Spanien im Ausnahmezustand. Polizist*innen, die auf friedliche Wählende losgehen; Wählende, die sich in Wahllokalen verbarrikadieren, um ihre Stimme für das katalanische Unabhängigkeitsreferendum abgeben zu können. Es sind erschreckende Bilder, die uns am 1. Oktober aus Spanien erreichen.

Mehr als 5,3 Millionen Katalan*innen waren von der Regionalregierung dazu aufgerufen, an diesem Sonntag wählen zu gehen – für ein Ja zur Unabhängigkeit von Spanien zu stimmen. Schon im Vorfeld stellte das spanische Verfassungsgericht klar, dass die Volksabstimmung illegal und somit nicht bindend sei. Das Referendum, das nun trotzdem stattfindet, wird zur Zerreißprobe zwischen der zentralen Regierung in Madrid und der katalanischen Regionalregierung.

Beschlagnahmte Wahlurnen, zerstörte Wahllokale

Bereits kurz vor der Wahl waren Wahllokale von der Polizei abgeriegelt worden. Um weitere Sperrungen zu verhindern, hatten sich schon in der Nacht zu Sonntag Menschen in Gebäuden eingeschlossen. Andere waren heute in den frühen Morgenstunden gekommen, um die Wahllokale zu beschützen. Trotzdem ging die Polizei teils gewaltsam gegen Wählende vor.

Das spanische Innenministerium twitterte, dass Polizist*innen in Barcelona Wahlurnen beschlagnahmt hätten.

Spanischen Medienberichten zufolge hätten die Beamten in Barcelona sogar Gummigeschosse eingesetzt, um Menschen von der Wahl abzuhalten. Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont sagte der Tageszeitung El Mundo: "Gewalt, Schlagstöcke, Gummigeschosse, wahllose Aggression [...] Ich denke, heute ist schon alles gesagt."

In Girona prügelten sich Bereitschaftspolizist*innen und Wählende. Die Polizei zerstörte Glasscheiben und setzte Bolzenschneider ein, um in das Wahllokal zu gelangen.

Mehr als 300 Verletzte

"Als die Menschen deutlich machten, dass sie sich nicht vom Wahllokal wegbewegen würden, haben sie uns mit Schlagstöcken attackiert", so zitiert nach dpa-Angaben die Zeitung La Vanguardia einen Katalanen vor einer Schule in Barcelona. "Den Hass in ihren Augen werde ich nicht vergessen. Sie haben auch Alte und Kinder angegriffen, es war ihnen egal."

Die katalanische Regionalregierung gab am Nachmittag bekannt, dass bislang mehr als 337 Menschen verletzt worden seien. Das spanische Innenministerium teilte unterdessen mit, dass auch Polizist*innen verletzt wurden, nachdem sie mit Steinen beworfen worden waren.

Die konservative Minderheitsregierung Spaniens um Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Sicherheitskräfte im Vorfeld offenbar zum harten Durchgreifen aufgefordert. Dieses Vorgehen könnte der spanischen Regierung trotz der Rechtswidrigkeit des Referendums nun zum Verhängnis werden. Warum, bringt der spanische Journalist Jordi Évole mit einem Tweet auf den Punkt: "Diejenigen, die sich diesen Plan zur Verhinderung des Referendums ausgedacht haben, wissen womöglich nicht, dass sie vielleicht den endgültigen Weggang Kataloniens eingeleitet haben."