Ich dachte nicht, dass ich es überlebe. Ich war überzeugt, an gebrochenem Herzen zu sterben. Aber das glauben wohl alle Teenager mit Liebeskummer. Als meine erste große Liebe und ich uns nach vier Jahren Hin- und Hers endgültig trennten, schrieb ich wuttraurige Endzeit-Gedichte, brüllschluchzte und floh schließlich nach Spanien. Ich war 19.

Die erste Liebe vergisst man nie, sie ist intensiv wie kaum etwas anderes im Leben. Das weiß auch Psychoanalytiker und Autor Dr. Wolfgang Schmidbauer ("Das Coaching in der Liebe"): "Unser Gedächtnis ist so konstruiert, dass wir uns in einer Reihe von Ereignissen das erste besonders gut merken. In der ersten 'richtigen' Liebe werden viele Erfahrungen zum ersten Mal gemacht; das prägt sich ein."

Sind ausgerechnet wir wirklich Freunde?

Nach unserer Trennung hatten wir ewig keinen Kontakt. Viele Dinge geschahen: Neue Lieben, ein Haus, eine Hochzeit, eine Scheidung, eine Krankheit mit Heilung, eine Weltreise.

Viele Jahre später führte uns das Leben dann unerwartet wieder zusammen. Und zwar ganz anders, als mein Teenager-Ich es sich hätte ausmalen können.

Über gemeinsame Bekannte vernetzten wir uns auf Facebook. Ich veröffentlichte ein Buch – damit hatte ich ihm schon damals immer in den Ohren gelegen – und er las es tatsächlich, kommentierte es, wir tauschten uns aus. Seither sprechen und sehen wir uns häufiger.

Irgendwann kam dann bei mir die Frage auf: Moment mal, sind ausgerechnet er und ich wirklich Freunde geworden? Geht das?

Zeit ist der Schlüssel

"Das klappt, wenn es gelingt, die positiven Erfahrungen festzuhalten und sich von den negativen zu distanzieren", erklärt mir Dr. Schmidbauer.

Die Distanz ist vor allem eine zeitliche, das gebrochene Teenie-Herz ist etliche Male übergestrichen worden, hat vergessen und vergeben. Von den Erfahrungen sind tatsächlich nur die guten übrig geblieben: Die heimlichen Sommernächte im Schwimmbad, die Knutschereien im Treppenhaus, der erste Southern Comfort.

Und ich glaube: Die Sache mit der Freundschaft funktioniert, weil wir beide nichts mehr voneinander wollen. Denn was man laut Dr. Schmidbauer nicht machen darf: Die Anwesenheit des* der Ex-Partner *in nutzen, um ihm *ihr klar zu machen, was falsch gelaufen sei. Und dafür ist es einfach viel zu lange her.

Was der Experte außerdem sagt: "Die Umwandlung klappt nur, wenn beide Partner an einer Freundschaft interessiert sind und zusammenarbeiten, um ein freundschaftliches Klima aufrecht zu erhalten."

Er hat mich gerade neulich erst vom Bahnhof abgeholt und mich in seine Lieblings-Fischbude mitgenommen. Wir waren wenig später beim Karaoke und haben die alten Lieder gesungen. Er freut sich für mich und ich mich für ihn. Wir respektieren einander und hören uns zu. Wir lachen über die alten Geschichten, die außer uns niemand kennt.

Ja, wir sind eindeutig beide daran interessiert. Wir sind wahrhaftig Freunde. Und das überrascht mich fast so sehr wie es mich freut.