Ohne ihre drei Hunde wäre Elke Vogelsangs Ehemann wohl nicht mehr am Leben. Im Dezember 2009, in den Weihnachtsfeiertagen, war sie gerade zu Hause in Hildesheim, als Noodles, Scout und Ioli wild zu bellen anfingen. Seltsam, dachte sie, denn normalerweise zählte ihr spanisches Windhundmischlingstrio zu den eher ruhigeren Haustieren. Diesmal aber hörten sie nicht mehr auf, sie bellten und kläfften, rannten durch die Wohnung, vom Badezimmer zurück zu Elke, immer und immer wieder. Verwundert rief Elke nach ihrem Mann. Keine Antwort.

Sie ging zum Badezimmer. Die Hunde sprangen weiter an ihren Füßen auf und ab. "Ich öffnete die Tür und sah, was mir die Hunde wohl die ganze Zeit mitteilen wollten", sagt Elke. Ihr Mann lag bewusstlos in der Badewanne, das Wasser lief noch. Dank der Hunde kam sie gerade noch rechtzeitig, denn er gurgelte bereits Wasser. Sie zog ihn hoch und rief den Notarzt. "Wie sich später herausstellte, hatte er eine massive Hirnblutung aufgrund eines rupturierten Aneurysmas. Die Hunde hatten ihm quasi das Leben gerettet", erzählt sie.

Im Krankenhaus versetzte ihn das ärztliche Fachpersonal für zwei Wochen in ein künstliches Koma. Als er erwachte, konnte er sich an nichts erinnern und war orientierungslos. Er wusste nicht, wo er sich befand, nicht mal, in welchem Jahrzehnt er lebte. Auch für Elke begann eine schwierige Zeit. Sieben Stunden verbrachte sie täglich an der Seite ihres Mannes im Krankenhaus und begleitete seinen Genesungsprozess.

Vom Hobby zur Profifotografin

Während Elkes Mann im Krankenhaus lag, begann sie ihrem Traum nachzugehen: Sie begann zu fotografieren. "Um mich abzulenken, um mich von den Sorgen zu befreien, für einen kreativen Ausgleich und um ein bisschen Normalität beizubehalten", sagt sie. Im Januar 2010 startete sie ein Projekt: jeden Tag ein Foto. Da ihre einzige Freizeit darin bestand, täglich ihre Hunde spazieren zu führen, waren Noodles, Scout und Ioli häufig die Motive. Die Bilder waren allerdings noch oft grau, melancholisch und zeigten bloß schlichte Szenen vom Gassigehen. Ihr tägliches Lieblingsfotos postete Elke online.

Mitte 2010 war Elkes Mann vollständig genesen. Er lebte wieder munter zu Hause, sein Gedächtnis war vollständig zurückgekehrt – und die vielen Sorgen verflogen. Aber Elke fotografierte weiter. Hunde blieben ihr Hauptmotiv. Sie fotografierte ihre drei Hunde, die Hunde von Freund*innen und welche, die im Tierheim auf ein neues Zuhause warteten. Mehr und mehr Anfragen landeten in ihrem E-Mail Postfach, und so beschloss Elke im Mai 2011 ein Gewerbe als Fotografin anzumelden. Sie verwandelte ihr Hobby zum Job.

Das Geschäft begann recht schleppend, aber Elke blieb motiviert und hatte Freude an ihrem Projekt. Jeden Tag schoss sie Fotos, jeden Tag veröffentlichte sie ihr liebstes in den sozialen Netzwerken. Sie wurde langsam besser und bekannter, ihre Bilder bunter und optimistischer. Print- und Onlinemedien kauften ihre Fotos an oder baten sie, Artikel über Hundefotografie zu schreiben. Das Interesse an ihrer Arbeit wuchs auch auf internationaler Ebene. Ihr Fotos landeten auf mehr als 20 Magazincover weltweit. Für Elke ging ein Traum in Erfüllung und "so hatte all das Unglück letztendlich wieder etwas Gutes", sagt die heute 45-Jährige.

Dogsonality – Jeder Hund ist eine kleine Persönlichkeit

Ihre eigenen drei Hunde seien Elke in schweren Zeiten eine große Hilfe gewesen. "Durch ihre bloße Anwesenheit und dadurch, dass sie mich sozusagen zwangen, mir Zeit für sie und damit auch für mich selbst zu nehmen", sagt sie. Das Beneidenswerte an Hunden sei, dass sie im Hier und Jetzt lebten, nicht vor sich hin grübelten, aber sehr wohl merken würden, wenn es anderen nicht gut geht. "Meine Hündin Scout lag mir in der Zeit, in der mein Mann im Krankenhaus war, gerne auf dem Bauch. Das hat sie weder vorher noch hinterher gemacht." Elke begann, sich näher mit den Emotionen von Hunden zu beschäftigen und beschloss, diese bildlich darzustellen.

Für ihr Projekt Dogsonality sammelte Elke Bilder von Hunden mit unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken. "Für mich sind häufig eher die Bilder interessant, die sich der*die Hundebesitzer*in nicht an die Wand hängen würde: die Gähner, die Gelangweilten, die Misstrauischen", sagt sie. Diese sind meistens in einem Bruchteil einer Sekunde entstanden, in denen der Hund nach einem Leckerli schnappt oder verwirrt schaut, wenn Elke den Wurf eines Spielzeugs andeutete. In Vorgesprächen mit den Besitzer*innen versuche sie den Hund und seine Persönlichkeit einzuschätzen und später in den Fotos wiederzugeben.

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Vermenschlichung ist ein zweischneidiges Schwert

Elke ist bewusst, dass wir die hündischen Gesichtsausdrücke oft mit einer vermenschlichten Interpretation versehen. Ein Hund reiße nicht das Maul auf, weil er schockiert ist, sondern in diesem Fall versuche er, das Leckerli zu fangen. Dass wir nach Ähnlichkeiten zwischen uns und den Hunden suchen, ist für Elke noch nichts Schlimmes, schließlich würden wir uns ihnen nahe fühlen. "Aber nur, wenn es nicht dazu führt, dass dem Hund ein Leben als Hund verwehrt bleibt. Zuneigung ist nicht das Problem, sondern die Vernachlässigung von hündischen Bedürfnissen".

Mit ihrem Projekt wolle Elke zeigen, wie unterschiedlich jeder einzelne Hund in Bezug auf Charakter und Emotionen sein kann. Obwohl sie dabei mit vermenschlichten Interpretationen und Gesichtszügen spiele, sei sie sich trotzdem sicher, dass die Bandbreite hündischer Emotionen auch realistisch betrachtet enorm groß ist. Jeder Hund ist seine eigene kleine Persönlichkeit. Ihre eigenen Hunde, die ihrem Mann das Leben retteten, beweisen das einmal mehr.