Es ist fünf Uhr morgens in einem Berliner Club. Der Bass wummert so laut, dass mein gesamtes Skelett vibriert und meine Ohren schmerzen. Ich gehe jedoch nicht auf einen anderen Floor mit entspannterer Musik, denn ich bin hundemüde, und die hämmernde Technomusik hält mich wach.

Meine Wach-bassen-Technik funktioniert auch recht gut. Meine Augen fallen zwar manchmal zu und meine Bewegungen sind kraftloser als zuvor, aber ich tanze noch. Entspannt lausche ich der Musik, lasse sie auf mich niederprasseln. Es ist purer Genuss. Ich befinde mich in diesem angenehmen Wachtraumzustand und sauge die Atmosphäre in dem mit Lichtblitzen durchzuckten kellerartigen Raum in mich auf.

Nach dem Spruch habe ich keine Lust mehr auf die Party

Plötzlich reißt mich ein kräftiges Tippen, nein, Patschen an meiner Schulter aus meiner Trance. "Ey, bisschen mehr Begeisterung, Spaß haben, tanzen!", brüllt mir eine aufgekratzte junge Frau entgegen und zeigt mir auch gleich, wie Tanzen richtig geht.

Schlagartig geht mein Puls in die Höhe, ich werfe der manisch Zappelnden einen Todesblick zu und verziehe mich. Entspanntes Weitertanzen ist jetzt nicht mehr möglich. Auf dem Nachhauseweg ärgere ich mich über den blöden Ausgang. Muss es denn immer der totale Exzess sein? Honigkuchenpferdgrinsen, schweißnasse Klamotten und exzentrischer Tanzstil?

Eine andere Nacht, ähnliches Szenario. Die Nacht ist schon weit fortgeschritten und meine Kraftreserven lassen nach. Entspannt wippe ich hin und her und habe die Augen auf die DJ gerichtet. Auf ihren Auftritt habe ich die vergangenen Stunden gewartet und lausche glücklich den bekannten Klängen. Anscheinend sehe ich aber nicht so aus. Ein junger Mann parkt seine schwitzige Hand auf meiner Schulter und schreit mir mit Alkoholatem entgegen: "Lach doch mal, bisschen mehr Spaß haben!"

Ich starre ihn ein paar Sekunden an, fassungslos, dass mir das schon wieder passiert, und verdrehe die Augen so weit nach hinten, dass es fast wehtut. Ich bleibe aus Protest noch eine Weile, halte es irgendwann aber nicht mehr aus, weil ich mich vor Ärger nicht mehr auf die Musik konzentrieren kann.

Vom Lehrer gemaßregelt

Meine Erfahrungen beziehen sich hauptsächlich auf durchzechte Nächte. Eine Kollegin jedoch erzählt mir, dass sie sogar einmal gefeuert wurde, weil sie laut Arbeitgeber angeblich wie eine Eissäule hinter der Theke stünde und beim Kaffee zubereiten nicht oft genug lächelte. Eine andere wurde zu Schulzeiten regelmäßig von einem Lehrer vor der ganzen Klasse darauf aufmerksam gemacht, dass sie immer so böse gucke.

Was veranlasst diese Menschen dazu, anderen sagen zu müssen, dass sie mehr aussehen sollen, als hätten sie die geilste, schönste, fröhlichste Zeit ihres Lebens? Muss ich mein Innerstes wirklich immer auch für alle sichtbar nach außen tragen? Gerade bei elektronischer Musik tanzt jede*r für sich, das Gesicht zum*r DJ. Meines muss also eigentlich niemand ansehen. Man müsste mich schon extra beobachten, um sich von meinem nicht lächelnden Gesicht stimmungsmäßig runterziehen zu lassen.

Ja, sicher, sie meinen es doch nur gut. Sie wollen mich animieren, mich an ihrem Spaß teilhaben lassen. Das müssen sie aber gar nicht. Denn, Überraschung, jede*r hat eine eigene Art, wie sich Freude und Spaß bei ihnen äußern. Auch wer nicht lächelt, kann gerade fröhlich sein. Auch wer dezent tanzt, kann dabei Spaß haben. Und wenn diese Person ein*e Fremde*r ist – lasst sie einfach in Ruhe. Freund*innen auf deren Schnute aufmerksam machen, ist wiederum eine andere Sache.

Offenbar sehe ich nicht immer nach fun, fun, fun aus, selbst wenn ich ihn habe. Wem das nicht passt, nun ja, was soll ich sagen: Ich bin nicht da, um schön anzusehen zu sein.