Bereits Anfang April rechnete man mit verstärkten Ausschreitungen zwischen Israel und Palästinenser*innen – zu diesem Zeitpunkt wählte Israel ein neues Parlament. Der rechte Regierungschef Benjamin Netanjahu blieb an der Macht. Damit rückte eine Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästinenser*innen weiter in die Ferne. Ausschreitungen gab es deswegen zunächst nicht. Nun eskalierte vergangenes Wochenende die Gewalt zwischen den beiden Konfliktparteien.

Was ist passiert?

Am Freitag wurden an der Grenze zu Gaza zwei israelische Soldaten angeschossen. Daraufhin tötete die israelische Armee vier Menschen im Gazastreifen – laut Angaben der Armee Kämpfer des militärischen Arms der in Gaza regierenden Hamas. Daraufhin kündigten Palästinenser*innenfraktionen Rache an und starteten eine Angriffswelle. Etwa 700 Raketen wurden über das Wochenende auf Israel abgefeuert. Die israelische Armee schlug mit 320 gezielten Angriffen im Gazastreifen bis Sonntagnachmittag zurück.

Der neu aufgeflammte Konflikt zwischen Israel und Palästinenser*innenorganisationen im Gazastreifen hat seit dem Wochenende mehr als zwei Dutzend Menschen das Leben gekostet. Mindestens vier Israelis wurden am Sonntag bei Raketenangriffen aus Gaza getötet – es sind die ersten zivilen israelischen Todesopfer durch Raketenbeschuss seit dem Gaza-Krieg 2014. Mehr als hundert weitere Menschen seien verletzt worden, wie israelische Medien berichteten. Angriffe der israelischen Armee töteten nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza am Sonntag mindestens 16 Palästinenser*innen – zusätzlich zu den sechs Todesopfern vom Vortag. Rund 150 Palästinenser*innen seien verletzt worden.

Die Eskalation kommt zu einem sensiblen Zeitpunkt: Am Sonntag startete für muslimische Menschen der Fastenmonat Ramadan, diese Woche feiert Israel seinen Unabhängigkeitstag – und kommende Woche steigt in Tel Aviv der Eurovision Song Contest, zu dem Zehntausende Fans erwartet werden.

Hält der Waffenstillstand?

Am Montag signalisierte die Hamas Bereitschaft zu einer neuen Waffenruhe mit Israel. Eine Feuerpause sei möglich, wenn sich Israel ebenfalls daran halte, verkündete der Chef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, am Sonntagabend laut dpa. In seiner Stellungnahme forderte Hanija außerdem eine Aufhebung der seit mehr als zehn Jahren andauernden israelischen Blockade des Gazastreifens, die inzwischen von Ägypten mitgetragen wird. Andernfalls werde es weitere Konfrontationen geben. Dass Israel dieser Forderung nachkommen wird, gilt als unwahrscheinlich.

Kurz darauf richtete US-Präsident Donald Trump eine Warnung an die Palästinenser*innen im Gazastreifen – und sicherte dem Verbündeten Israel die volle Unterstützung seines Landes zu.

Was ist der Hintergrund?

Im Wahlkampf kündigte Benjamin Netanjahu an, die israelische Siedlungspolitik weiterzuführen: "Ich werde nicht eine einzige Siedlung räumen. Und ich werde natürlich dafür sorgen, dass wir das Gebiet westlich des Jordans kontrollieren", sagte Netanjahu im israelischen Fernsehen. Durch sogenannte jüdische Siedlungen beansprucht der Staat Israel Gebiete im Westjordanland für sich, welche die Palästinenser*innen als Kerngebiet eines künftigen Staates sehen. Um den Nahostkonflikt durch eine Zweistaatenlösung zu befrieden, wäre es nötig, diese Siedlungen zu räumen. Durch die Ankündigung Netanjahus rückte die Zukunft eines unabhängigen palästinensischen Staats in unerreichbare Ferne.

Der Gazastreifen

Der Gazastreifen westlich von Israel ist seit mehr als zehn Jahren praktisch abgeriegelt. So gut wie niemand darf das 40 Kilometer lange Gebiet verlassen oder betreten. Der Gazastreifen ist Teil der palästinensischen Autonomiegebiete und wird von der Hamas regiert, die von den westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird.

1,9 Millionen Menschen, etwa so viele wie in Hamburg, leben auf einer Fläche, die etwas kleiner als das Bundesland Bremen ist – davon 1,2 Millionen in Flüchtlingslagern. Diese gehören nach Angaben der Vereinten Nationen zu den am dichtesten besiedelten der Welt. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahren. Hunderttausende Menschen sind ohne Möglichkeiten und Perspektiven im Gazastreifen gefangen. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen waren im Jahr 2016 40 Prozent der Einwohner arm. Sechs von zehn jungen Menschen haben keine Arbeit. Der Gazastreifen ist von großen Zäunen umgeben, die Übergänge sind weitestgehend geschlossen. Israel kontrolliert die Grenzen auf allen Seiten.