Es klingt nach einer pragmatischen Lösung für ein konkretes Problem: Der Deutsche Bundestag ist zu männlich. Nur 30,8 Prozent der Parlamentarier*innen sind Frauen, das ist der niedrigste Wert seit 1998. Teile der SPD rund um die Bundesjustizministerin Katharina Barley fordern deshalb nun eine Frauenquote, die die Zusammensetzung der Geschlechter im Bundestag regeln soll. Auch Politiker*innen aus anderen Fraktionen schließen sich dem Vorschlag an.

Als Grund dafür, dass der Anteil weiblicher Abgeordneter aktuell so niedrig ist, wird immer wieder der Einzug der AfD-Fraktion ins Parlament genannt. Dort kommen auf 84 Männer gerade einmal zehn Frauen, was einem Anteil von nur 10,6 Prozent entspricht. Auch der Wiedereinzug der FDP, die nur 22,5 Prozent weibliche Parlamentsmitglieder stellen, drückt den Gesamtschnitt nach unten. Damit ist der Gesamtanteil von Frauen im Bundestag zum ersten Mal seit 1972 nicht gestiegen, sondern gesunken.

Was genau wird jetzt gefordert?

Eine konkrete Quote, aus wie viel Prozent weiblichen Mitgliedern der Bundestag zukünftig mindestens bestehen soll, wurde bisher nicht genannt. Stattdessen möchten die Unterstützer*innen des Vorschlags eine "gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern im Bundestag" erreichen, so Ministerin Barley gegenüber dem Spiegel. "Der Staat ist verpflichtet, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. So steht es in Artikel 3 unseres Grundgesetzes."

Ziel ist damit auf langer Sicht, dass die gesandten Abgeordnete zukünftig gleich stark aus Frauen und Männer bestehen. Das hätte nicht nur Auswirkungen auf die Plenarsitzungen. Da die Anzahl weiblicher Mitglieder im Bundestag so niedrig ist, sind sie dementsprechend zumeist auch in den Ausschüssen, Gremien und Ministerien unterrepräsentiert. Die Bedürfnisse und Interessen der weiblichen deutschen Bevölkerung werden dadurch teilweise zu wenig berücksichtigt.

Anlass der aktuellen Debatte ist die bevorstehende Reform des Wahlrechts, mit der der dafür zuständige Bundespräsident Wolfgang Schäuble eigentlich den Bundestag für künftige Legislaturperioden verkleinern möchte. Ein Zusammenschluss mehrerer Abgeordneter prüft dafür gerade, wie sich das durch Erst- und Zweitstimmen, Direktmandaten und Listenplätze recht komplizierte System ändern ließe. Wenn es nach den Verfechter*innen der Quote ginge, soll bei der Reform nun die Frage in den Vordergrund rücken, wie die Frauenfrage im Bundestag gelöst werden kann.

Wer unterstützt die Forderungen?

Neben der SPD, die bereits im März diesen Jahres anlässlich des Weltfrauentages eine Quote ins Gespräch brachte, unterstützen auch Abgeordneten aus anderen Parteien den Vorschlag. Teile der CDU, allen voran die Frauenunion, wollen per Gesetz einen höheren Anteil weiblicher Mitglieder des Bundestages erwirken. Die Grünen, die bereits bei ihrer Gründung 1979 eine parteiinterne Frauenquote von 50 Prozent für alle Ämter und Mandate festlegten, begrüßen die Idee ebenfalls.

Auch eine Vielzahl von Frauenverbänden unterstützten den Vorschlag. Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Elke Ferner, plädiert in diesem Kontext für ein fraktionsübergreifendes Frauenbündnis im Bundestag. Sie sagt: "Frauen und Männer müssen überall paritätisch vertreten sein – Auch in den Parlamenten und in politischen Gremien." Der Deutsche Frauenrat ist der größte Dachverband für Frauenorganisationen und frauenpolitische Interessen in Deutschland.

Wie soll das konkret gehen?

