Immer strahlend, perfekt geschminkt und von Kopftuch bis zu den Schuhen modisch gestylt: So präsentiert sich Muslimin Haifa Beseisso in den sozialen Netzwerken. Seit drei Jahren bloggt die 27-Jährige unter dem Titel Fly with Haifa auf YouTube, Instagram sowie Facebook, während sie die schönsten Ecken der Welt bereist. Ihre Follower*innen sind dabei, wenn sie Koreaner*innen nach ihren Meinungen über Araber*innen fragt, sie ein Boxtraining in Thailand absolviert, Fallschirm springen geht oder einfach ihren Alltag in Dubai, wo die Palästinenserin seit ihrer Kindheit lebt, dokumentiert. Doch für ihre arabischen Fans, vor allem für die vielen Muslim*innen darunter, ist sie mehr als eine Reisebloggerin. Sie ist ein Vorbild. Sie ist gläubig und stolz darauf. Und verändert damit auch, wie Muslim*innen im Ausland wahrgenommen werden.

Zwischen Glaube und Lifestyle

An die 220.000 Menschen folgen Haifa mittlerweile auf Instagram, fast 500.000 haben ihren Kanal auf YouTube abonniert, die meisten unter ihnen stammen ebenfalls aus arabischen Ländern. Vor ihrem Erfolg arbeitete Beseisso beim Fernsehen. Sie wollte vor die Kamera, doch mit Kopftuch wäre das nicht möglich gewesen. Die meisten arabischen Moderatorinnen zeigen sich unverschleiert. Ihr Kopftuch trägt Haifa seit der Pubertät, es abzulegen kam für sie nicht infrage. Deswegen entschloss sie sich, den Job zu kündigen und es auf eigene Faust zu versuchen. Zunächst schnitt und veröffentlichte sie die Videos aus vergangenen Dienstreisen, damit wurde sie schnell bekannt: "Ab dem zweiten Jahr habe ich dann mit meinem Blog Geld verdient. Das ist bis heute meine Haupteinnahmequelle. Aber reich bin ich nicht", erzählt sie lachend.

Dass ihr Glaube auch heute noch zu ihr gehört, thematisiert sie immer wieder und zeigt neben bunten Fotos von einem Vergnügungspark in Los Angeles oder einem Pool auf Bali Bilder von ihrer Pilgerfahrt nach Mekka. Ihre Posts untertitelt sie mit Lebensweisheiten wie "Nature is healing, loving, and nurturing". Mit dieser Mischung aus Gläubigkeit, Leichtigkeit und Selbstbewusstsein trifft sie den Nerv von Tausenden Muslim*innen. Die Kommentare ihrer Follower*innen lesen sich wie eine einzige Liebeserklärung an Beseisso: "Rolemodel", "Inspiration", "So beautiful" steht neben ihren Instragram-Bildern oder unter ihren Videos.

Vermittlerin zwischen der arabischen und der westlichen Welt

Diese werden mittlerweile von Al Jazeera und anderen Nachrichtensendern geteilt, immer wieder wird sie interviewt. In der arabischen Welt ist Beseisso zu einem Star geworden – fast schon zu einer Ikone. Auch in Europa und den USA wird sie immer bekannter. So hat das Forbes-Magazin sie porträtiert, sie wurde als erste arabische YouTuberin überhaupt zum Friedensnobelpreiskonzert in Schweden eingeladen und der US-amerikanische Moderator Conan O‘Brian hat sie getroffen. Ihre Antwort auf die Frage, wie sie die Zukunft der Welt sehe: "Soziale Medien haben uns alle näher gebracht und gezeigt, wie ähnlich wir uns alle sind. Wir werden uns auf diese Gemeinsamkeiten konzentrieren und es wird Frieden geben. Wir haben das Kämpfen satt."

