Schon wieder Berlinale. Mir tun ja immer die ganzen Schauspieler*innen auf den roten Teppichen leid: Da ist man auf dem größte Filmfestival der Welt eingeladen und friert sich im feinen Zwirn den Allerwertesten ab. Februar in Berlin, nur eine Gonorrhoe ist erquickender. Aber ganz ehrlich, da muss so ein Promi durch. Und schließlich gibt es ja nach dem Pflichtprogramm die Kür: die Promi-Aftershowparty.

Zumindest wirken diese Events wie die Kür. Von Boulevard-Magazinen wie Brisant (ARD), Exclusiv (RTL) oder taff (ProSieben) werden diese Veranstaltungen komplett durchmystifiziert. "Prominente Person x feierte bis tief in die Nacht auf der Aftershowparty", heißt es dann in den Beiträgen. "Um zwei Uhr mussten wir und unser Team das Event verlassen – man wollte ungestört weiterschwofen." Als würden spektakuläre Dinge hinter den verschlossenen Türen passieren, die so schockierend sind, dass sie unter allen Umständen geheim bleiben müssen. Die Bebilderung zu den Beiträgen ist ähnlich falsch: Promi x tanzt auffallend gut gelaunt zur Musik eines Ibiza-DJs, in der Hand ein Glas Weißwein – vielleicht noch ein O-Ton darüber, wie schön der Abend war. Oder wie gut es sich anfühlt, wieder Single zu sein.

Diese Darstellung ist natürlich kompletter Bullshit. Promipartys sind keine Kür, sie sind Gipfeltreffen der Künstlichkeit. Und vielleicht möchte es der*die geneigte Lesende nicht sofort glauben, aber als Dragqueen bist du auf solchen Partys nicht künstlicher als der Rest der Gäste.

Die, die wirklich bis tief in die Nacht auf solchen Events bleiben, sind die, die zu Hause nichts zu saufen haben.

Als Person des öffentlichen Lebens geht man selten zu den Events, um ungestört die Nacht durchzuschwofen, sondern größtenteils nur deshalb, weil das Management es so möchte. Die Presse braucht doch Material für ihre Storys drumherum! Da ist es ganz egal, ob du ein*e etablierte*r Schauspieler*in, Reality-Darsteller*in oder Influencer*in bist, Promipartys gehören zum Business dazu. Die, die wirklich bis tief in die Nacht auf solchen Events bleiben, sind die, die zu Hause nichts zu saufen haben.

Nun zähle ich mich zu keiner der drei genannten Berufsgruppen. Und eine Flasche Sekt habe ich sowieso immer im Kühlschrank. Ich, als künstliche Person Jurassica Parka, werde (wenn überhaupt) nur eingeladen, weil irgendjemand aus der Pressestelle mal in meinen Shows war und eine Fanschwulette ist. Ich habe dadurch aber schon vieles hinter mir: Premierenparty, Awardshow, Record-Release, Runway-Show zur Fashionweek … Hier in Berlin ist das letztendlich immer das gleiche Event mit denselben Gästen. Nur Ort, Anlass und Catering ändern sich.

Um euch zu zeigen, wie es da tatsächlich zugeht, möchte euch einmal durch einen solchen Abend führen. Dann braucht ihr euch nach dem nächsten Exclusiv-Bericht nicht grämen, nicht mit Promi x bei Party y dabei gewesen zu sein.

Die Outfitsuche

Das Outfit ist tatsächlich sehr, sehr wichtig. In meiner kleinen Dragqueen-Welt muss das möglichst laut sein. Mein Motto: Wer nicht gesehen wird, der ist auch nicht da. Paillette geht immer! Wieso? Zum einen erwarten die Veranstaltenden, dass man sich ein wenig rausputzt. Immerhin kostet so ein Event sehr viel Geld und wenn man sich dort sowieso schon für umme durchfressen kann, sollte man dabei wenigstens gut aussehen. Zum anderen geht es auf solchen Partys in erster Linie um Fotos, dazu kommen wir später. Also entweder, du bist ein A-Promi wie Iris Berben und kommst im distinguierten schwarzen Hosenanzug (denn mehr hat man dann nicht mehr nötig) oder du machst einen auf Alarm, um endlich mal zum C-Promi aufzusteigen.