Mittlerweile hat sich ein Fachausschuss gebildet, der über die juristischen Möglichkeiten einer Frauenquote im Bundestag sondiert. Sie sollen Vorschläge machen, wie ein Gesetzt zur Förderung mehr weiblicher Abgeordneter aussehen könnte. Vorbild könnte das 2001 in Frankreich eingeführte "Paritätsgesetzt" sein, das regelt, wie viele Frauen die zur Wahl antretenden Parteien mindestens aufstellen müssen. Halten sie die Quote nicht ein, können ihnen Gelder für die Parteifinanzierung gestrichen werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre, Quoten für die Wahllisten der Parteien vorzuschreiben. "Derzeit ist es noch Aufgabe der Parteien ihre Landeslisten quotiert aufzustellen. Doch nicht alle Parteien gehen nach diesem Schema bei der Aufstellung ihrer Listen vor", kritisiert die SPD-Abgeordnete Josephine Ortleb, die in ihrer Fraktion zur Frauen- und Gleichstellungspolitik arbeitet. "Das große Problem sind die Wahlkreise: bei der Nominierung in den aussichtsreichen Wahlkreisen haben Frauen oft schlechtere Karten." Bei einer Listenquote müssten Parlamentarier*innen, die darüber für eine Partei in den Bundestag einziehen, einer festgelegten Geschlechterquote entsprechen. Direkt gewählte Abgeordnete wären von dieser Quote nicht betroffen. Auch Kandidatenteams, bestehend aus je einem Mann und einer Frau, wurden als mögliche Lösung präsentiert.

In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel Hessen und Baden-Württemberg, gibt es außerdem bereits eine sogenannte Soll-Quote. Dort war in den letzten Jahren im Vorfeld von Kommunalwahlen die Möglichkeit einer Geschlechterquote diskutiert worden. Schlussendlich einigte man sich darauf, die Parteien dazu aufzufordern, freiwillig ungefähr gleich viele Frauen wie Männer zur Wahl aufzustellen. Geändert hat das bisher wenig: Die Kandidat*innen für die Kommunalwahl in Hessen im Oktober diesen Jahres beispielsweise sind immer noch zu großen Teilen Männer (PDF).

Was sagen die Kritiker?

Dass es bald eine gesetzliche Frauenquote im Bundestag geben könnte, davon sind nicht alle überzeugt. Verfassungsrechtler*innen halten eine gesetzlich festgeschriebene Geschlechterquote für verfassungswidrig. Der Eingriff des Staates in die Auswahl der Abgeordneten sehen sie als Einschränkung der Wahlfreiheit – auch wenn in der Verfassung ebenfalls das Prinzip der Gleichberechtigung vorgeschrieben ist.

Doch auch Befürworter*innen sehen Probleme bei der Sondierung einer möglichen Frauenquote. Sechs der sieben Abgeordneten, die bisher im Auftrag Wolfgang Schäubles an dem Vorschlag einer Wahlrechtsreform sitzen, sind Männer. Dass sie demnächst auch an einem möglichen Entwurf für mehr Geschlechtergerechtigkeit arbeiten, scheint relativ unwahrscheinlich. Fraglich ist ohnehin, ob die Reform bis Ende des Legislaturperiode 2021 eingeleitet wird. Schäuble hatte zuletzt seine eigenen Pläne dahingehend überworfen.

Eine Quotenregelung für das Geschlechterverhältnis der Abgeordneten wird es also vermutlich nicht demnächst, sondern frühestens zur nächsten Bundestagswahl geben. Wahrscheinlicher aber ist, dass sich die Diskussionen und Sondierungen noch einige Legislaturperioden hinziehen werden. Ob und wie sich bis dahin der Anteil weiblicher Parlamentarier*innen nach oben entwickeln wird, ist offen. Bis dahin, so die Verfechter*innen, müssen Mädchen und Frauen in der Politik allgemein gestärkt und unterstützt werden, sodass es vielleicht irgendwann ohnehin ganz ohne Quote ginge. Wie genau diese Förderung aussehen soll, darüber wird zukünftig weiterhin zu diskutieren sein.