Wir wussten, dass er kommen würde. Wir wurden gewarnt. Am Montag noch erinnerte Autorin Sophie Passmann auf Twitter: "Leute, in ein paar Tagen kommt der Spotify-Jahresrückblick, letzte Chance für uns alle, jetzt doch noch schnell GEILE Musik zu hören".

Seit gestern füllen sie die Instastorys: Screenshots der liebsten Künstler*innen, der meistgehörten Tracks und – völlig uninteressant für wirklich alle Menschen – die Auflistung der liebsten Genres.

Couldn't care less

Die Flut an Jahresrückblicken, die man aktuell bewältigen muss, um endlich ein paar spannende Storys mit politischen Inhalten oder Hundewelpen zu sehen, ist schlimmer als jede Ice Bucket Challenge. Gebt mir hunderte Bilder von eurem Frühstück, aber bitte verschont mich mit eurem musikalischen Jahresrückblick.

Schon verstanden: Die Musik, die man hört, ist identitätsstiftend. Es fühlt sich gut an, wenn die Top fünf Künstler*innen, die man im vergangenen Jahr gehört hat, so richtig on brand sind und zu dem Bild passen, dass man von sich vermitteln möchte. Bist du so unglaublich individuell, dass niemand die Künstler*innen kennt, die du feierst (und insgeheim wünscht du dir, dass es für immer so bleibt)?

Oder sind Lizzo und Billie Eilish unter deinen meistgehörten Künstler*innen? Klar, wie könnte man ihre Musik nicht lieben. Aber genau deshalb ist es auch nichts Besonderes und langweilig für den Rest der Welt. Wir haben uns doch früher auch nicht besonders gefühlt, weil wir uns Bravo-Hits-CDs zu Weihnachten gewünscht haben.

Spotify-Jahresrückblick als Persönlichkeitstest

Wer seinen Jahresrückblick teilt, signalisiert damit auch eine gewisse Selbstzufriedenheit: Schaut alle her, wie exquisit mein Musikgeschmack ist. Darum an dieser Stelle ein Toast auf all jene, bei denen Einschlafmusik für Babys, Münchner Freiheit oder die Hörbücher von Cornelia Funkes Wilde Hühner den Jahresrückblick dominieren.