Das Abhaken auf der Gästeliste

Auch eine Promiparty beginnt am Einlass. Dort stehen für gewöhnlich die Gästelistenbeauftragten an einem mit Husse verzierten Stehtisch. Meistens sind das Praktikant*innen des Eventmanagements. Die müssen den Spagat hinbekommen, die "unbekannten Promis" so wertschätzend wie möglich nach ihrem Namen zu fragen und die prominenten Promis nicht zu verärgern, obwohl man sie trotzdem noch abhaken muss.

Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Bekanntheit als Währung. Ich habe mir angewöhnt, sofort meinen Namen zu sagen, somit ist jeder*m geholfen. Und da wären wir auch gleich bei der nächsten Etappe.

Der rote Teppich

Die Fotograf*innen sind Richter*innen und Vollstreckende zugleich. War das Erkenn-mich-Spiel bei der Gästeliste nicht schon unangenehm genug, wird dir hier gnadenlos vorgeführt, wie prominent du wirklich bist. Je lauter sie rufen, je länger es blitzt, desto besser. Die Fotonummer ist natürlich völlig absurd, aber jeder prominenten Person geht es letztendlich nur darum, ein paar Tage später mit einem Eintrag auf Getty Images zu stehen. Das ist eine der Bildagenturen, deren sich dann wiederum die Presse bedienen, wenn Artikel mit prominenten Menschen bebildert werden müssen.

Mir haben sie schon mal zugerufen, dass ich endlich aus dem Bild gehen soll. Zu unwichtig. Natürlich schämt man sich dann, aber im Nachhinein ist es eigentlich amüsant. Bei Getty ist mein Name grundsätzlich immer falsch geschrieben oder ich werde als Gloria Viagra getaggt.

Der Smalltalk

Mit dem roten Teppich ist der wichtigste Teil des Abends gegessen. Danach geht es nur noch darum, allen Menschen, die dich begrüßen, vorzugaukeln, dass du sie AUCH kennst – wohl wissentlich, dass dein Gegenüber natürlich checkt, wenn du keinen blassen Schimmer hast. Ich sehe das immer in den leeren Augen, hinter denen das Gehirn verzweifelt rattert, aber zu keiner Erkenntnis kommt. Dann heißt es: einfach lächeln und Küsschen links, Küsschen rechts.

So kämpft man sich durch die glitzernde Oberflächlichkeit an Selfies und Insta-Storys vorbei bis zum nächsten Tablett mit Crémant. Der wird meistens von süffisant grinsenden Studierenden gereicht, die nach so einem Abend wieder ganz viel in ihrer WG-Küche zu erzählen haben. Tatsächlich beneide ich die dann, die sind seltsam entrückt. Echte Menschen, ein bisschen wie Zoobesucher*innen.

Das Abendessen

Das Essen auf solchen Feierlichkeiten ist meistens irgendein Fingerfood, etwas, das sich schnell zum Smalltalk wegsnacken lässt, den Damen nicht das Make-up versaut oder den Männern im Bart hängenbleibt. Das Essen ist also gefällig, für jeden was dabei. Hier und da war ich mal zu Awardshows eingeladen, bei denen es ein richtiges Menü an großen runden Tischen gab. Da ist man dann gezwungen, sich den ganzen Abend mit der langweiligen Soapdarstellerin links oder dem strunzblöden Bachelorette-Kandidaten rechts zu unterhalten. Horror. Außerdem bin ich eine Kleckerprinzessin, richtiges Essen mit Besteck, möglichst noch mit brauner Soße – sowas ist aufgetakelt eine Prüfung, die ich meistens nicht bestehe.

Und was bleibt am Ende?

Meistens dusche ich danach sehr heiß. Um zu merken, dass ich noch lebendig bin.

Promipartys sind definitiv ein Relevanz-Booster! Alle, die das Gegenteil behaupten, lügen sich in die Tasche. An Künstlichkeit sind diese Events leider unschlagbar. Länger als zwei, drei Stunden muss ich mir das nicht antun. Meistens dusche ich danach sehr heiß. Um zu merken, dass ich noch lebendig bin. Und dann freue mich umso mehr, zu meinem Lebenspartner ins Bett zu krauchen. Es geht doch nichts über echte Menschen.