Googles selbstfahrendes Straßenei wird des Öfteren an den Bordstein gewunken. In der Regel wollen dann Passanten Fragen zu dem außergewöhnlichen Projekt loswerden. Jetzt hat zum ersten Mal ein Polizist Googles Auto angehalten. Das Verkehrsvergehen: Zu langsames Fahren.

Die Macher des Wagens witzelten in einem Post auf Google+, aus so einem Grund würde ein Mensch wohl eher selten angehalten. Als wollten sie sich für ihre lahme Kiste rechtfertigen, fügten sie hinzu: "Wir haben die Geschwindigkeit des Prototyps aus Sicherheitsgründen auf 25 Meilen pro Stunde (Anm. d. Red.: circa 40 Stundenkilometer) gedeckelt." Das Fahrzeug, an dem die Entwicklungsabteilung Google X seit 2010 tüftelt, solle nicht bedrohlich, sondern freundlich wirken.

Im FAQ des Projekts ist nachzulesen, dass Googles selbstfahrendes Auto auch sonst auf konservatives Fahren programmiert ist. Wenn die Ampel auf Grün schaltet, wartet der Wagen 1,5 Sekunden, ehe er losfährt. Google hat also einen Sonntagsfahrer auf die Straße geschickt.

Was gilt überhaupt als selbstfahrendes Fahrzeug?

Um als autonomes Fahrzeug zu gelten, müssen Vehikel nicht zwangsläufig ohne Fahrer auskommen. Auch Fahrzeuge, die von selbst die Spur halten, im Notfall bremsen oder erkennen, wenn der Fahrer hinterm Steuer einnickt, gehen als autonome Fahrzeuge durch – sie werden allerdings auf einer niedrigeren Stufe eingeordnet als Googles Forschungsprojekt.

Die bekanntesten Klassifizierungssysteme für autonome Fahrzeuge haben die US-amerikanische National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) und der Forschungszusammenschluss AdaptIVe entwickelt. Das NHTSA-System umfasst vier Stufen: Uns bekannte Fahrzeuge, bei denen wir noch selbst Hand anlegen müssen, lassen sich auf Stufe null einsortieren. Stufe eins erreicht ein Fahrzeug, sobald eine Software wenige Funktionen übernimmt, auf Stufe drei kann der Fahrer noch eingreifen – wie beim Google-Car. Auf Stufe vier gibt es überhaupt keinen Fahrer mehr.

Seit wann werden autonome Fahrzeugen entwickelt?

Autonome Fahrzeuge sind keine brandneue Erfindung, bereits vor 100 Jahren gab es fahrerlose PKW im Straßenverkehr – und das nicht etwa, weil sich jemand einen gefährlichen Spaß erlauben wollte. In der Ausgabe des Milwaukee Sentinel vom 8. Dezember 1926 findet sich die Nachricht über ein "Phantom Auto", das offenbar an zwei Tagen durch die Stadt kurvte, ferngesteuert von einem dahinter fahrenden Wagen.

Richtig los ging's mit der Entwicklung in den 80er Jahren. Mit einer EU-Förderung von 700 Millionen Euro beschäftigte sich das Programm Prometheus acht Jahre lang mit Ideen, das Fahren nachhaltiger und sicherer zu gestalten.

Bis Vehikel der Stufe vier in unserem Alltag zum Einsatz kommen, wird noch einiges an Verkehr die A1 runterfließen. "Autonome Autos sind nichts, was auf einmal auf uns zukommt, es ist eine Reise, die sich in kleinen Schritten vollzieht", stellte Wolfgang Epple, Leiter der Entwicklungsabteilung von Jaguar, bei einer Konferenz fest. Diese Schritte machen gerade Unternehmen, das Militär oder auch Uni-Teams auf der ganzen Welt.

Wer arbeitet an autonomen Fahrzeugen?

General Motors, BMW, Mercedes, VW, Audi, Nissan, Volvo, Ford – so gut wie alle großen Autohersteller haben das Thema für sich entdeckt. Dass wir noch so wenige Testfahrzeuge sehen, liegt daran, dass die meisten Unternehmen bisher vor allem Software entwickeln, die das Fahren erleichtern soll.

Dabei mischen die Software-Experten natürlich fleißig mit: Auch wenn Google seinen Auto-Prototypen bereits in Mountain View, California und Austin, Texas öffentlich vorführt – die spannende Arbeit findet hinter Rechnern an dem Programm Google Chauffeur statt. Anfang des Jahres hat Konkurrent Apple angekündigt, für seinen eigenen Elektro-Wagen iCar autonome Technologien zu entwickeln. Und auch Uber will sich mit Hilfe des Robotics-Labors der Carnegie Mellon University verstärkt auf das Thema stürzen.

Für das Militär sind Fahrzeuge, die ohne Soldaten auskommen, ebenfalls ein großes Thema. In Israel entwickeln Elbit Systems zusammen mit Israel Aircraft Industries ein Gefährt, das selbständig an Grenzen patrouillieren kann. Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die uns einst den Vorläufer des Internets bescherte, hat sich zwischen 2004 und 2007 mit einem Wettbewerb dafür eingesetzt, die Entwicklung von fahrerlosen Fahrzeugen voranzutreiben. Dabei lieferten sich verschiedene Prototypen auf einer abgesteckten Strecke ein Rennen auf Zeit.

An diesen Rennen nahmen auch einige Uni-Teams teil, die ebenfalls an der Entwicklung von Modellen arbeiten. Die britische Oxford University erprobt im "WildCat Project" neue Sensoren an einem Geländewagen des Typs Wildcat. Die Universität im italienischen Parma tunet im VisLab-Projekt einen Audi A4 auf. Und die FU Berlin ließ 2011 den MadeInGermany, einen umgebauter Passat Variant 3C, zu Testzwecken durch Berlin fahren.

Wann werden wir uns rumkutschieren lassen?

Als Daimler kürzlich einen autonom fahrenden Lastwagen auf die A8 bei Stuttgart schickte, schien die Zukunft der selbstfahrenden Autos zum Greifen nah. Doch bis solche Fahrzeuge im Verkehr zugelassen sind und wir die Beine hochlegen können, wird es noch dauern.

Bis zum Jahr 2040 erwartet das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) erst mal, dass 75 Prozent aller Autos in Teilen autonom fahren. Googles Projekt-Chef Chris Urmson denkt progressiver: Er hat im Januar erklärt, ein voll verkehrstaugliches autonomes Auto auf die Straße zu schicken, bis sein 11-jähriger Sohn fahren lernt. Das wäre um 2020.