In Deutschland gibt es rund 260.000 Schüler*innen, die eine berufliche oder weiterführende Schule besuchen und ein sogenanntes Schüler*innen-Bafög erhalten. 504 Euro Pauschalsatz steuert der Staat für Miete, Kleidung und Essen Schüler*innen zu, die nicht mehr zu Hause leben. Das Geld soll den Empfänger*innen ermöglichen, ihre Ausbildung ohne finanzielle Hilfe ihrer Eltern zu beenden.

Einer von ihnen ist ein 18-jähriger Geflüchteter aus Bangladesch, der in Berlin lebt. Er hatte nach einer Erhöhung des Regelsatzes gefragt und ausgesagt, dass er von 504 Euro im Monat nicht leben könne. Ein üblicher Vorgang – und in den meisten Fällen wird diesen Anträgen auch stattgegeben.

Doch das zuständige Sozialgericht lehnte ab und fügte hinzu, dass der Mandant schließlich seine Einzimmerwohnung untervermieten könne: "Diese mag mit 28,25 Quadratmeter zwar nicht besonders groß sein, jedoch ist es bei Studenten oder Auszubildenden in Großstädten keinesfalls unüblich, selbst in engsten Verhältnissen mit mehreren Personen zu wohnen", erklärt das Sozialgericht dem Schüler. Weiter heißt es in der Begründung: "So werden, wie sich kürzlich verschiedenen Zeitungsberichten entnehmen ließ, sogar Schlafplätze in einem Zelt auf einem Küchenbalkon in einer Studenten-WG für 260 Euro im Monat inseriert sowie ein Schlafplatz auf der Couch in zentralen Lagen von Berlin tageweise (!) für 39 Euro angeboten."

Kanzlei veröffentlicht Schreiben des Gerichts auf Facebook

Die Kanzlei, die den Schüler nun rechtlich vertritt, veröffentlichte daraufhin Teile der Ablehung des Antrags auf Facebook. Seither ist der Fall in den Medien angelangt und wird diskutiert.

Rechtsanwalt Jörg Schindler arbeitet für die Kanzlei und erklärt gegenüber ze.tt: "Diese Begründung des Gerichts erschien uns als besonders fragwürdig, darum haben wir sie veröffentlicht. Meiner Meinung nach ist das Gericht damit über das Ziel hinausgeschossen. Vielleicht ist es eine Art Versuch einer Begründung gegenüber sich selbst, wie jemand von 504 Euro im Monat leben soll."

Meiner Meinung nach ist das Gericht damit über das Ziel hinausgeschossen." –  Jörg Schindler

Zudem sehen sie ihren Mandanten damit in die Illegalität gedrängt: "Wir halten den Vorschlag für die Untermiete für unseren Mandanten als unzumutbar und zudem als mietrechtlich nicht zulässig."

Das Gericht bezieht Stellung

Auch das Gericht hat sich mittlerweile zu dem Fall geäußert und sieht sich von den Medien verkürzt dargestellt. Nach eigenen Angaben ging es in dem Verfahren nur um die Frage, ob der Antragsteller von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausgeschlossen wird. Dies wurde bejaht, da sich der Antragsteller in einer Ausbildung befinde, die bereits durch Bafög gefördert werde, wie die Morgenpost berichtet.

Das Gericht betont zudem, dass sie den Antragsteller mit ihrem Beschluss keinesfalls dazu aufgefordert haben wollen, seinen Balkon mit Zelt oder einen Schlafplatz auf der Couch unterzuvermieten. Es habe sich um keine "tragenden Entscheidungsgründe" gehandelt, sondern sei jediglich als Begründung angehängt worden.

Handlungsbedarf Aufstockung Bafög

Eine Beschwerde gegen den Entschluss des Sozialgerichts liegt nun beim Landessozialgericht. Laut Rechtsanwalt Schindler gehe es bei dem Fall nicht nur um den Mandanten selbst, sondern darum, dass der Satz für Bafög generell zu niedrig angesetzt sei. "Bafög sollte dazu dienen, dass Menschen gar nicht in Sozialleistungsansprüche abrutschen und eben nicht für jedes Schulbuch und jede Klassenfahrt zusätzlich anfragen müssen."Das Berliner Sozialgericht müsse sich nun der Kritik stellen, tatsächlich müsste jedoch das Bafög generell aufgestockt werden.

Würde der Geflüchtete übrigens jetzt seine Ausbildung abbrechen, würde er Anspruch auf knapp 750 Euro im Monat nach dem Asylwerberleistungsgesetz haben. Er würde zwar nicht arbeiten dürfen, keine abgeschlossene Ausbildung haben, aber trotzdem knapp 250 Euro mehr im Monat bekommen.