Die lange Zeit der Perspektivlosigkeit hat gravierende Folgen für sie. Es muss jetzt gehandelt werden."

Kinder dürfen nicht von ihren Eltern getrennt werden

Unicefs bisherigen Informationen zufolge würden die aufgenommenen Geflüchteten den Geflüchtetenstatus erhalten und könnten in Deutschland bleiben. Auch dürften die Eltern und Geschwister der Kinder mitreisen. "Alle Mitgliedsstaaten sind an internationales und EU-Recht gebunden. Die UN-Kinderrechtskonvention gibt vor, dass die Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden dürfen", so die Sprecherin des Hilfswerks.

Wichtig sei außerdem, unbegleitete Kinder bei der Suche nach ihren Eltern zu unterstützen. In der Regel gehöre das zum Standardverfahren, das beispielsweise mit dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-Suchdienst) eingeleitet wird. Waisen werden im besten Falle auf EU-Staaten verteilt, wo sie auch Angehörige haben. Idealerweise würde schon während des Aufenthaltes in Griechenland nach den Familienmitgliedern gesucht.

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