Im April gaben ARD und ZDF ihr Journalisten-Team für die Europameisterschaft im Sommer 2016 bekannt und überraschten viele mit der Personalie Claudia Neumann. Sie wird die erste Frau sein, die ein Meisterschaftsspiel der Herren live kommentiert.

Bei ihren Referenzen und ihrer langen Erfahrung als Sportjournalistin sollte das eigentlich niemanden wundern. Trotzdem rief ihre Ernennung deutlich mehr mediales Echo hervor als die ihrer beiden männlichen Kollegen. Eine Frau im Männersport  ̶  OMG!

Mehr als nur Deko

Nun ist es ja nicht so, dass Frauen gar keinen Platz im Fußball zugesprochen bekämen. Was wäre Fußball ohne überschminkte Models in knappen Outfits, die vor dem Spiel inhaltsleere Fragen an Trainer und Spieler stellen dürfen? Wie würden Spieler für ihre entscheidenden Torschüsse belohnt, gäbe es keinen Kamera-Schwenk auf die Spielerfrauen-Tribüne, auf der bühnenreif Freudentränen weggefächelt werden?

Für Männer ist Fußball offenbar eine der letzten Bastionen ihres Geschlechts und sie allein legen fest, wer welche Rolle zu spielen hat. Hier können sie in rauen Kämpfen Mann gegen Mann ihre Stärke unter Beweis stellen, die Mannschaft in die Schlacht führen und das Schicksal ganzer Nationen in wenigen Minuten entscheiden.

Und in jeder Heldengeschichte braucht es eben auch Prinzessinnen, die am Rand stehen, hübsch aussehen und bejubeln, was auch immer die Männer da gerade vollführen.

Wehe, du wagst dich!

Bewegt sich dann doch einmal eine Frau in die Ränge der Experten, wird sie möglichst effizient und umfassend untergebuttert. Zum Beispiel, indem eine Schiedsrichterin wie Bibiana Steinhaus trotz Bestnoten in der vorangegangenen Saison die Teilnahme an der ersten Bundesliga vorenthalten wird.

Stattdessen ist sie bei den Spielen als vierte Unparteiische auf dem Feld und damit  ̶  nicht nur im übertragenen Sinne  ̶  auf der Ersatzbank.

Zur Taktik-Analyse braucht man keinen Penis!

Dabei ist es schwer, das genaue Problem zu benennen, wenn Frauen genauso leidenschaftlich und ehrgeizig im Fußball arbeiten wollen wie ihre männlichen Kollegen. Es ist ja nicht so, als würden der Moderatorin ihre Brüste den Blick auf das Spielfeld verstellen. Oder als bräuchte man einen Penis, um eine Taktik genau auseinandernehmen zu können.

Das beweisen auch Frauen wie Sabine Töpperwien, die bereits seit 2001 Sportchefin beim WDR-Hörfunk ist und eine Vielzahl an Spielen kommentiert und begleitet hat. Trotzdem gab es immer wieder Spieler und Trainer, die ihr Interviews versagten, oder Chefs und Kollegen, die ihr keine Expertise zutrauten. Inzwischen hat sie sich ihre feste Rolle im Sportjournalismus erkämpft und wird für den WDR auch zur EM 2016 als Programmchefin auftreten.

Wovor fürchtet ihr euch?

Möglicherweise haben manche Männer Angst, diese letzte Bastion des Kerlseins zu verlieren. Das heilige Refugium  ̶  Bier, Kneipen, Gegröle und Schweißgeruch. Hier, wo sie allein die Regeln machen und "die Mädels" eingeladen werden müssen, um dabei sein zu dürfen.

Aber Fußball steht nicht nur dafür, sondern eben auch für Sportsgeist, Fairness, Teamspirit und den Willen, alles zu geben, um sein Ziel zu erreichen – Attribute, die überhaupt kein Stück mit Geschlecht zusammenhängen. Das Ideal der Männerdomäne aufzugeben, bedeutet auch, dieses starre Bild von der einzig wahren Männlichkeit loszulassen und damit Raum für alle zu schaffen.

Eine Chance für Männer

Frauen wie Claudia Neumann, Bibiana Steinhaus und Sabine Töpperwien werden nicht die letzten sein, die sich im Kosmos des Männer-Fußballs so wohl fühlen, dass sie trotz aller Widerstände bleiben wollen. Das ist toll für die jungen Mädchen und Frauen, die ihnen folgen möchten. Es ist aber auch eine Chance für Männer.

Eine Chance, veraltete Traditionen und Rollenbilder loszulassen und den wahren Wert des Fußballs hochzuhalten: Dass wir im Freudenjubel vereint sind – egal woher wir kommen, welchen Abschluss wir haben, wen wir lieben oder über welches Geschlecht wir uns definieren.