"Alles fließt", wusste schon der Philosoph Heraklit. Und in unserer globalisierten, hypermobilen Welt ist das realer als je zuvor. Wir wohnen nicht mehr zeitlebens am selben Ort – knapp ein Drittel aller Deutschen zieht innerhalb von zehn Jahren mehr als zweimal um. Wir haben auch nicht mehr bis zur Rente denselben Job – zwei Drittel der Deutschen wechseln bis zu fünf Mal den Arbeitgeber.

Und auch Menschen bleiben kein Leben lang an unserer Seite.

"Beziehungen kommen und gehen, Freunde bleiben", heißt es oft. Stimmt aber leider nur bedingt. "In sieben Jahren scheitern fünfzig Prozent aller Freundschaften", erklärt Psychotherapeut, Autor und Freundschafts-Experte Dr. Wolfgang Krüger ("Freundschaft: beginnen, verbessern, gestalten").

Zu dem Schluss kam 2013 auch eine Studie der Universität Mainz. Ab Mitte 20 werden die Freund*innen demzufolge nicht mehr, sondern weniger und ab Anfang 30 verlieren wir sogar im Schnitt alle fünf Jahre eine*n Freund*in. "Es scheitern vor allem die Durchschnittsfreundschaften. Intensive Herzensfreundschaften bleiben meist bestehen", so Dr. Krüger. Immerhin.

Wozu brauchen wir dann Freunde?

Freundschaften enden aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel wegen mangelnder räumlicher Nähe durch einen Umzug, wegen Heirat oder Familiengründung, wegen eines neuen Jobs, oder wegen einer Scheidung. Jede große Veränderung im Leben wirkt sich laut Studie unmittelbar auf den Freundeskreis aus.

Aber wenn sie sowieso irgendwann verschwinden – warum freunden wir uns dann noch mit anderen an? Immerhin kosten Freundschaften mitunter auch Kraft und erfordern Kompromisse.

Ganz einfach: Weil wir als soziale Wesen nicht dauerhaft ohne andere Menschen können. Unsere Grundprobleme seien Einsamkeit und Unsicherheit. Der Freundschaftsexperte erklärt: "Ich brauche ein soziales Dorf, das mir Sicherheit vermittelt." Dieses Dorf an sich bleibt, nur die Einwohner wechseln.

Denn es kommen auch immer wieder neue Personen dazu. "Der Beginn neuer und intensiver Freundschaften tröstet über den Verlust der alten Freundschaften hinweg", sagt Dr. Krüger. Zumindest ein wenig.

Kürzer, aber glücklicher?

Auch in der Liebe haben wenige Bindungen Bestand. Das Modell "Wie Oma und Opa zusammen alt werden" ist zur Rarität geworden. Grund dafür sind vor allem gesellschaftliche Veränderungen. Es gebe heute schlicht weniger Konventionen und Trennungen seien nicht mehr stigmatisiert, sagt die Diplom-Psychologin und Partnerschafts-Expertin Lisa Fischbach. "Die Bereitschaft in einer unglücklichen Beziehung zu bleiben, ist stark gesunken. Zumal das Leben als Single nicht mehr tabuisiert ist."

Das an sich muss aber noch lange nichts Schlechtes sein. "Beziehungen sind im Vergleich zu den 50er Jahren heute kürzer, aber oftmals zufriedener", so die Psychologin. Statt einer lebenslangen, insgesamt semi-glücklichen Ehe gibt es heute meistens mehrere Lebensabschnittsgefährt*innen.

Trotzdem ist der innige Wunsch nach diesem "für immer" nachvollziehbar – auch in der x-ten Beziehung. Die meisten Menschen starten nach wie vor mit dem romantischen Ideal in eine neue Partnerschaft. "Liebe braucht die Sehnsucht nach Unendlichkeit, auch wenn die Realität oft anders aussieht", sagt Lisa Fischbach. "Sich mit angezogener Handbremse in eine Beziehung einzulassen ist kontraproduktiv."

Im Klartext: Auch wenn wir wissen, dass es wahrscheinlich nicht für immer halten wird, ist der Glaube daran wichtig für die Beziehung. Das Potenzial ist da, zumindest theoretisch.

Loslassen hilft

Und wenn es dann doch wieder nicht klappen sollte und man einen lieben Menschen verliert, dann schmerzt es. Egal, ob Freund*in oder Partner*in. Das Einzige, was uns dabei ein Stück weit hilft, ist Akzeptanz. Loslassen und annehmen, dass uns einige Menschen eben nur ein Stück weit auf unserem Weg begleiten und umgekehrt. Manche länger, manche kürzer. Wer zu lange festhält, leidet.

Nicht zuletzt können wir aus jeder gescheiterten Liebe und zerbrochenen Freundschaft etwas lernen. "Ich muss immer reflektieren: Warum gingen diese Beziehungen auseinander?", so Dr. Wolfgang Krüger. Die mentale und emotionale Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Verlust ist dafür essentiell. Und auch Lisa Fischbach sagt: "Durch die unterschiedlichen Charaktere werden in einem selbst immer andere Facetten der Persönlichkeit angesprochen. Jede Liebesbeziehung hat das Potential, die Persönlichkeit durch neue Erfahrungen weiterzubringen."

Ja, alles fließt. Manchmal weiß man nicht, wohin. Aber das ist besser als für immer Stillstand.