Von einem "sozialpolitischen Meilenstein" sprach Malu Dreyer, die kommissarische SPD-Vorsitzende am Sonntagabend. Mit diesen Worten verteidigte sie den Kompromiss zur Grundrente, auf den sich die Parteien der Großen Koalition einigen konnten. Die Grundrente soll Menschen zugutekommen, die 35 Jahre lang in die staatliche Altersvorsorge eingezahlt haben und dennoch kaum von ihren Bezügen leben können. Sie sollen eine Rente erhalten, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt.

Von dieser neuen Vereinbarung profitieren vor allem Frauen, circa 80 Prozent der Berechtigten für die Grundrente sind weiblich. Doch das Wort "profitieren" täuscht. Es ist eher so, dass Frauen dabei nicht weiter schlechter gestellt sind als Männer. Zumindest in diesem Punkt. In vielen anderen sind sie es weiterhin.

Weiterhin sind die politischen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts vor allem auf Männer ausgerichtet. Männer, die wenig bis keine Verantwortung für Kinder oder Angehörige übernehmen. Während die Lohneinbußen von Müttern sogar schon einen Begriff haben – Motherhood Wage Penalty – schlägt sich das Kinderhaben bei Vätern nicht auf dem Gehaltszettel nieder. Und auch, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht, sind es zum Großteil Frauen, die sich kümmern und ihre Lohnarbeit entsprechend reduzieren. Das Resultat: Von Altersarmut sind vor allem Frauen betroffen. "Antworten auf Altersarmut sind vor allem gute Löhne für Teilzeitstellen, die Ein-Eltern-Familien absichern und von denen am Ende des Monats noch substantiell etwas übrig ist", schreibt Journalistin Teresa Bücker.

Führung in Teilzeit, Elternzeit für Väter, eine neue Definition von Lohnarbeit, Wertschätzung von Care-Arbeit – das alles müsste selbstverständlich werden, um der Ungerechtigkeit in der Berufswelt und damit auch später bei der Rente entgegenzuwirken. Deshalb bleibt zu hoffen, dass der Kompromiss zur Grundrente nur einer von vielen "sozialpolitischen Meilensteinen" ist, den die Große Koalition – so es sie noch weiter geben wird – erreichen wird.

Wenn die Politiker*innen gerade im Flow sind, sollten sie am besten gleich noch das Ehegattensplitting abschaffen.

Wenn die Politiker*innen gerade im Flow sind, sollten sie am besten gleich noch das Ehegattensplitting abschaffen, die Partnermonate bei Elternzeit verlängern und ein Recht auf Familienarbeitszeit einführen. Maßnahmen, die partnerschaftliche und progressive Geschlechterbilder fördern. Politische Maßnahmen, die dafür sorgen können, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrem Familienstand gerecht bezahlt werden. Plus Maßnahmen, die dafür sorgen, dass Menschen von ihrem Gehalt ein Leben oberhalb der Armutsgrenze führen können. Erst dann müssten Frauen nicht mehr berechtigte Angst vor Altersarmut haben.

Alle Texte der Kolumne Klein und groß.

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