Normalerweise müssen sie sich verstecken. Verstecken, wie sie sich gerne kleiden würden. Verstecken, wie sie sich gerne schminken würden. Sie müssen verstecken, wie sie sind. Sie sind tabu.

In Bangladesch steht Homosexualität unter Strafe. Schon jemand, der nur durch sein Äußeres auffällt, kann verhaftet werden. Das ist aber nicht alles: Die Queers im Land werden verbal angegangen, physisch angegangen, sexuell angegangen. Verschlimmert hat sich das Problem durch den Aufstieg des fundamentalen Islamismus.

Ihre Verfolgung und die Gewalt, die sie beinahe täglich erfahren, hinterließen ihre Spuren: Die Menschen auf den Schwarzweiß-Fotos des Künstlers und Fotografen Gazi Nafis Ahmed sind von den schweren Umständen ihres Lebens in Bangladesch gezeichnet.

Dennoch wirken die Fotos so, als hätten die destruktiven Dynamiken Bangladeschs im Umgang mit der LGBTQ-Community keinen Platz. Vielleicht, weil die Menschen endlich frei und sie selbst sein dürfen – zumindest auf den Fotos. Weil sie das in einem sicheren Raum und unter ihren Freunden und Lieben offen zeigen können. Weil die geballte Missgunst und der Hass, der sie fast jeden Tag trifft, für einen Augenblick außer Kraft gesetzt sind.

Die Menschen in ihnen, die sie sonst verstecken müssen, werden endlich gesehen. Diese Bilder sind ihre Bühne. Hier sind sie nicht tabu – sondern einfach Menschen, die das Leben lieben, fröhlich, wie sie sind.

Wie eine Entlüftung für die Seele

Da sind zum Beispiel Billal und Aman, die sich für ein Foto obenrum entkleiden, auf ein Bett setzen und sich umarmen. Sie sagen, ihre Familien denken, sie wären nur beste Freunde. "Aber wir lieben uns, und nichts kann uns trennen", erzählen sie Nafis. Auf dem Foto können sie das auch zeigen. Aber würden sie ihre Familien einweihen, oder ihre Liebe auf offener Straße zeigen – sie sähen sich der Verunglimpfung und homophoben Justiz ausgesetzt.

"Ich erforsche mit meiner Arbeit die Liebe. Denn Liebe ist, was zählt. Liebe füreinander und die Liebe für die Kunst, die uns verbindet. Wir Menschen sind für einen sehr kurzen Zeitraum auf der Welt. Wenn es uns während dieser Zeit nicht erlaubt ist, zu sein, wie wir sind, können wir das Geschenk, das uns gegeben wurde, nicht schätzen", sagt Nafis zu ze.tt.

Seine Arbeit sei eine Katharsis. Er verbringe viel Zeit mit Menschen, führe tiefe Gespräche und öffne ihnen dadurch Türen. "Das wirkt wie eine Entlüftung", sagt er. Einige der Dinge, die wir in uns eingesperrt halten, kämen durch seinen Arbeitsprozess zum Vorschein.

Nafis selbst wuchs in Bangladesch auf. "Über Sex zu sprechen, ist dort tabu. Und über die Diversität der Sexualität zu sprechen, unvorstellbar." Er studierte Fotografie in Dänemark und wurde dort durch die Freiheit, seine Sexualität ausdrücken zu dürfen, inspiriert. 2008 entschied er, in sein Heimatland zurückzukehren und die dort sehr viel unsichtbarere queere Community in seiner Heimatstadt Dhaka zu finden. Es brauchte ein Jahr, mithilfe verschiedener Organisationen Kontakte zu knüpfen und Menschen kennenzulernen, die er dann fotografieren konnte.

Seither erweitert er sein Netzwerk in Dhaka und darüber hinaus. "Mein Ziel war, Geschichten zu erzählen, die so noch nie in Bangladesch erzählt wurden und eine Diskussion über Sexualität und Freiheit anzustoßen. Ich habe gefühlt, wie nötig das war", sagt er. Er sei in einer Familie aus Freidenkern und Individuellen aufgewachsen. "Es hat mich immer beeinflusst, null Toleranz gegenüber Diskriminierung und Unterdrückung zu haben. Ich werde das niemals tolerieren."



Anfang des Jahres stellte er seine Bilder in Bangladesch aus. Derzeit lebt er in Madrid. Für seine Arbeit wurde er schon häufiger bedroht. Er nahm die Drohungen nicht wirklich ernst, wie er erzählt – bis Xulhaz Mannan im April brutal ermordet wurde. Mannan war Chefredakteur und Gründer von Roopbaan, Bangladeshs erstem und einzigem LGBTQ-Magazin.

Nafis würde seine Arbeit gerne fortsetzen. Doch er muss auch auf seine eigene Sicherheit achten, sagt er: "Wenn du etwas ändern möchtest, musst du zunächst mal weiterleben."