Ihren Blog sieht Beseisso als eine Brücke zwischen der arabischen und der westlichen Welt und sich selbst als Botschafterin für den Nahen Osten: "Muslimische Frauen werden oft dargestellt, als dürften sie nichts und hätten keine Rechte. Ich will zeigen: ,Guck mal, hier fliegt eine ganz alleine durch die Welt.'" Studien belegen, dass muslimische Frauen, beispielsweise in deutschen Medien, häufig als Opfer gesehen werden, ob von muslimischen Männern oder von Diskriminierung. Als tatkräftige Protagonist*innen einer Story kommen sie fast nie vor. Haifa Beseisso nutzt ihren Videoblog und Instagram für eine eigene Darstellung. Damit hat sie für sich das passende Medium gefunden: "Immer wieder bekomme ich Nachrichten, dass ich Menschen neue Perspektiven aufzeige", berichtet Beseisso stolz.

Bei politischen Themen hält sie sich lieber zurück

Welchen Einfluss sie auf das Bild von Muslim*innen hat, wurde Beseisso erst bewusst, als ihre Reichweite immer weiter wuchs. Diese nutzt sie seitdem auch, um gesellschaftliche Probleme aufzuzeigen. "Ich spreche zum Beispiel darüber, wie es ist, pleite zu sein. Ich erwähne auch, wie meine Mutter mich alleine großgezogen hat. Obwohl das ein Tabu ist", erzählt sie. Wenn sie über solche Themen spricht, dann stets auf eine kreative, harmlose Art und Weise.

Als sie den Druck, sich möglichst jung zu vermählen, thematisiert, der auf jungen Frauen in der arabischen Welt lastet, dreht sie ein seichtes Video darüber, wie sie das Leben heiratet. In einem weißen Hochzeitskleid fährt sie Inlineskates, dreht eine Runde auf der Achterbahn, rast mit dem Auto durch die Straßen. Doch dabei bleibt es: Sie zeigt nicht mit dem Finger auf Verantwortliche, sie hält kein flammendes Plädoyer für die Unabhängigkeit einer Frau. Sie geht einer echten Kontroverse aus dem Weg. So selbstbewusst sie in ihren Bildern scheint, so vorsichtig ist sie bei den heiklen Themen.

Einen Kommentar in Richtung des autoritären Regimes der Vereinigten Arabischen Emirate bekommt man von ihr weder in Videos noch in Interviews. Stattdessen lobt sie die politische Stabilität in der Region und freut sich darüber, wie selbstbestimmt sie leben kann: "Nur durch das Glück, dass ich in Dubai lebe, kann ich solche Videos drehen und ein solches Leben führen." Sie sieht sich selbst nicht als politische Bloggerin, behauptet unpolitisch zu sein: "Ich mag die Politik nicht, selbst mein Großvater spricht nicht darüber. Politik ist Krieg und Präsidenten und so", meint Beseisso lachend. Doch ganz stimmt das wohl nicht: Denn für ihren Blog fliegt sie auch nach Bangladesch, sammelt Spenden für die Rohingya und spricht über Geflüchtete aus Syrien.

Ihre Vorsicht, sich konkret zu äußern, ist zu verstehen, wenn man bedenkt, dass Dubai eine absolutistische Monarchie ist und die Vereinigten Arabischen Emirate, zu denen Dubai gehört, autoritär regiert werden. Einen Angriff auf politische Vertreter*innen würde Haifa schaden. Schon ihre harmlosen Beiträge werden zum Teil heftig kritisiert. Während ihre eigene Timeline vor Liebe überfließt, sieht das auf anderen Webseiten anders aus: "Wenn meine Videos geteilt werden oder auf anderen Plattformen erscheinen, kriege ich viele sehr altmodische und gemeine Kommentare. Meistens von Männern, die darüber reden, wie ich mich schämen soll. Dass ich hinter den Herd gehöre. Dass so etwas verboten werden sollte", fasst sie zusammen.

Doch trotz des Drucks, will sie sich davon nicht unterkriegen lassen: "Ich will noch mehr Videos über Missstände drehen. Ich will zum Beispiel die Doppelmoral bezüglich Beziehungen ansprechen. Wenn ein Mädchen einen Freund hat, wird das von der Familie und der Nachbarschaft als viel schlimmer angesehen als umgekehrt." Auch wenn Haifa Beseisso keine politische Revolutionärin sein will: Sie versucht, das Bild muslimischer Frauen im Westen und auch in der arabischen Welt zu korrigieren. Und zwar, wie sie sagt, durch colour & glitter, Farben und Glitzer.