Liebe Festivalbetreibende,

viel Bewegung, Hitze und Alkohol. Die perfekte Dreierkombi für eine Dehydrierung des Körpers. Und alle drei dieser Faktoren sind auf euren Festivals hier in Deutschland Programm.

Gerade ihr, die Verantwortlichen großer Festivals, ihr wisst das ganz genau.

Was bei den meisten von euch aber immer noch nicht Programm ist: ausreichend kostenfreies Trinkwasser, und zwar flächendeckend. Leute, das muss sich ändern.

Ihr seid in der Pflicht

Wir lieben euch dafür, dass ihr uns jedes Jahr ermöglicht, tagelang zu eskalieren, zu feiern, unsere Lieblingsbands und -künstler*innen zu sehen. Wirklich, das tun wir. Und auch wenn viele euch für die Ticketpreise kritisieren mögen – wer aufrechnet, wie viele Musiker*innen man für das Geld zu sehen bekommt, muss einsehen, dass das unterm Strich immer noch ein guter Deal ist.

Aber: Nichts ist ungeiler, als auf einem Festivalgelände umzukippen, wenn man weit über 100 Euro für das Wochenende geblecht hat. Oder sich mit Übelkeit und Kreislaufproblemen auf den Campingplatz verziehen zu müssen. Das passiert viel zu häufig. Und das wisst ihr, liebe Betreiber*innen, ihr bekommt schließlich die Berichte aus den Sani-Zelten. 2016 waren auf dem Hurricane allein am ersten Festivaltag 30 Prozent der Rettungseinsätze der Hitze geschuldet.

Ihr kennt auch die Gründe. Die Menschen verausgaben sich, sind wild, sie nehmen Drogen und saufen, sind mehrere Tage draußen. Bei Elektro- und Techno-Festivals tanzen manche stundenlang durch. Dazu ballert die Sonne und die Menschen trinken schlicht zu wenig Wasser. Nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil ihnen die Möglichkeiten dazu fehlen.

Gerade bei euch, bei den großen Festivals in Deutschland, müssen wir Besucher*innen entweder das Konzertgelände verlassen oder weit gehen, bis wir mal einen Wasserhahn oder -tank finden – oder uns an einem der Stände völlig überteuert Sprudel kaufen. Drei Euro plus Pfand für einen 0,4-Becher sind gängig. Dafür hat auf einem Festival niemand Nerven und Energie, aber vor allem nicht das Geld.

Kommt bitte nicht mit dem Argument, man dürfe ja ein 0,5-Liter-Tetrapack mit aufs Gelände nehmen – ihr wisst, wie schnell so ein Ding bei 30 Grad inhaliert ist. Und bei Rock am Ring und Rock im Park hat sich das nach dem Anschlag auf Manchester jetzt ja erledigt. Als Reaktion darauf wird allen Festivalbesucher*innen untersagt, Behältnisse aller Art auf das Festivalgelände mitzunehmen.

Wer jetzt sagt, alle seien doch für ihr eigenes körperliches Wohl verantwortlich, liegt falsch. Nein: Wenn ihr Festivalbetreibende Zehntausende Menschen unter freiem Himmel zusammenscharrt, habt ihr dafür zu sorgen, dass das Gefahrenrisiko möglichst gering ist. Dazu gehört nicht nur das Glasflaschenverbot, der Jugendschutz, dass ihr extrem strenge Einlasskontrollen durchführen lasst oder unzählige Zivis nach Gras fahnden, sondern auch, dass ihr das Thema Dehydrierung ernst nehmt und in den Griff bekommt.

Warum ist ausreichend freies Trinkwasser nicht längst Standard?

Ganz einfache Frage: Was hindert euch daran, bei allen Sanitäranlagen auf dem Gelände Gratis-Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, standardmäßig, grundsätzlich, immer und jedes Jahr? So könnten alle, die aufs Klo gehen, direkt ein bisschen Flüssigkeit tanken, so könnte sich das als Normalität kultivieren.

Eure Möglichkeiten sind vielfältig: Ihr könntet zwischen den Wellenbrechern auf dem Konzertgelände ein paar Wasserhähne installieren. Ihr könntet ab und an Wasser von der Bühne aus in die Menge spritzen. Ihr könntet dort auch Trinksäcke mit Trageschlaufe verteilen, die sich diejenigen auffüllen können, die lange vor der Bühne bleiben wollen. Wieso behandelt ihr das Thema so stiefmütterlich?

Falls ihr das alles aus Kostengründen nicht macht, was ja naheliegt: Hier geht's doch wirklich nicht um Geld. Im Gegenteil: Ihr spart euch den Stress, den ihr habt, wenn die Sanis bei 36 Grad Alarm schlagen und ihr die Feuerwehr darum bitten müsst, Schläuche für Wasserduschen an den Durchgangswegen zu legen (wie 2015 bei Rock im Park geschehen).

Um zu verdeutlichen, wie rückständig wir in der Hinsicht ticken, reicht ein Blick in die Niederlande: Dort müssen Festivalbetreibende in Amsterdam seit 2014 per Gesetz Gratis-Wasser anbieten. Einfach so. "Wir reden hier über Festivalgänger, die in geschlossenen Bereichen den großen Belastungen der Sonne ausgesetzt sind", sagte das Regierungsmitglied Daniel van der Ree damals. So sollen die Feiernden geschützt werden und Dehydrierung oder Erschöpfungserscheinungen vorgebeugt werden. In Deutschland gibt es vergleichbares nicht.

Aber benötigen wir dafür ernsthaft ein Gesetz? Reicht uns dafür nicht der gesunde Menschenverstand? Verantwortung für Zehntausende Menschen übernehmen, die sich auf dem Gelände befinden? Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Ein paar der großen Festivals scheinen bereits auf den Trichter gekommen zu sein: So versprechen die Betreibende von With Full Force nach ihrem Umzug von Roitzschjora auf das Ferropolis-Gelände in diesem Jahr "eine durchgängig gesicherte Wasserversorgung". Auf den Fusion-Dancefloors gibt es Wasserbars, die kostenfrei Trinkwasser ausgeben. Auch die Verantwortlichen von Rock am Ring und Rock im Park kündigten nun an, auf dem Konzertgelände ausreichend Wasserstellen einzurichten, um das Tetrapack-Verbot auszugleichen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es wäre schön, wenn es dazu nicht erst einen Terroranschlag gebraucht hätte.

Hoffentlich bleibt das dort in den kommenden Jahren die Regel – und hoffentlich ziehen alle anderen nach. Keine Angst, ihr Betreibenden: Wir werden weiterhin an den Ständen Bier trinken und essen, Merch kaufen und die immer teurer werdenden Tickets akzeptieren. Aber kümmert euch im Umkehrschluss bitte endlich darum, dass wir alle ausreichend Wasser zu trinken bekommen. Die Sanis werden es euch danken. Und wir auch.