Frauen werden bei der Stadtplanung häufig vernachlässigt. Das ist diskriminierend und zementiert Rollenbilder.

Wer in Berlin eine Toilette sucht, sollte besser ein Mann sein. 72 Prozent der öffentlichen WCs sind dort nämlich Männern zugänglich, Pissoirs und Unisextoiletten mit eingerechnet. Für Frauen gestaltet sich die Suche schwieriger: Insgesamt sind es nur 54 Prozent der WCs, die sie benutzen können. Das ist ungerecht, aber normal.

Normal deshalb, weil Städte lange nach den Bedürfnissen ihrer männlichen Planer gebaut wurden. Für niemanden sind Städte so lebenswert wie für einen gesunden, der Norm entsprechenden Mann, der Vollzeit erwerbstätig ist und Auto fährt.

Die Anforderungen unterscheiden sich

Zwei Drittel der Männer nutzen das Auto als Verkehrsmittel, Frauen hingegen nur zu einem Drittel. Trotzdem wird der Autoverkehr vielerorts bevorzugt. So sind die Bordsteinkanten in Einfahrten stets abgesenkt, nicht aber an Straßenecken. Gerade das wäre jedoch für Fußgänger*innen wichtig, die mit dem Kinderwagen oder Rollator unterwegs sind.

Dass Städte von beiden Geschlechtern unterschiedlich genutzt werden, liegt auch an der Arbeit, der sie mehrheitlich nachgehen. Frauen bringen für Haushalt und Kinderbetreuung noch immer mehr Zeit auf als Männer. Öffentliche Verkehrsmittel müssen deshalb schnelle Anbindungen an die Kita, aber auch an den Arbeitsplatz bieten. Schließlich sollten Städte die Geschlechterrolle der Hausfrau nicht festigen, sondern vielmehr Möglichkeiten zur Emanzipation bieten. Tatsächlich verbessern sich Fahrpläne aber nur langsam, Fahrscheine werden indes immer teurer.

Angsträume haben fatale Folgen

Dunkle Unterführungen, schwer einzusehende Wege und schlecht beleuchtete Plätze: Sogenannte Angsträume stellen vor allem für Frauen einen Unsicherheitsfaktor dar. Dabei ist schon lange bekannt, was man gegen diese tun kann. Bereits 1963 nannte die Stadtsoziologin Jane Jacobs in ihrem Buch The Death And Life Of Great American Cities die wichtigsten Maßnahmen, um Straßen sicherer zu machen. Bürgersteige sollten demnach stets durch eine vielfältige Erdgeschossnutzung belebt werden. Zusätzlich müssten anliegende Häuser so gebaut werden, dass auch Anwohner*innen den Bürgersteig im Blick haben. Jacobs fordert also eine Stadt, die den Bewohner*innen eine gewollte soziale Kontrolle ermöglicht. Dabei stellt sie auch klar: Eine erhöhte Polizeipräsenz ist dafür keine Lösung.

Angsträume müssen abgebaut werden, wo es nur möglich ist. Dominieren sie die Stadt, werden vor allem Frauen den öffentlichen Raum meiden. Das ist fatal, schließlich sollte dieser ein Ort der demokratischen Auseinandersetzung sein.

Die Situation verbessert sich nur langsam

Was wir brauchen, ist mehr Gender Planning, also eine Stadtplanung, die geschlechtsspezifische Anforderungen beachtet, ohne dabei Rollenbilder zu zementieren. Alle Bedürfnisse und Lebensentwürfe gleichermaßen zu berücksichtigen, hilft nicht nur Frauen, sondern allen Bewohner*innen der Stadt. Das hat man mittlerweile auch in deutschen Städten bemerkt: Bei Bauprojekten ist das Gender Planning seit 2005 eine Voraussetzung für Fördergeld.

Schlagartig lebenswerter macht diese Regelung unsere Städte natürlich nicht. Noch immer gibt es viele Orte, wo Frauen offensichtlich nicht an der Planung beteiligt waren. Etwa wenn öffentliche Gebäude nur über Parkanlagen erreichbar sind oder Turnhallen gebaut werden, in die man von draußen hineinschauen kann. Auch der Berliner Hauptbahnhof ist als Negativbeispiel zu nennen. Dieser ist weitaus schlechter zu erreichen, als es Hauptbahnhöfe in Städten wie Hamburg oder München sind – obwohl sich die Hauptstadt selbst als Vorreiterin im Gender Planning bezeichnet.

Bis Städte für alle Bewohner*innen gleichermaßen lebenswert sind, ist es also noch ein weiter Weg. Immerhin: In Sachen öffentliche Toiletten verspricht der Berliner Senat nun Besserung. Pissoirs sollen künftig nur zusammen mit Unisextoiletten angeboten werden.