In der Bewertung der 91. Oscar-Verleihung in Los Angeles scheiden sich die Geister: Die einen loben die Veranstaltung für den verhältnismäßig hohen Grad an Diversität. So übernahmen Amy Poehler, Tina Fey und Maya Rudolph beispielsweise die Eröffnungsmoderation. Mit Regina King und Mahershala Ali bekamen zwei Schwarze Schauspieler*innen die Oscars als beste Nebendarsteller*innen. Unter den sieben Filmen, die in der Kategorie "Bester Film" nominiert waren, finden sich vier, in denen keine weißen Menschen im Mittelpunkt stehen.

Andere kritisieren, gerade in der Hauptkategorie hätte Hollywood einmal mehr bewiesen, dass es mit dem Wandel hin zu mehr Diversität nicht weit her sei. Dass Green Book als bester Film ausgezeichnet wurde, stieß Kritiker*innen eher übel auf: Zwar zeigt der Film eine Geschichte über Rassismus in den US-Südstaaten der 1960er-Jahre. Allerdings erzählt die Tragikomödie den Plot aus der Perspektive einer weißen Hauptfigur.

Für alle, die sich nach den Academy Awards noch intensiver mit Filmen beschäftigen wollen, die Schwarze Perspektiven zeigen, haben wir ein paar Empfehlungen zusammengestellt:

The Learning Tree – Drama, 1969

Fotografen-Legende Gordon Parks hat 1969 seine semi-autobiografische Kurzgeschichte verfilmt. Der Film erzählt von Newt Winger (Kyle Johnson), einem Teenager, der in Cherokee Flats im Kansas der 1920er-Jahre aufwächst. Die Handlung des Coming-Of-Age-Dramas stellt die ganz großen Lebensfragen nach Sex, Tod, Liebe, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit und überzeugt durch lebensnahe Aufnahmen. Auch wenn dem Film ein gewisses Faible für den Mix aus Nostalgie und Illusion anzumerken ist, bleibt der Subtext dramatisch real. Denn aufgrund von Newts Hautfarbe wird er in seiner Kleinstadt mit Rassismus konfrontiert. Die New York Times lobt den Film für sein "prächtiges, distanziertes, kühles, raffiniertes Gespür für Visualität."

Ray – Biopic, 2004

Ray wächst ohne Vater an der Seite seines Bruders George (Terrone Bell) und seiner Mutter Aretha (Sharon Warren) in einfachen Verhältnissen auf. Als Fünfjähriger wird er Zeuge davon, wie sein kleiner Bruder ertrinkt und trägt seither ein Trauma mit sich herum. Mit Rays plötzlicher Erblindung und dem frühen Tod seiner Mutter folgen zwei weitere schwere Schicksalsschläge. Rays Gesangstalent und seine Fähigkeiten am Klavier führen ihn allerdings bis nach Los Angeles. Taylor Jackfords Film bebildert die emotionalen Hochs und Tiefs in der Stadt der Engel und gewährt tiefe Einblicke in ein Seele, die nach ihrem rechten Platz sucht. Jamie Foxx mimt den vom Leben gezeichneten Jazzmusiker Ray Charles mit solcher Inbrunst, dass man ihn kaum vom Original zu unterscheiden weiß. Ein verdienter Oscar-Gewinner!

Do the right thing – Dramödie, 1989

Bei einem Polizeieinsatz im Wohnviertel Bedford Stuyvesant, Brooklyn, in New York kommt es im Clinch zwischen Italo- und Afroamerikaner*innen zu einem Todesfall. Regisseur Spike Lee (BlacKkKlansman) ist für seine gesellschaftskritischen Werke berühmt geworden. Lees Filme handeln von der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung. Mit Do the right thing legte Lee 1989 den Grundstein für spätere Rassismus-Studien. Vor allem die Subkulturen griff Lee schon damals glaubwürdig auf, ohne dabei realpolitische Zusammenhänge zu vernachlässigen. Der Film ging sowohl in Cannes als auch bei den Oscars leer aus und gilt dennoch als unumstrittener Kultfilm des amerikanischen Kinos. In den Anfängen seiner Filmkarriere verhalf Lee übrigens heutigen Schauspielgrößen wie Samuel L. Jackson und Halle Berry zu internationaler Bekanntheit. Daumen hoch!

Malcom X – Biopic, 1992

Bevor Malcom X 1940 zum Held einer afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde, führte er Kämpfe auf der Straße und fand im Gefängnis zu geistiger Klarheit. Frei von Klischees zeigt Spike Lee Leben und Wirken der politischen Ikone. Und auch vor dem expliziten Thematisieren des Ku Klux Klans macht Lee nicht halt. Ein Werk mit der Wirkung einer Motivationsrede und der Kraft einer Abrissbirne. Die über 200 Filmminuten sollten in jedem Geschichts- und Sozialkundeunterricht auf dem Lehrplan stehen.

Die Farbe Lila – Spielfilmdrama, 1985

Whoopi Goldberg brilliert als Celine, die von ihrem Stiefvater vergewaltigt und dann mit einem Farmer zwangsverheiratet wird. Der Weg heraus aus dem Patriarchat ist lang und steinig. Steven Spielberg versuchte neben dem Sichtbarmachen von Exotismus, gleichgeschlechtliche Liebe als Normalität zu porträtieren und männliche Gewalt auf das Schärfste zu verurteilen. Wie der Film 1986  bei den Oscars leer ausgehen konnte, bleibt ein ungelöstes Rätsel – auch aufgrund des markanten Soundtracks von Quincy Jones.

Hidden Figures –Spielfilmdrama, 2017

Männer sind für alle großen Errungenschaften unserer Zeit verantwortlich? Falsch. Hidden Figures folgt den drei Afroamerikanerinnen Katherine Johnson (Taraji P. Henson), Dorothy Vaughan (Octavia Spencer) und Mary Jackson (Janelle Monáe) bei ihrer Arbeit als Mathematikerinnen. In den 1950er- und 1960er-Jahren waren die drei Frauen maßgeblich dafür verantwortlich, dass die erste Rakete ihren Weg in den Weltraum finden konnte. Die wahre Geschichte lässt einen erschaudern, wenn man sieht, wie die weißen Kolleg*innen mit den drei Frauen umgehen, wenn die Rassentrennung auf Toiletten sichtbar und der Ruhm für Erfolge stets den Männern zugewiesen wird. Hidden Figures gilt als Beitrag zur #OscarsSoWhite-Bewegung und erhielt 2017 drei Oscar-Nominierungen.

*Mit dem großen S weisen wir darauf hin, dass "schwarz" keine Beschreibung eines Hauttons ist, sondern eine politische Kategorie.